Sonntag, 31. Dezember 2017

Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus

Günter Gaus hat über seine Gesprächspartner so viel verstanden, dass man leicht den Eindruck gewinnen kann, während des Interview ebenfalls zu verstehen.
Für mich ist als Interviewer Alexander Kluge der deutlichste Gegenpol. Bei seinen Interviews fällt es mir schwer zu erkennen, ob und wann es dem Interviewpartner gelingt, einen eigenen Gedanken zu äußern.
Jetzt aber zu Hannah Arendt im Gespräch.

(Interessant sind immer auch die Videos, auf die verwiesen wird.)

Hannah Arendt : Die Freiheit, frei zu sein (1966/67; veröffentlicht in ZEIT 4.1.2018)

"[...] Allgemein gesprochen ist eine Revolution gar nicht möglich, wenn die Autorität des Staatswesens intakt ist, was unter neuzeitlichen Bedingungen heißt: wenn man darauf vertrauen kann, dass die Streitkräfte der staatlichen Obrigkeit gehorchen. Revolutionen sind keine notwendige, sondern eine mögliche Antwort auf den Niedergang eines Regimes, sie sind nicht Ursache, sondern Folge des Verfalls politischer Autorität. Überall dort, wo sich diese Auflösungsprozesse – üblicherweise über einen längeren Zeitraum – ungehindert vollziehen konnten, kann es zu Revolutionen kommen, vorausgesetzt, es gibt eine ausreichend große Bevölkerung, die bereit ist für den Zusammenbruch eines Regimes und gewillt, die Macht zu übernehmen. 
[...] ist es der Wunsch, der Beste zu sein, der dafür sorgt, dass Menschen die Gesellschaft von ihresgleichen lieben und in den öffentlichen Bereich getrieben werden. Diese öffentliche Freiheit ist eine handfeste lebensweltliche Realität, geschaffen von Menschen, um in der Öffentlichkeit gemeinsam Freude zu haben – um von anderen gesehen, gehört, erkannt und erinnert zu werden. Und diese Art von Freiheit erfordert Gleichheit, sie ist nur unter seinesgleichen möglich. Institutionell gesehen ist sie allein in einer Republik möglich, die keine Untertanen und, streng genommen, auch keine Herrscher kennt. Aus diesem Grund spielten Diskussionen über die Staatsform – in deutlichem Gegensatz zu den späteren Ideologien – im Denken und in den Schriften der ersten Revolutionäre eine so bedeutsame Rolle."

Samstag, 30. Dezember 2017

Gysi zitiert Roger Willemsen

 Gregor Gysi zitiert Roger Willemsen:
Einmal notierte er aus einer Rede des FDP-Abgeordneten Martin Lindner den Satz: "Es gibt in Deutschland eine Zunahme an Armutsberichten, aber keine Zunahme an Armut." Auf dem Bahnhof sieht ihn Willemsen wieder und schreibt über diese Begegnung: "Als ich auf dem Bahnsteig sehe, wie sich ihm die Verkäuferin des Obdachlosenmagazins 'Straßenfeger' nähert, ist mir die Situation beinahe schon zu plakativ, aber sie ist wahr, denn ich weiß, was folgen wird: die abwehrende Gäste, die sich abwendende Person. Hier wenigstens fielen Reden und Handeln zusammen." (Gysi: Ein Leben ist zu wenig, 217, S.359)

Roger Willemsen am 22. Oktober 2013: 
"Zu den etwa dreihundert afrikanischen Flüchtlingen, die Anfang Oktober vor Lampedusa tot geborgen wurden, fehlt von Angela Merkel bis heute jedes Wort." (Roger Willemsen: Das Hohe Haus. Ein Jahr im Parlament, 2014, S.330)

Damals hätte Willemsen sich wohl nicht gedacht, dass Merkel noch im Juli 2015 wegen ihrer Fühllosigkeit gegenüber Flüchtlingen an den Pranger gestellt werden würde und  schon im September 2015 weltweit als die Politikerin mit dem besten Verständnis für Flüchtlinge angesehen sein würde. 
Den Deal mit Erdogan hätte er wohl eher erwartet. 


