Donnerstag, 31. Mai 2018

Zeitungsüberschriften und das Problem sachgerechter Verkürzung

Die Mär von der sozialen Ungerechtigkeit lautet die Überschrift eines Artikels der FAZ vom 30.5.18

Gespannt lese ich nach, ob die Behauptung, sozialer Status werde in Europa weiterhin über mehrere Generationen vererbt, nicht mehr gelte.
Dann erfahre ich, es geht um Bildungsgerechtigkeit. Und was ist dazu herausgefunden worden?
Lesen Sie mal nach.

Die Überschrift Die Mär von der sozialen Ungerechtigkeit erweist sich als Fake News. Denn es geht nur darum, ob Details einer speziellen Auswertung einer PISA-Studie korrekt vorgenommen wurden.

War es Ungeschick bei der Verkürzung? Sollte auf Kosten von Missverständlichkeit Interesse geweckt werden? Oder soll absichtlich der Eindruck erweckt werden, so weit sei es es mit sozialer Ungerechtigkeit in Deutschland gar nicht her?

Zugegeben: Die Überschrift "Auslegung der PISA-Studie ist strittig" hätte mich nicht zum Nachlesen angeregt.

Mit fällt bei Die Mär von der sozialen Ungerechtigkeit  H. M. Enzensbergers Aufsatz von 1962 über die FAZ ein: "Journalismus als Eiertanz"
Meine verkürzte Wiedergabe des Inhalts: Die FAZ bezieht alles auf Deutschland und lässt Deutschland immer möglichst gut aussehen.

Ich bin erstaunt, wie gut Enzensbergers Aufsatz (natürlich abgesehen vom konkreten Anlass) noch nach gut 55 Jahren auf die Methode der FAZ passt. Dort heißt es unter anderem:

"[...] Die Formulierung ist so unsachlich, daß sie auf eine Irreführung hinausläuft. (S.33) [...] "NATO-Kommando Ostsee vom Parlament gebilligt." Das ist die Nachricht, um die es geht, und in dieser oder ähnlicher Form hat die ganze Weltpresse darüber berichtet. Für die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen ist sie nichts weiter als ein Vorwand dafür, dem eigenen Land und letzten Endes sich selber, auf die Schulter zu klopfen. [...] Ein Blatt, das derart die Sache selbst in den Hintergrund schiebt, um aus ihren Begleitumständen politisches Kapital zu schlagen, muß mit solchen Kapital nicht eben reichlich versehen sein." (S.34) (H. M. Enzensberger: "Journalismus als Eiertanz. Beschreibung einer Allgemeinen Zeitung für Deutschland, zitiert nach Einzelheiten I, edition suhrkamp 63, Frankfurt 1973, Hervorhebungen von Fontanefan)

Wenn man es ins Positive wenden will, darf man sagen:
Diese traditionsreiche Zeitung ist sich selbst treu geblieben.
Freilich nicht der kritischen Haltung ihrer Vorgängerin, der Frankfurter Zeitung, die diese von der Weimarer Republik bis in die Zeit des Nationalsozialismus hinüber gerettet hat. Wohl aber der Selbstzufriedenheit der Adenauerära, die noch von keinerlei Selbstkritik angekränkelt war.

Was bedeutet "Nah 1955"?

"Nah" -(amerikanischer) Slang für engl. no
1955 --> Rosa Parks' Busboykott 1955: sie hat sich geweigert, für einen weißen Mann aufzustehen
"Nah 1955" --> Begriff des Civil Rights Movement

Mittwoch, 30. Mai 2018

Papst Franziskus: Ein Mann seines Wortes

Papst Franziskus: Ein Mann seines Wortes (Trailer)

  Filmkritik von Maria Wiesner

Ich weiß noch fast nichts mehr über diesen Film als das, was hier gezeigt wird, doch glaube ich, ein Hinweis auf den Filmstart am 14.6.18 ist sinnvoll.

Hier Kommentare zum Trailer:

Was soll das denn heißen? Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, gut oder böse und links oder rechts.

Der Vatikan , der Papst sind alles Verräter , Lügner und Kinderschänder, Das Christentum wurde von Merkel an den Islam verkauft , sie hat uns verkauft und Papst macht mit , Die Geister die sie riefen werden sie NIEMALS los.

Wenn es jemals einen Papst gegeben hat den die Katholiken hätten lynchen sollen für Hochverrat, dann diesen hier.

Ich denke, es verwundert nicht, dass ich diese Kommentare als Empfehlung für den Film auffasse.
Maria Wiesner empfiehlt ihn nicht ganz so uneingeschränkt.

Aktuell bemerkenswert ein Kommentar zu der Äußerung von Franziskus von 2013 "Wenn jemand homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich, über ihn zu richten?"
meint dazu in SPON am 19.6.18, er meine damit nur "dass er Lesben und Schwule nicht eigenhändig auspeitschen möchte." und fügt dann noch hinzu: "Hach, der lockere Oberhirte, dem das Herz überquillt vor Gnade und Demut, so feierte man ihn damals - dabei war das alles weder neu noch nett, denn über Menschen richten kann auch und gerade für einen Papst eben nur Gott. "

Bemerkenswert sind diese Formulierungen, mehr brauche ich wohl zu ihrer Charakterisierung nicht zu sagen.

Dienstag, 29. Mai 2018

Was läuft da schief?

