Leipzig
11.11.1923
Liebe
Eltern!
Habt Dank für alles! Bis auf die Butter, die fast etwas
früh kam, kam alles zur rechten Zeit. Gleich das Finanzielle: die
Gelder reichten nicht, um die Kolleggelder zu bezahlen (die bloßen
Gebühren betragen jetzt, wie ich gestern hörte ca. 5 Billionen) da
langen die größten Summen nicht hin.
Also war die Frage die nach der besten Anlage des Kapitals, gleich gestern hatte ich keine Möglichkeit, wertbeständiges Geld zu kaufen (übrigens nach der künstlichen Stabilisierung des Dollars steigen die Goldpreise, sodaß für die Mensa zum Beispiel wertbeständige Anlage nicht viel Wert hat. Also hab ich mir so viel wie möglich Essensmarken gekauft (jetzt habe ich außer Bezahlung der Schulden noch für eine Woche Marken was sonst außer den Kolleggeldern irgend noch zu bezahlen ist, wird morgen bezahlt (gestern hatte ich nichtZeit, alles zu bezahlen) trotzdem langte der Verbrauch noch nicht, um alles aufzubrauchen. Da bin ich leichtsinnig geworden (wenns so zu nennen ist) und hab das Geld [...] anders angelegt und zwar hab ich mir eine kleine Bibelausgabe gekauft. Das war seit einiger Zeit meine starkes Streben. Hoffentlich versteht Ihrs. Glaubt bitte nicht, es wäre Leichtsinn oder Verschwendung. Ich kanns jedenfalls nicht dafür halten. Ich glaub fest, daß für die Kolleggelder auch noch Rat werden wird.
Heute Nachmittag und ubend ist kaum Zeit, drum nehmt bitte vorlieb mit der ganz geschäftlich platten "Mitteilung". Vor aller Tätigkeit weiß ich fast nicht, was anfangen, Sonntag wie Wochentag bin ich besetzt (teils von rein geselligem Beisammensein, das für ein ruhigeres Zusammenkommen manchmal nötig ist. Viel Schwierigkeiten gibts dies Semester, denen ich oft glaube nicht gewachsen zu sein; aber 2.Kor. 12,9, den ich über meinem Schreibtisch hängen habe, tröstet mich immer wieder.
Was ich eigentlich noch schreiben wollte, dazu ist heut keine Zeit mehr, drum lebt wohl für diesmal.
Herzliche Grüße Euch allen zusammen Euer Joachim
Also war die Frage die nach der besten Anlage des Kapitals, gleich gestern hatte ich keine Möglichkeit, wertbeständiges Geld zu kaufen (übrigens nach der künstlichen Stabilisierung des Dollars steigen die Goldpreise, sodaß für die Mensa zum Beispiel wertbeständige Anlage nicht viel Wert hat. Also hab ich mir so viel wie möglich Essensmarken gekauft (jetzt habe ich außer Bezahlung der Schulden noch für eine Woche Marken was sonst außer den Kolleggeldern irgend noch zu bezahlen ist, wird morgen bezahlt (gestern hatte ich nichtZeit, alles zu bezahlen) trotzdem langte der Verbrauch noch nicht, um alles aufzubrauchen. Da bin ich leichtsinnig geworden (wenns so zu nennen ist) und hab das Geld [...] anders angelegt und zwar hab ich mir eine kleine Bibelausgabe gekauft. Das war seit einiger Zeit meine starkes Streben. Hoffentlich versteht Ihrs. Glaubt bitte nicht, es wäre Leichtsinn oder Verschwendung. Ich kanns jedenfalls nicht dafür halten. Ich glaub fest, daß für die Kolleggelder auch noch Rat werden wird.
Heute Nachmittag und ubend ist kaum Zeit, drum nehmt bitte vorlieb mit der ganz geschäftlich platten "Mitteilung". Vor aller Tätigkeit weiß ich fast nicht, was anfangen, Sonntag wie Wochentag bin ich besetzt (teils von rein geselligem Beisammensein, das für ein ruhigeres Zusammenkommen manchmal nötig ist. Viel Schwierigkeiten gibts dies Semester, denen ich oft glaube nicht gewachsen zu sein; aber 2.Kor. 12,9, den ich über meinem Schreibtisch hängen habe, tröstet mich immer wieder.
Was ich eigentlich noch schreiben wollte, dazu ist heut keine Zeit mehr, drum lebt wohl für diesmal.
Herzliche Grüße Euch allen zusammen Euer Joachim
Bitte schickt bei Gelegenheit mal Briefumschläge mit, ich hab gar keine gewöhnlichen mehr.