Modekonzerne verbrennen fabrikneue Kleidung

"H&M verbrennt offenbar jedes Jahr tonnenweise ungetragene Kleidung – das zeigt eine aktuelle Reportage eines dänischen Fernsehsenders."
(https://utopia.de/hm-kleidung-dokumentation-verbrennt-klamotten-66764/)

Jährlich sind es durchschnittlich etwa 12 Tonnen. Andere Konzerne tun es auch. Offenbar ist Verbrennen kostengünstiger als recyceln.

Freitag, 29. Dezember 2017

Pfaller: Erwachsenensprache 2

"[...] Pfaller spießt deren jüngste Erscheinung in Form der Diversitätspolitik auf: Die neoliberale Gesellschaft fördere nicht die Ärmeren und Ärmsten, damit diese möglichst so gut wie alle Übrigen leben könnten. Sie fördere vielmehr immer nur Ausnahmen, um alle Übrigen getrost verkommen zu lassen. Dabei ist es doch so einfach: „Wenn man mit den Kämpfen der Diversität beginnt“, so Pfaller, komme man niemals zur Gleichheit. Beginne man aber „mit der Gleichheit und gelangt zu einer Lösung, bleibt auch von den Problemen der Diversität nichts mehr übrig“.
Wer die Ungleichheit und den davon profitierenden Rechtspopulismus stoppen wolle, müsse sich der Frage stellen, ob die Empörung der verarmenden Bevölkerungsgruppen einen Ausdruck finden kann – und zwar einen anderen als den der rechtspopulistischen Parteien. Zuerst müsse man dafür die Dinge wieder beim Namen nennen. Darum Pfallers Plädoyer für die titelgebende „Erwachsenensprache“. Das Durchforsten von Kinderbüchern nach diskriminierenden Begriffen wie „Negerkönig“ oder die Kennzeichnung literarischer Texte mit Warnungen seien Ermunterungen zur Empfindlichkeit, die die Erwachsenen infantilisiere und entsolidarisiere. [...]"
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/robert-pfaller-wettert-gegen-political-correctness-15353521.html

Donnerstag, 28. Dezember 2017

Ist nur eine Sicht erlaubt?

Henri Valentino
Im Wagen vor mir
http://www.songtexte.com/songtext/henri-valentino/im-wagen-vor-mir-73b4b669.html

#MeToo

"Doch wird man das mit der #MeToo-Debatte verstärkt auftretende Unbehagen an der von Männern imaginierten Weiblichkeit nicht schon damit wieder aus der Welt schaffen, dass man den augenblicklichen Trend zum Abhängen und Zerstückeln von Kunstwerken als das bezeichnet, was er ist: eine kunstfremde Reinheitsfantasie, die so tut, als könnte man die Kunstgeschichte nachträglich korrigieren." (Iris Radisch ZEIT 28.12.17)

Hans Blum zur Entstehung seines Textes:
"Die Wirklichkeit ist oft weniger romantisch als der deutsche Schlager. Es muss 1976 gewesen sein. Ich stehe im Stau, vor mir eine Ente, darin ein verdammt attraktives Geschöpf, soweit ich das von hinten sehen kann. Ich ziehe rüber auf die linke Spur, lächle in die Ente hinein - und am Steuer sitzt ein großer Mann mit wallendem Haar. Sie werden verstehen, dass ich kein Interesse an näherem Kontakt hatte." https://www.stern.de/lifestyle/leute/was-macht-eigentlich-------hans-blum--3544878.html