"[...]
Deutsch: 15 Punkte
 Musik: 15 Punkte
Englisch: 15 Punkte
Französisch: 15 Punkte
Latein: 15 Punkte
Geschichte: 15 Punkte
Philosophie: 15 Punkte
Religionslehre: 15
Punkte Mathematik: 15 P
unkte Physik: 15 Punkte
Durchschnittsnote: 1,0
 Er hat Physik studiert, das lief ganz gut. Es lief auch danach nicht schlecht.
 Er fing in der Rüstungsindustrie an, als Systemanalytiker und Stellvertretender Projektleiter Datennahme- und Stimulationssystem bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm. [...]"

Langzeitarbeitslosigkeit von    


"Unsere Elite gehört dem Computer und der Rüstung", habe ich schon 1987 kritisch angemerkt
Es liegt nicht am Einzelnen, der falsch gepolt ist, sondern an den falschen Werten der Gesellschaft. 
Wichtig ist, dass wir erfolgreich Auslandseinsätze der Bundeswehr organisieren können. Dass die kommende Generation selbstbestimmt heranwächst, ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können. 



Internationale Klimapolitik 2018 und die Große Koalition in Deutschland

"Die internationale Energieagentur (IEA) meldete "Ende März 2018 einen neuen Rekordwert bei den globalen CO2-Emissionen. Nahezu zeitgleich gab die Weltmeteorologeorganisation (WMO) die höchsten Schäden infolge extremer Wetterlagen seit Beginn der Aufzeichnungen bekannt. Ursächlich hierfür waren eine ungewöhnliche Häufung von Hurrikanen im Nordatlantik, extreme, niederschlagsbedingte Überschwemmungen auf dem indischen Subkontinent und schwere Dürren in Ostafrika. Der weltgrößte Rückversicherer MunichRe bezifferte die infolge von wetter- und klimabedingten Naturkatastrophen im Jahr 2017 angefallenen materiellen Schäden auf den Rekordwert von 260 Milliarden Euro.Dessen ungeachtet erlebte Deutschland im Zuge der jüngsten Regierungsbildung, dass Klimapolitik mit nachgeordneter Priorität ver- und behandelt wird. " (Steffen Bauer: Internationale Klimapolitik 2018. Von Paris über Bonn nach Katowice)

Es freut mich, dass das auch von anderen ausgesprochen wird.






Montag, 28. Mai 2018

Kreidezähne gefährlicher als Karies

Mögliche Ursachen von Kreidezähnen

Kreidezähne entstehen, weil die Mineralisation des Zahnschmelzes gestört ist. Woran das liegt, ist noch nicht ganz klar. „Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung scheinen Weichmacher aus Kunststoffen zu spielen, die mit der Nahrung aufgenommen werden“, schreibt die DGZMK in einer Mitteilung – also Plastik. Konkret lasse sich aufgrund von Tierversuchen ein Zusammenhang zwischen Bisphenol A-Konsum (BPA) und der Entwicklung von MIH feststellen. Denkbar seien außerdem Probleme während der Schwangerschaft, Infektionskrankheiten, Antibiotika, Windpocken oder Dioxine als Ursachen.

BPA verändert den Hormonhaushalt

BPA gehört zu den weltweit am häufigsten verwendeten synthetischen Chemikalien. Das Problem: Es wirkt wie eine Art hormoneller Schadstoff, da er eine östrogen-ähnliche Wirkung hat und den Hormonhaushalt verändert.
BPA lässt sich im Alltag extrem schwer vermeiden – es steckt in Verpackungen, Plastikgeschirr, noch immer in manchen Kassenbons und Parkscheinen, Plastikschnullern, Konserven- und Getränkedosen. Beim Menschen fand man in Untersuchungen BPA im Blut, Urin, Fruchtwasser, Gebärmuttergewebe.

Warum werden Kultusministerien regelmäßig von der Entwicklung der Schülerzahlen überrascht?

Arbeitet das Statistische Bundesamt nur für den Geheimdienst?

Nein, aber die Kultusminister nur für die schwarze Null.

Vom nagenden Gefühl, ein Hochstapler zu sein

https://www.srf.ch/sendungen/passage/als-ob-vom-nagenden-gefuehl-ein-hochstapler-zu-sein

25% aller Kinder im Schulalter besuchen keine Schule. Grund: Zunahme von Kriegen

"In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der gewaltsamen Konflikte fast verdoppelt, was dazu führt, dass weltweit jedes vierte Kind keine Schule besucht. Das Ausmaß der Angriffe auf Bildungseinrichtungen ist erschreckend: der aktuell veröffentlichte Bericht „Education Under Attack 2018“ dokumentiert zwischen 2013 und 2017 mehr als 12.700 Angriffe auf Bildungseinrichtungen, bei denen mehr als 21.000 Lernende und Lehrende verletzt oder getötet wurden. Mehr als 1.000 Angriffe (gezielt oder als „Kollateralschaden“) auf Schulen wurden jeweils in der Demokratischen Republik Kongo (alleine 639 hiervon in der Kasai Region in den Jahren 2016/2017), in Israel und den Palästinensischen Gebieten, in Nigeria und im Jemen dokumentiert. Zwischen 500 und 999 Angriffe auf Schulen wurden sowohl in Afghanistan als auch im Südsudan, in Syrien und in der Ukraine verzeichnet."
(SAFE SCHOOLS DECLARATION, UNICEF 22.5.18)

Samstag, 26. Mai 2018

Das Geschäft mit der Altenpflege

Die durchschnittliche Profitrate bundesdeutscher Unternehmen wird immer wieder mit etwa 2 Prozent angegeben. (Wer das wie errechnet, ist mir nicht bekannt.) Die Koriangruppe* erzielte 2016 14,1 Prozent. (Publik Forum, 25.5.2018, S.14)

Wie ist das gerade in der Altenpflege möglich?
"Jeder Betreiber schließt alleine oder gemeinsam mit anderen einen Vertrag mit den Pflegekassen ab. Dabei wird ein kalkulatorischer Gewinn veranschlagt, den Pflegekassen etwa bei 4 % festmachen. Der tatsächliche Gewinn weicht jedoch regelmäßig davon ab."
(Publik Forum, 25.5.2018, S.14)
Er hängt von der Produktivität der Unternehmen ab. 