Altenpflege und ihre Bezahlung

"Das Gesetz von Angebot und Nachfrage, es scheint bei Altenpflegern nicht zu gelten. Sie sind ein marktwirtschaftliches Phänomen: überdurchschnittlich begehrt – und unterdurchschnittlich bezahlt. Wie kann das sein?
Fragt man den Chef von Benevit, spricht man mit Gewerkschaftern, Arbeitgebervertretern und Ökonomen, dann zählen sie eine ganze Reihe von Gründen auf. Sie erklären, dass die Pflege kein freier Markt ist, auf dem Angebot und Nachfrage nach einem Gleichgewicht streben, sondern eine streng regulierte Branche. Dass die Beiträge für die Pflegeversicherung nicht einfach erhöht werden können und die Löhne deshalb bescheiden sind. Oder dass die meisten Pfleger kein Studium, sondern eine Ausbildung absolviert haben und deshalb nicht so viel verlangen können. In einem Punkt aber sind sich fast alle einig. Sie nennen dann immer dieselben Namen, zum Beispiel:
Carlyle Group. 
Chequers Capital.
Oak Tree Capital Management.
Hinter den Namen verbergen sich mächtige Investoren aus dem Ausland. Sie stecken Milliardenbeträge in deutsche Altenheime und hoffen, dass sich die Milliarden vermehren. Lange Zeit war das in Deutschland nicht möglich; die Heime wurden von Kirchen und vom Staat betrieben. Anfang der neunziger Jahre öffnete die damalige Bundesregierung die Pflegebranche für Privatunternehmen. Heute ist von den mehr als 10.000 deutschen Altenheimen etwa die Hälfte in privater Hand, und ihr Anteil wird von Jahr zu Jahr größer."

http://www.zeit.de/2017/51/altenpflege-lohn-unterschiede-bezahlung-fachkraefte ZEIT 7.12.17

Mittwoch, 27. Dezember 2017

Aus Gregor Gysis Autobiographie

Gregor Gysi: Ein Leben ist zu wenig, 2017
Rezensionen: Perlentaucher
ZEIT
Deutschlandfunk

"Langeweile ist die zurückeroberte Zeit. Du schaust um neun auf die Uhr, nach drei Stunden noch einmal - und es ist erst zehn nach neun." (S.58)

Gysi berichtet darüber, dass er im Arbeitszimmer von Schabowski gleichsam am "Katzentisch" ein neues Reisegesetz erarbeitet habe. Dies habe er Schabowski übergeben:

"An jenem Sonntag kündigte er an, meinen Entwurf abends in Wandlitz Egon Krenz zu übergeben. Telefonisch würde er mich über die weitere Verwendung meines Textes informieren. Tatsächlich, der Anruf kam, spät abends, Schabowski teilte mir mit, Egon Krenz habe sich für meine Arbeit nicht interessiert, veröffentlicht würde also der ursprüngliche Entwurf. Da waren sie wieder, die langsam mahlenden Mühlen, zwischen deren Steinen man sich selber zerreiben kann. Die DDR hatte gewiss viele Gegner, aber einer der kräftigsten, der im Wege stand, war das System selber.
Schade, dass es meinen Entwurf nicht mehr gibt, zumindest mich würde interessieren, was ich damals so geschrieben habe.

Von jenem Sommer und Herbst 1989 kann ich mit Fug und Recht sagen: im Grunde geschah beinahe jeden Tag etwas Neues in meinem Leben. Mein Bewegungsraum war bisher hauptsächlich der Gerichtssaal, war das vertraute Gespräch im Kollegen- und Mandantenkreis, nun aber wurde aus einer begrenzten eine ziemlich große Öffentlichkeit." (S. 263) [Hervorhebungen von Fontanefan]

"Die Öffentlichkeit wurde nun mein unmittelbares Arbeitsfeld. Öffentlichkeit inspiriert mich, sie fordert mich, sie hat meine Tätigkeit als Anwalt im Laufe der Jahre um weitere drei Berufsleben erweitert: Politiker, Autor, Moderator. Ich genieße diese Vielfalt, sie bewahrt mich vor langweiliger Einseitigkeit, sie entspricht meinem Naturell. Aber wie gesagt, was mir alles bevorstehen würde, ahnte ich anfangs keineswegs." (S. 280)

Zur Rede von Rudolf Bahro vor dem SED Parteitag: 

Er sagte zum Beispiel, auch die Sozialisten seien einer "welthistorischen Korruption" verfallen, einem "ökonomischen Materialismus und prinzipiellen Ökonomismus", den die SED offenbar weiter betreiben wollen. Er nannte das ein "Hase-und-Igel-Spiel, dieses Autorennen Trabi-Wirtschaft gegen Mercedes-Wirtschaft, bei dem unsere Wirtschaft auf der Strecke bleiben muss." Das war der Aufruf zur umfassenden Umkehr zu Abkehr vom kapitalistischen Wachstumswahn, und dann entwarf er das Bild einer wahrhaft grünen Landwirtschaft, sie sei zu "entindustrialisierten, entbetonieren, entspezialisieren. Das Dorf wird das Zusammengehörige wieder vereinen. Die Riesenflächen werden verschwinden, die schweren Maschinen auch. Es wird wieder Platz für Raine, Hecken, Büsche, Bäume, Teiche usw. sein." [...]
Die Rede ist für mich heute mehr denn je ein Beispiel für das schwierige Verhältnis von Pragmatismus und Utopie. Wann ist Zeit für den weit ausgreifenden Traum? Denn ein konsequenter Träumer war Rudolf Bahro. Er sprach auf jedem Parteitag das aus, was heute vielfach antikapitalistische Denken und Fühlen prägt. Er entwarf Zukunft, und das mit offener, radikaler Romantik, ohne Rücksicht auf die Zwänge der Realität, ohne Rücksicht darauf, was die Menschen gegenwärtig bewegte. (S. 285/86)


"Es waren Worte im Sinne dessen, was der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher, einer der prägenden deutschen Publizisten, 2009 in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" fragte: Wieso bei der Mauereröffnung im Grenzgebiet nicht geschossen wurde. "Wenn die Antwort auch einkalkulieren muss, dass die Fußtruppen des Systems von der totalen Sinnlosigkeit staatlicher Gewalt durchdrungen waren, so bleibt als Faktum: weil Kranz es verboten hatte." Es sei noch immer nicht leicht die Geschichte  so zu erzählen, dass dem letzten, wochenbefristeten SED-Chef Gerechtigkeit schon heute wiederführe. Aber, so Schirrmacher, solange diese Geschichte nicht erzählt sei, "haben wir die wundersamen, beglückend and Ereignisse vom 9. November 1989 nicht verstanden". (S.334/35)

"Tolerierung darf im Kräftemessen der politischen Kräfte nur eine Ausnahme sein, sie schwächt den eigenen Charakter, sie schleift das eigene Profil. Entweder man übernimmt Verantwortung in der Regierung oder man übernimmt Verantwortung in der Opposition. Der Mittelweg jedoch das Dazwischen, das Bindeglied gewissermaßen zwischen Macht und Widerpart – das ist keine wirkliche Option außerhalb vorübergehender Lösungsnöte.
In all den Jahren meiner politischen Tätigkeit habe ich es nie mit der reinen Lehre gehalten. Demokratie ist Beteiligung. Sich unter keinen Bedingungen mit den politischen Gegner gemein zu machen, das mag sehr stolz gelingen, es kann aber auch verhängnisvolle, unfruchtbare Abkehr von der Realität bedeuten.
Wer nicht kompromissfähig ist, ist nicht demokratiefähig – wer allerdings zu viele Kompromisse schließt, gibt seinen Charakter auf. Den richtigen Weg dazwischen zu finden, dies macht den schwierigen Weg politischer Kunst aus. "(S. 439)


"Demokratie baut darauf, dass sich Unanfechtbarkeiten auflösen: Den Weg der Grünen ins Kompatible muss man heftig kritisieren, aber man darf ihn auch sehen als eine Erfahrung mit dem Gesetz des Demokratischen: Man wird verführt, eigene Positionen anderen Kräften auszusetzen – und verändert sich so auch selber. Nie einzig zum Guten, aber auch nie nur zum Schlechten
Frieden machen bedeutet nicht, keine demokratisch–sozialistische Gesellschaft anzustreben. Es schließt aber ein, was gerade uns oft schwer fällt: Frieden zu machen mit dem Menschen, wie er ist. Es geht nicht darum, diesen ewig alten Menschen zu ändern, sondern die Welt so in Balance zu halten, dass der Mensch althergebracht sein darf. Und dies friedlich und frei, gerecht, demokratisch und solidarisch." (S.453/54)