Wie kann man die erhöhen?
Durch Arbeitsverdichtung, also Pflege von mehr Personen in kürzerer Zeit bei geringeren Kosten für Arbeitslohn. Also auf Kosten der Pflegebedürftigen und des Pflegepersonals. 

Wie kam es dazu?
"Niemand zwang die Politiker in Deutschland oder anderen Ländern, einen [privaten] Pflegemarkt zu schaffen. Als sie es taten, folgten sie dem neoliberalen Zeitgeist der in den 1900 neunziger Jahren in der Privatisierung öffentlicher Angebote ein Mittel für höre Effizienz sah und pries.
Die Politik wollte angesichts ja alternden Bevölkerung vor allem die Kosten für die öffentliche Hand im Pflegebereich begrenzen. Dazu mobilisierte sie privates Kapital für anstehende Investitionen. Mehr als die Hälfte der Altenheime befindet sich mittlerweile in privater Trägerschaft – Tendenz steigend."  (Publik Forum, 25.5.2018, S.14)

Weil der Staat dabei Geld sparte. redete er den Privatfirmen nicht in ihre Methoden hinein. 

Kein Wunder, dass immer weniger ausgebildete Pflegekräfte unter diesen Bedingungen arbeiten wollen: "Im Schnitt arbeiten Pflegekräfte gerade einmal sieben Jahre in ihrem Beruf." (Publik Forum, S.14)
Inzwischen gibt es einen astronomischen Mangel an ausgebildeten Pflegekräften. ("Zurzeit fehlen in Deutschland etwa 30.000 Pflegekräfte" - ZEIT 7.12.17) 

*Dazu die Wikipedia
"Korian ist ein französisches Unternehmen, das in Frankreich, DeutschlandItalien und Belgien in vier Kernbereichen aktiv ist: PflegeeinrichtungenRehabilitationszentren für Senioren, Betreutes Wohnen und Ambulante Pflegedienste[1] Der Unternehmensname „Korian“ kann auf das japanische Wort „kokoro“ zurückgeführt werden, was im Deutschen ‚Herz‘ bedeutet."

Donnerstag, 24. Mai 2018

Weshalb das Ehrenamt wichtig ist

https://www.ruhrnachrichten.de/Staedte/Dortmund/Ohne-Ehrenamtliche-waere-die-Lebensqualitaet-ruckzuck-im-Eimer-1286974.html

"[...] Das größte Verhängnis, gegen das wir anzukämpfen haben, sind junge Menschen, die arbeitslos ins Leben starten und das auch bleiben. [...]"

BagsoBundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e. V. (BAGSO)

Klimawandel

"[...] Etwa ab 1995 wurde die Frage des Klimas zur politischen Trennlinie. Ab dieser Zeit endet die parteiübergreifende Gesetzgebung beim Thema Klimawandel; und diejenigen, die sich dem Problem nicht stellen wollen, beginnen, es zu leugnen. Auch diese Leute haben gemerkt, dass der Klimawandel wichtig ist, aber sie behaupten, er existiert nicht. Das ist absurd, aber es ist eine verständliche Reaktion auf die ökologische Krise. Der bisherige Höhepunkt dieser Haltung war Donald Trumps Rückzug aus dem Übereinkommen von Paris im vergangenen Jahr. Damit sagte er explizit: Wir teilen nicht das Schicksal einer Welt, in der der Klimawandel passiert. [...]"  (BRUNO LATOUR IM INTERVIEW: Wir sind alle wie Trump, FAZ 19.5.18)

Mein Dank an Oliver Weber

Wissenschaftler bei Twitter im politisch-philosophischen Diskurs

Die Empfehlungen stammen von @joergschellerl/ und @ideenfreiheit

Der Geist zwitschert, wo er will 
Von Jörg Scheller und Wolfgang Ullrich, DIE ZEIT Nr. 22/2018, 24. Mai 2018