"Ende des Jahres 1997 entschloss ich mich, in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken den früheren Spion der DDR Rainer Rupp aufzusuchen. Warum? Diejenigen, die in der Bundesrepublik Deutschland für die DDR spioniert hatten, besaßen überhaupt keine Ansprechpartner mehr. Der Staat, dem sie gedient hatten, war untergegangen. Verurteilt wurden sie in dem Staat, gegen den sie gehandelt hatten. [...]
Diese Frage traf den Anwalt in mir, und so fuhr ich nach Saarbrücken. Bei Rainer Rupp kam noch hinzu: Er war Spion bei der NATO, das Gericht musste ihm im Urteil zugutehalten, die Sorgen der Sowjetunion vor einem Atomangriff der NATO real abgebaut zu haben. Denn er überzeugte seine Auftraggeber davon, dass die NATO keinen solchen Plan verfolge. Ihm glaubten sie, den offiziellen Beteuerungen der NATO nicht. Er arbeitete also nachgewiesenermaßen friedensfördernd.
Die zurecht viel diskutierte und auch kritisierte Friedenspreisrede 1996 in der Frankfurter Paulskirche hatte Martin Walser mit einem unvermittelten – von vielen Medien geflissentlich unterschlagenen – Gesuch geschlossen: "Jetzt sage ich nur noch: Ach, verehrter Herr Bundespräsident, lassen Sie doch Herrn Rainer Rupp gehen. Um des lieben Friedens willen." " (S.468/69)


Gysi schlug dem Präsidenten von Serbien vor, sich "an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu wenden; er könne den Sicherheitsrat erklären, die Situation in diesem Krisen- und Kriegsgebiet nicht mehr zu beherrschen und deshalb für Kosovo um eine Ordnungsmacht der UNO zu bitten. Eine Bitte ohne Vorgabe von Soldatenzahl, Bewaffnung und der Befugnisse. Nur eines müsse gewährleistet sein: keine Soldaten aus jenen Ländern die gerade Krieg gegen sein Land führten. [...]"
Er "hörte sich meinen Vorschlag an, auch meine kritische Einschätzung der Menschenrechtslage im Kosovo. Das Gespräch dauerte lange, aber er wirkte unzugänglich. Er war leider davon überzeugt, dass die NATO scheitere, wenn sie gegen seinen Willen im Kosovo einmarschierte. [...]" (S.478/79)
Die Medien schossen sich auf Gysi ein: "Obwohl nicht wirklich zu bestreiten war, dass dieser Krieg auf dem Balkan  völkerrechtswidrig geschah. Es hatte keinen Angriff von Jugoslawien gegen andere Staaten gegeben. Es existierte kein Beschluss des Sicherheitsrates der Organisation der Vereinten Nationen. Ein solcher Entscheid wäre am Veto Russlands geschaltet. Jelzin erklärte sogar, wenn das Völker recht bei Jugoslawien verletzt werde, gelte es auch nicht mehr für Russland. Auch der spätere russische Präsident 
Dmitri Medwedew  wies auf die Konsequenzen hin, die Russland ziehen werde, wenn einige EU-Staaten den Kosovo als unabhängigen Staat an erkannten. Eine dieser Konsequenzen war die spätere völkerrechtswidrige Vereinnahmung der Krim durch Russland.
Der Westen hatte so eindeutig über den Staatssozialismus gesiegt, dass er sich zu der gefährlichen Arroganz verstieg, das Völkerrecht, diesen wichtigen, friedensfördernden Ost-West-Ausgleich seit 1945, nicht mehr zu benötigen. Es gab den Osten nicht mehr. Man ignorierte das Völker recht – indem man es ungerührt selber verletzte. Immerhin war zu merken, wie wirkungslos rechtliche Regeln sind, wenn Starke kein Gegengewicht spüren. Um den Völkerrechtsbruch zu rechtfertigen, griff man mehr und mehr zu moralischen Anschuldigungen. (Seite 478-480)