"[...] Unter Philosophen, Soziologen und Politikwissenschaftlern hat sich längst eine aufregende Debattenkultur entfaltet. [...]"
"Remo Grolimund von der ETH Zürich (@grawzone). [...] Der Historiker Thomas Schmid indes verlieh ihm das Prädikat "Qualitätstroll". [...]
[Grolimund meint, Intellektuelle hätten] "gelernt, Eindeutigkeiten zu hinterfragen, methodisch korrekt zu differenzieren. Dabei sind sie zu miserablen Catchern geworden. Sie haben verlernt, dem Publikum emotionale, symbolische Anknüpfungspunkte zu bieten." Auf Twitter ist das eher möglich als in akademischen Bleiwüsten – zumal Grolimund seine Interventionen durch Punkrock- und Metal-Clips auflockert. Mehr noch: Über den AfD-Politiker Marc Jongen schuf er 2017 die bizarre Twitter-Comic-Saga #ThymosBoy, eine Art Fortsetzungsroman aus Bild-und-Text-Collagen, in der sich auch Peter Sloterdijk per Astralreise aus dem Ohrensessel zu Wort meldet. Immer wieder liefert sich Grolimund hitzige Gefechte mit Daniel-Pascal Zorn (@fionnindy), Co-Autor des umstrittenen Buches Mit Rechten reden. [...]
Das Medium zwängt den Diskurs also keineswegs in starre Bahnen. Vielmehr entstehen neue, offene Räume und Unwahrscheinlichkeitsgebilde. Der Account @Daily_Hegelbeispielsweise sondert verlässlich Hegel-Weisheiten und Hegel-Bilderrätsel ab – der Weltgeist in 280 Zeichen. Nicht gerade das, was man spontan mit Twitter in Verbindung bringen würde. Aber wie schon Hegel in seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse zwitscherte: "Wer etwas Großes will, der muß sich, wie Goethe sagt, zu beschränken wissen." [...]"

Wem ich probeweise folgen will: 
@kathrinpassig@netsociology@ArminNassehi (u.a. Flüchtlingskrise)  Verfassungsrechtler Christoph Möllers (@ChristophMllers); @GeorgeLakoff

Dienstag, 22. Mai 2018

Wie Inklusion gelingt

"[...] Wer von Inklusion spricht, denkt eher an Schüler mit auffälligem Verhalten und Lernstörungen, die sich unter jene mischen, die "keine Diagnose" mitbringen. Vier bis fünf sind es meist pro Klasse, und schon die können Lehrer zur Weißglut, Mitschüler außer Rand und Band und Eltern auf die Barrikaden bringen.
An der Martinschule ist das anders. Hierhin kommen jeden Morgen auch Kinder mit schweren geistigen Behinderungen. Einige sitzen im Rollstuhl, andere sind kaum ansprechbar, manche müssen gefüttert werden. Es gibt Kinder, die schnell aggressiv werden, die nur langsam begreifen, die als Autisten gelten. [...]
Heute, da die Inklusion behinderter Kinder in den Regelschulbetrieb zum bildungspolitischen Reizthema geworden ist, ist Skladny überzeugt, den richtigen Weg gegangen zu sein. Es sei einfacher, aus einer Schule für geistig Behinderte eine inklusive Gesamtschule zu machen, als eine Regelschule umzuwandeln. "Unsere Kinder hier sind so unterschiedlich, dass uns noch nie in den Sinn kam, allen denselben Unterricht zu geben."
An anderen Schulen im Land dagegen fragt man sich immer noch, wie Inklusion gelingen kann. [...]"(Martinschule in Greifswald ZEIT 17.5.18)

Das "Blut" im "rohen" (rare) Steak ist kein Blut

Das Blut im Steak ist nicht das, was wir alle denken Stern 15.5.18

Schülerproteste um 1968 und heute - Schulstreiks

Um 1968
Die Ausstellung "Klassen-Kämpfe. Schülerprotest 1968-1972" mit Lernlabor
im Museum für Kommunikation in Frankfurt, Schaumannkai 53 noch bis 22.Juli 2018

Im Interview mit der FR am 22.5.18 meint Kurator der Ausstellung Mathias Rösch vom Schulmuseum Nürnberg:
"Ich denke, es ist eher so, dass es ohne Schülerbewegung die Studentenproteste nicht gegeben hätte als umgekehrt."

http://www.mfk-frankfurt.de/klassen-kaempfe-schuelerproteste-1968-1972/

http://imge.info/extdownloads/Arbeitsgrundlagen/AbiturredeKarinStorch.pdf


Heute
González wurde als „das Gesicht der Schülerproteste“ gegen die US-Waffengesetze bezeichnet.


Schulstreiks von 1633 bis heute


Samstag, 19. Mai 2018

Auswirkungen der Datenschutzgrundverordnung?

Aktuelle Meldungen:

Tweets

Was der neue Datenschutz angerichtet hat VON PATRICK BERNAU, FAZ online 27.05.2018 

"Blogs schließen, Twitter sperrt Nutzerkonten, ein Vereinsvorstand tritt zurück. Nur Facebook kann die Daten seiner Nutzer besser verwerten. 
[...] Facebook beginnt jetzt auch in Deutschland, die Nutzerdaten von Whatsapp mit denen von Facebook zu kombinieren. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte hatte das bisher verboten – nach Inkrafttreten der DSGVO ist er allerdings nicht mehr zuständig. [...]"


Experten warnen vor gefälschten Datenschutz-Mails SPON 25.5.18

"Kriminelle nutzen die E-Mail-Welle zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und bitten unter diesem Vorwand um die "Bestätigung" von Nutzerdaten. Vorsicht!"

"Wir hätten die Menschen besser informieren können" ZEIT online Interview 25.5.18
"Kaum einer kennt die Datenschutz-Grundverordnung besser als Jan Philipp Albrecht. Der Europapolitiker glaubt an ihren Erfolg und nimmt die Bundesregierung in die Pflicht."


Frühere Meldungen und allgemeinere Überlegungen

Mindmap zur DSGVO (von Phil Marx)









EU-Kommissarin Věra Jourová über die europäische Datenschutzverordnung ZEIT 16.5.18

https://storageconsortium.de/content/content/blick-die-glaskugel-was-passiert-am-25-mai-wenn-das-%E2%80%9Emonster%E2%80%9C-dsgvo-losgelassen-wird

Auswirkungen der DSGVO auf kleine Vereine und Blogger
veranschaulicht (die datenschutzkonforme Webseite)

Zwar wird so leicht keine absolute Sicherheit für kleine Vereine und kleine Blogger geschaffen werden, aber die Richter werden sich hüten, der Justiz jede Menge Prozesse aufzuladen, die nicht im Sinne der Erfinder der DSGVO sind und die Kapazitäten von dringlichen Aufgaben abziehen.
Mehr dazu bei der Rechtsanwältin Diercks
Ausführliche Darstellung zur DGVO (zwar nicht brandaktuell, dafür aber solide) von Diercks
   [Zur Unterscheidung von DGVO und ePrivacy-Verordnung]

Weshalb Abmahnwellen unwahrscheinlich sind und wie man sich gegen Abmahnungen schützen kann

Auseinanderklaffen von beabsichtigtem Datenschutz (informationelle Selbstbestimmung) und allgemeiner Verunsicherung:
"Klar, die DSGVO reguliert auch die „Großen“. Aber wieviel ist eine Datenschutzreform wert, die Facebook gleich mal verwendet, um seinen Nutzern die automatische Gesichtserkennung unterzujubeln? Wie Sascha Lobo in seiner Spiegel-Online-Kolumne schreibt, ist „Hier klicken, sonst können Sie Google nicht weiterverwenden“ schon fast eine Drohung, während „Hier klicken, sonst dürfen Sie die alternative Suchmaschine Findevogel nicht mehr nutzen“ ein Witz ist. Die DSGVO überzieht zahllose Menschen mit einem bürokratischen Irrsinn und treibt diejenigen, die das vermeiden wollen, zu den großen Plattformen, die sich unter dem Deckmantel der „Einwilligung“ dann allerlei erlauben können. Alternative Anbieter wie Diaspora oder Mastodon, die graswurzelartig von den Nutzern selbst betrieben werden, stehen vor kaum lösbaren Problemen: Wie etwa soll das in der DSGVO verankerte „Recht auf Vergessen“ auf derart verteilten Plattformen eigentlich umgesetzt werden? Einige sehen keine andere Wahl, als Nutzer aus der EU einfach auszusperren."
(Rant: Warum die DSGVO eine Datenschutz-Karikatur ist)

Ist das übertriebene Panikmache oder endlich die Bewusstmachung dessen, was Snowdon aufgedeckt hat?
Staaten und Konzerne kämpfen untereinander um die Nutzung der big data und das Internetproletariat stellt fest, dass sich nur die Arten der Überwachung/Unterdrückung und Ausbeutung gewandelt haben und allgemeine Solidarität in einer durch Zentrum und Peripherie, Klasse, und Identitäten (Rasse und Geschlecht/Gender) gespaltenen/flexibilisierten Weltgesellschaft nicht zu haben ist?
Oder ist auch das nur Schein?

Wer schützt wie welche Metadaten und welche bleiben offen zugänglich?

Whistleblower

Whistleblower brauchen viel Mut, ganz besonders aber, wenn sie sich mit einer so mächtigen Institution wie dem amerikanischen Staat anlegen.
Sie treffen eine äußerst schwerwiegende, vermutlich verhängnisvolle Entscheidung für ihr Leben, um ein Leistung für die Allgemeinheit zu erbringen. Und die Erfahrung zeigt, dass die Allgemeinheit es ihnen nicht nur nicht dankt, sondern auch die gebotenen Möglichkeiten, gefährliche Missstände abzubauen meist nur sehr unvollständig nutzt.

Deshalb möchte ich hier - ohne jeden systematischen Anspruch, sondern einfach nur aus Respekt für die Leistung für das Gemeinwohl - immer wieder einmal Nachrichten über Whistleblower zusammentragen:
Die aktuellste mir bekannte Darstellung:
Whistleblower: Die Widerspenstigen, ZEIT  Nr. 22/2018, 24. Mai 2018
Die Darstellung deckt Verhältnisse auf, die noch weit schlimmer sind, als ich sie mir vorgestellt habe. Unverantwortlich, dass ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern in Deutschland jahrelang verhindert worden ist (von wem wohl?). Höchste Zeit, dass eine EU-Regelung (Interview zu der geplanten Regelung) über Whistleblower, die im öffentlichen Interesse handeln, wirksam schützt. 
Der Artikel ist ein gutes Beispiel dafür, dass weiterhin journalistische Recherche aus großen Redaktionen unersetzlich ist. Kurze Auszüge aus dem Artikel weiter unten.  
Whistleblower (Wikipedia)
Kategorie:Whistleblower  (Wikipedia)
Whistleblower (Tweets)
Whistleblower (ZUM-Wiki)

Daniel Ellsberg
Edward Snowdon
Chelsea alias Bradley Manning*
   *Ihr Leben nach der Entlassung (26.06.2017)


Auszüge aus: Whistleblower: Die Widerspenstigen:
"[...] Es geht um einen der größten Medizinskandale in der Geschichte der Bundesrepublik, um Tausende von krebskranken Menschen und einen Apotheker, der ihnen über viele Jahre gestreckte oder komplett wirkstofflose Medikamente verkauft haben soll. Bis Martin Porwoll beschloss, seinen früheren Chef auffliegen zu lassen. [...] Porwoll wurde vor Gericht als Dieb dargestellt. Kein Arbeitgeber wollte ihn mehr beschäftigen. Schließlich bekam er Panikattacken, sein Puls raste plötzlich auf 160, 170, 180. Irgendwann hatte er sogar Angst vor der Angst, konnte kein Auto mehr fahren. "Wenn ich ehrlich bin", sagt er heute, "kann ich derzeit niemandem empfehlen, in Deutschland zum Whistleblower zu werden."