"Ich habe beim Schreiben dieses Buchs versucht, möglichst persönlich zu werden, ohne privat zu sein." (S.573)

Gregor Gysi: Ein Leben ist zu wenig. Aufbau Verlag, Berlin 2017 (Rezension in der ZEIT vom 7.12.17)

Wo lag der Perserschutt, wo findet man heute noch Reste, wo ist er ausgestellt?

http://viamus.uni-goettingen.de/fr/sammlung/ac_ausstellungen/z_02/z05

The Moschophoros (c. 560 BC), at the moment of his discovery on the Acropolis
File:Perserschutt.gif. (2015, December 16). Wikimedia Commons, the free media repository. Retrieved 15:54, December 27, 2017 from https://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=File:Perserschutt.gif&oldid=182015334.

Die Trümmerrreste des Perserschutts wurden verwendet, um die Stützmauern der erneuerten Akropolis zu verstärken.

mehr zu: Skulpturen aus dem Perserschutt

Worauf kommt es an? - Pfaller: Erwachsenensprache 1

Diskriminierung oder Ungleichheit?

https://norberto42.wordpress.com/2017/12/26/pfaller-erwachsenensprache-2017-vorgestellt/

Dienstag, 26. Dezember 2017

Rudi Dutschkes Sohn, ein dänischer Beamter

"Warum hat Ihr Vater die Bürokratie überhaupt so scharf kritisiert?
Er wusste, dass Macht korrumpiert und mehr Macht mehr korrumpiert. Und damit hat er ja auch ewig recht. Deshalb versuchen wir, die Verwaltung so transparent wie möglich zu halten, offen zu sein für jede Art von Kritik. Meistens funktioniert das, manchmal nicht."
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/hosea-che-dutschke-im-gespraech-wie-lebt-es-sich-als-sohn-von-rudi-dutschke-15344354.html

Montag, 25. Dezember 2017

Lehrermangel und Inklusion

"Sachsen-Anhalts Kultusminister Marco Tullner (CDU) hält den bisherigen Weg der Inklusion für gescheitert. Er sei davon überzeugt, dass es Kinder mit Förderbedarf gibt, die in Förderschulen besser betreut werden können als in einer heterogenen Regelklasse" (ZEIT 22.12.17)


"
Förderschulen in Deutschland sind ein hohes Gut, das wir in der Inklusionsdebatte leichtfertig aufs Spiel gesetzt haben. Wir werden auch in Zukunft Förderschulen dringend brauchen."
(Förderschulen: Warum ein Kultusminister die Inklusion für gescheitert hält, Spiegel 25.12.17)


Schulleiterin verklagt Senat wegen Inklusion SPON 11.4.18

Andel Müllers Autobiographie

Andel Müller: Rockin' Rausch. Romaneske Aufzeichnungen, 2017

Darmstädter Echo 22.11.2017

buchfindr.de

"[...] es sei auch ein Entwicklungs-, Bildungs- und Selbstfindungsroman geworden, zugleich ein Darmstadt-Buch, das ganz ohne Niebergall-Zitate auskommt. Und auch ohne den Namen der Stadt zu nennen, aber es waren genug Kenner bei der Lesung, die im bohèmehaften Oberbürgermeister Heinz Winfried Sabais oder in der Disco mit dem Straßenbahn-Eingang das einstige Kultlokal "Lopo's Werkstatt" erkennen konnten. Andel Müller hatte anekdotische Passagen gewählt, beispielsweise den Protest beim Büchnerpreis 1969, als Schüler die Festgesellschaft mit einem Sarg überraschten, in dem sie symbolisch den Geist des Dichters zu Grabe trugen. Er berichtete aus Zeiten, in denen die Hits der "Frankfurter Schlagerbörse" noch auf dem Schulhof diskutiert wurden und erzählte von der ersten internationalen TV-Gemeinschaftsübertragung. [...]" (Echo online 28.11.17)