"Als die promovierte Tierärztin im Sommer 1990 die ankommenden Rinder in einem Schlachthof in Bad Bramstedt begutachtet, sieht sie ein erstes Tier, das ihr komisch vorkommt. Es strauchelt, stolpert über die eigenen Beine, ist schreckhaft. Später hält Herbst die Symptome bei weiteren Rindern akribisch fest. [...] Herbst sagt, sie habe die rund 20 Symptome nicht selbst gewählt, sondern einem ersten Diagnose-Raster entnommen, das britische Wissenschaftler entwickelt hatten. Bei neun Tieren kreuzt sie über die Hälfte der Symptome an. Bei ihnen ist sie sicher: Es muss BSE sein. [...]
Ihre Vorgesetzten nehmen Herbst die Zuständigkeit für die sogenannte Lebendbeschau der Rinder und lassen sie niedere Arbeiten am Schlachtband verrichten. Einige Jahre geht das so. Schließlich wird Herbst krank, ihre Ausfallzeiten häufen sich, erst schmerzen die Gelenke, dann die Achillessehne, später der Rücken. [...] Sie sind die Vorzeichen einer bald einsetzenden Depression. "Es war, als würde ich nichts mehr fühlen. Ich wurde innerlich ganz starr", sagt Herbst, die dann jahrelang mit ihrer Depression zu kämpfen hatte.
Schließlich, 1994, geht Herbst an die Öffentlichkeit.  [...] Daraufhin gerät die Politik unter Druck, das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium lässt den Schlachthof in Bad Bramstedt untersuchen, Staatsanwälte ermitteln. Herbst aber, die das alles ausgelöst hat, wird fristlos entlassen. Begründung: Sie sei zur Verschwiegenheit über Missstände auf dem Schlachthof verpflichtet gewesen.
Die Tierärztin zieht zwar gegen ihre Entlassung vor Gericht, verliert aber in allen Instanzen. Das Recht ist nicht auf ihrer Seite. Arbeitnehmer sind in Deutschland zur Verschwiegenheit und Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber verpflichtet. Der Satz, der das maßgeblich einschränkt, steht im Bürgerlichen Gesetzbuch, Paragraf 612a: Demnach darf "der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen", wenn dieser "in zulässiger Weise seine Rechte ausübt". So ein wachsweicher Satz lässt sich vor Gericht aber nahezu beliebig interpretieren. Einstellen will Herbst nach ihrer Entlassung keiner, nicht mal ein Zoo."
"Eine solche Hilfseinrichtung könnte, wie es der Entwurf der EU-Richtlinie vorsieht, beim Staat angesiedelt sein. Oder aber der Staat legt sie in die Hände einer von ihm finanzierten Institution. "Neben neuen gesetzlichen Schutzmechanismen erscheint eine zusätzliche, unabhängige Struktur sinnvoll, die Whistleblower auffängt. Denkbar wäre beispielsweise ein Stiftungsmodell", sagt Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionschef der Grünen. "So würde sie auch für Whistleblower aus dem Staatsdienst zu einer vertrauenswürdigen Anlaufstelle." [...]" (Whistleblower: Die Widerspenstigen, ZEIT  Nr. 22/2018, 24. Mai 2018)


Loescher über Wikipedia und Internet

"Die Verknüpfung einzelner Internet-Dokumente durch Hyperlinks, Metadaten und Tags führe zu einer prinzipiell unabgeschlossenen Lektüre. „Niemand liest das Netz. Anders beim Buch: Es ist autonom rezipierbar, ja, es muss als zusammenhängendes Argument und Narrativ ‚abgeschritten‘ werden.“ Im Netz fehle „der Sog des kohärenten Narrativs“.
Loescher fordert die diversen sozialwissenschaftlichen Disziplinen auf, „unsere Sorge über verändertes Informationsverhalten der Digital Natives“ nicht der Kulturkritik zu überlassen. Das Problem bestehe darin, dass viele Wissenschaftler nicht über den Tellerrand der eigenen Disziplin hinausblickten. „Da der Umbau des Schiffes jetzt und auf hoher See erfolgt, können wir nicht warten, bis die Digital Natives Texte produzieren, statt sie zu verlinken.“[1]" (Wikipedia Kurier 19.5.18)

Freitag, 18. Mai 2018

Ein ganz kleiner Schnipsel zu Christian Krachts erster Poetikvorlesung

Sie nannten ihn Heidi 
VON JAN WIELE, FAZ 16.05.2018-19:03
 "Von Mitschülern gequält, vom Lehrer sexuell missbraucht und von der Familie missachtet: Christian Kracht schildert in Frankfurt vor vollem Haus eine traumatische Jugend in Kanada und deutet damit sein Werk. 
Man kann die erste Poetikvorlesung Christian Krachts mit Bob Dylans Nobelpreisrede vergleichen: ungläubiges Staunen beim ersten Hören, Rätseln darüber, ob das alles ernst gemeint ist, und dann bald die Erkenntnis, dass man es mit einem hochambivalenten, selbst literarischen Text zu tun hat, der lauter Untiefen birgt, mit dem Rezipienten spielt. [...]"

sieh auch: "Natürlich habe ich auch meine Schule angezündet" (Krachts Poetikvorlesung)

Mehr Verbote für Mikroplastik!

Die Verwendung von FCKWs in Spraydosen konnte völlig unschuldig geschehen, solange man den Zusammenhang mit dem Ozonloch noch nicht kannte.
Die Verwendung von Mikroplastik in Cremes war unschuldig, solange man die Auswirkung auf  Gewässer und die Nahrungskette nicht kannte.
Jetzt, wo sie bekannt ist, darf man die Verantwortung für die Nichtverwendung von Plastik nicht den Verbrauchern überlassen, weil man von ihnen nicht verlangen kann, dass sie sich bei allen Produkten, die Mikroplastik enthalten könnten, kundig macht und sie boykottiert.
Aber auch dafür, den einzelnen Unternehmern die Verantwortung zu überlassen, ist es inzwischen zu spät. Die Produktionsprozesse sind inzwischen eingespielt und wer sich umstellt, erleidet einen kurzfristigen Konkurrenznachteil. Angesichts der kurzfristig orientierten Unternehmensstrategien wird sich kaum ein Unternehmen darauf einlassen.
Deshalb muss ein Verbot erfolgen.
Noch gibt es Bereiche, auf denen Politik gestaltenden Einfluss auf die Wirtschaft hat. Diesen Einfluss muss sie für das globale Allgemeinwohl nutzen.

Mittwoch, 16. Mai 2018

Holland-Cunz: Kurze Geschichte des Feminismus

Die hier zusammengestellten Passagen sind Resultate meiner Erarbeitung des Heftes
"(Anti)Feminismus" der Reihe Aus Politik und Zeitgeschichte der bpb.
Sie erheben keinen Anspruch darauf, in sich zureichend informativ zu sein, vielmehr sollen sie zur Lektüre diese Heftes anregen.

Barbara Holland-Cunz: Was ihr zusteht. Kurze Geschichte des Feminismus
"Das Doppelmotiv – Anspruch auf Würde und Kritik der Entwürdigung – lässt sich durch alle Politikfelder, Zeiten und Kontinente hindurch nachzeichnen und soll hier, einer knappen Chronologie der Forderungen (Wissen/Bildung, Arbeit/Lohn, politische Teilhabe, Gewaltfreiheit, sexuelle (u.a.) Selbstbestimmung) folgend, vom 18. zum 21. Jahrhundert nachgezeichnet werden."
"Am prägnantesten hat das Doppelmotiv in mehr als 200 Jahren Simone de Beauvoir (1908–1986) analysiert.[...] Während sich Jungen und Männer die Welt als gemeinsame Heimat gestaltend aneignen, werden Mädchen und Frauen auf das Gefallen-Sollen und ein von Anderen abgeleitetes, dumpfes Leben verwiesen. Den existenziellen Konflikt, den alle menschlichen Wesen in sich verspüren, das Hin-und-Her-Gerissensein zwischen Mut und Lust zur Freiheit einerseits, Angst und Flucht vor ihr und ihren anstrengenden Herausforderungen andererseits, sollen die Einen zur Seite des Muts, die Anderen zur Seite der Angst hin auflösen. [...]
Dass die Analyse der Geschlechterherrschaft als Ausgangspunkt oder Modell von Herrschaft für die Glaubwürdigkeit des Feminismus prekär sein kann, haben Theoretikerinnen wie Audre Lorde (1934–1992) und bell hooks (Gloria Jean Watkins, *1952) früh verdeutlicht. [...] Sowohl hooks als auch Lorde befassen sich zudem mit der Analyse der Klassenlage als drittem zentralen Herrschaftsverhältnis; "gender, race, and class" lautet dem entsprechend eine wichtige Analyseformel."
bell hooks:
Ain't I a Woman?: Black women and feminism is a 1981 book by bell hooks
"she argues that the stereotypes that were set during slavery still affect black women today. She argued that slavery allowed white society to stereotype white women as the pure goddess virgin and move black women to the seductive whore stereotype formerly placed on all women, thus justifying the devaluation of black femininity and rape of black women. The work which black women have been forced to perform, either in slavery or in a discriminatory workplace, that would be non-gender conforming for white women has been used against black women as a proof of their emasculating behaviour. bell hooks argues that black nationalism was largely a patriarchal and misogynist movement, seeking to overcome racial divisions by strengthening sexist ones, and that it readily latched onto the idea of the emasculating black matriarch proposed by Daniel Patrick Moynihan, whose theories bell hooks often criticizes." (englische Wikipedia)

Barbara Holland-Cunz: Was ihr zusteht. Kurze Geschichte des Feminismus (Fortsetzung)
Recht auf Wissen und Bildung

"[...] Patriarchale Herrschaft meint hier, dass Wissen und Bildung vorenthalten werden und Frauen sich damit abfinden. [...]
Recht auf Arbeit und (gleichen) Lohn
"[...]  Patriarchale Herrschaft meint hier, dass Arbeit und Unterhalt vorenthalten werden und Frauen sich mit häuslichen Tätigkeiten zufriedengeben. [...]
 der sozialistische Flügel des Feminismus [entwickelt] die Utopie einer Vergesellschaftung der Haus-, Familien- und Erziehungsarbeit, um Frauen auf Dauer den Zugang zum Öffentlichen zu gewährleisten. Dass dies zu politischen Konflikten mit "bürgerlichen" Feministinnen führt, die die weibliche "Andersartigkeit" und "Besonderheit" politisieren, versteht sich von selbst. Die Idee einer Vergesellschaftung der Reproduktion ist bis heute uneingelöste Utopie. [...]

Recht auf politische Teilhabe

"[...] Patriarchale Herrschaft meint hier, dass das vornehmste demokratische Recht aus Machtanmaßung vorenthalten wird und Frauen lange nicht laut genug dafür streiten. 

Keine andere deutschsprachige Theoretikerin des 19. Jahrhunderts hat überzeugender für das Frauenstimmrecht argumentiert als Hedwig Dohm (1831–1919).[9] Auch sie zeigt sich als scharfe Kritikerin des verlogenen, eitlen, ausbeuterischen, sexistischen männlichen und des heuchlerischen eigenen Geschlechts und damit als eine Meisterin des komplexen doppelten Motivs patriarchaler Herrschaftsanalyse."

Freiheit von Gewalt

"[...] Die Kritik der Ehe als Ort der Entmündigung und Körperverletzung gehört im Feminismus des 19. Jahrhunderts zu den bekannten Topoi; Frauen empören sich über ihre Situation als Eigentum von Vätern und Ehemännern. [...] Weltweit bekämpfen Frauen-NGOs heute auch Genitalverstümmelung, sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Jungen, (Zwangs-)Prostitution, Frauenmorde als "Ehrverbrechen", Totalverhüllung, Sextourismus, Frauenhandel, Versklavung. [...]
Im Themenfeld Gewalt ist das zentrale Doppelmotiv nicht gültig; Zustimmung ist suspendiert, Empörung leitet Theorie und Politik seit 230 Jahren an."

"Recht auf sexuelle, reproduktive und geschlechtliche Selbstbestimmung

Für unkonventionelle Freiheiten in Liebe, Sexualität und Mutterschaft treten vor der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur wenige Feministinnen offen ein, und kaum eine engagiert sich so unbeugsam wie die Sexualreformerin, Pazifistin und Radikale Helene Stöcker (1869–1943). Für Stöcker gehört es zu den Rechten, ja gar den Pflichten von Frauen, ihre Freiheit in Liebe, Sexualität und Mutterschaft zu realisieren und sich weder an bürgerlichen noch an gemäßigt-feministischen Konventionen zu orientieren. [...]
Mit Ausnahme de Beauvoirs erscheint die radikal verstandene Freiheit zu liebender und sexueller Selbstbestimmung erst wieder im Feminismus der Neuen Frauenbewegung. Betty Friedan (1921–2006) geißelt die Mystifizierung von Weiblichkeit, Shulamith Firestone (1945–2012) ruft zu einer kulturellen Revolution auf, Gena Corea (*1946) benennt die Gefahren der Gen- und Reproduktionstechnologien, Mary Daly (1928–2010) plädiert für lesbischen Separatismus, Butler analysiert die gesellschaftlichen Konstruktionsbedingungen von Geschlecht und Begehren. In diesem Themenfeld meint patriarchale Herrschaft heute die systemische Verweigerung frei gewählter Vorstellungen über die persönliche Identität und Lebensführung sowie die "sanfte Gewalt" zugewiesener Biografien."

"Feminismus und Antifeminismus – nicht erst heute

Feministische Ansprüche haben sich strukturell verändert, aber noch längst nicht erledigt. So auffällig der Wandel erscheinen mag, so bedrückend sind die Kontinuitäten. [...]
Das zeitgenössische Erstarken des "Antigenderismus" im Rechtspopulismus, [...] Doch Antifeminismus und Rückschläge sind in der Geschichte der Frauenfrage nichts Neues. In regelmäßigen Abständen werden Backlashes beklagt, der Tod des Feminismus oder seine vollständige Neuerfindung ausgerufen. [...] Frauen wird suggeriert, dass ihr Fortschritt eigentlich einsam und unglücklich macht. Faludi deutet diese Umdeutung so: "Es handelt sich um einen Präventivschlag, der die Frauen weit vor der Ziellinie stoppt."

Der Antifeminismus gehört zum Feminismus gleichsam als andere Seite dazu. Die Angriffe von außen provozieren allerdings nach innen nicht selten Forderungen nach einer kritiklosen Vergemeinschaftung – eine Art feministische Burgmentalität, in der politische und politiktheoretische Debatten zum Schweigen gebracht werden. An die Stelle einer radikalen oder liberalen Allianzpolitik, die im Streit die Chance für Vielfalt und Stärke sieht, tritt dann Vereinheitlichung, die nachhaltig schwächt; statt gelebter Solidarität entstehen repressive Pseudosolidarisierungen. [...]
Sehr viel ließe sich von Lorde oder hooks lernen, die ihre Kritik am weißen Feminismus mit dem Plädoyer für einen würdevollen, schmerzvoll-offenen Austausch verbinden. Audre Lorde schreibt: "Nicht der Ärger anderer Frauen wird uns zerstören, sondern unsere Weigerung, anzuhalten, auf seinen Rhythmus zu hören, in ihn einzutauchen, um aus ihm zu lernen …". Denn es muss auch im Feminismus gelten, dass der andern abgegolten wird, was ihr zusteht."