Gysi über Verkehr in Sofia 1958

Gregor Gysi: Ein Leben ist zu wenig. Die Autobiographie, 2017

!958 richteten sich die Autos in Sofia nicht nach den Polizisten, sondern die Polizisten nach den Autos.
"Sie standen da, und wenn gelegentlich ein Fahrzeug kam, winkten sie es durch. Wenn aus zwei Richtungen gleichzeitig ein Fahrzeug kam, entstand Hektik." (S.68)

Rezensionen bei Perlentaucher

"Gysi war auch als Anwalt in der DDR ein Mann, der an seinen Idealen festhielt, kein Dissident, aber das wollte er auch nicht sein, erzählt die begeisterte Rezensentin. Doch Rudolf Bahro habe, kurz nachdem er bei seinem Anwalt über eine fehlende Schreibmaschine geklagt habe, eine solche in seiner Zelle vorgefunden." (über Franziska Augtein Rezension)

Samstag, 23. Dezember 2017

Ist 45 das neue 35??

Gero von Randow: "Ab 60 wird es peinlich, sich adoleszent zu geben" ZEIT 47/2017 16.11.17

"[...] Also: Es lebe der Unterschied, auch der zwischen Jung und Alt!
Die Alten, die sich unangemessen jung geben, vertuschen im Übrigen die realen Machtverhältnisse. Macht ist etwas, das mit der Zeit aufgebaut wird, weshalb es wahrscheinlich ist, dass Alte mehr Macht haben als Junge. Die Jungen sehen, dass eine zahlenmäßig stärkere Fraktion von Alten in der Hierarchie weiter oben sitzt und dort nicht wegrotiert und überdies wie zum Hohn so tut, als sei sie selbst jung.
Apropos: Die Jungen, von denen hier die Rede ist, sind unter 35 Jahre alt. Protest, Protest! Heute ist man auch mit 45 jung, 45 ist das neue 35 undsoweiter undsofort – geschenkt.
Und gegönnt. Trotzdem ist 35 eine gute Trennmarke, denn wer 1982 geboren wurde, hat mit 19 Jahren den 11. September 2001 erlebt und in einer Zeit der Berufsorientierung die Weltwirtschaftskrise. Eine geeignete Trennmarke der Generationen auch deshalb, weil sich unter 35 die Altersgruppe der prekären Jobs befindet, zumindest gilt das für Teile der akademischen Jugend.
In Führungspositionen unterrepräsentiert, sind die Jungen überrepräsentiert in dem, was die Medien- und Werbewelt darstellt. Sie werden als langlebige Kunden umworben ("catch them young and keep them forever"). Das Jungsein wird glorifiziert, als sei es ein Lebensziel – was die Leute à la longue allerdings nur unglücklicher machen kann, je älter sie werden. [...]"

Alkoholismus

"[...] Eigentlich waren wir eine Vorzeigefamilie. Meine Eltern hatten beide gute Jobs, ein Haus mit riesigem Garten, zwei Töchter mit prima Schulnoten. Und meine Kindheit war toll. Haustiere, Reitunterricht, lange Sommerurlaube – meine Mutter hat alles für uns getan. Für dieses perfekte Bild hat sie geschuftet wie eine Geisteskranke. Sie hat sich völlig verausgabt, um zu funktionieren. Nur dass sie irgendwann nicht mehr abschalten konnte. Noch heute verfluche ich die Apothekerin im Dorf, die meiner Mutter Apfelwein gegen den hohen Blutdruck empfohlen hat.
Seit 1968 gilt Alkoholismus als anerkannte Krankheit. Ich weiß das. Trotzdem begreife ich es nicht. Muss nicht die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind viel stärker sein als die Anziehungskraft einer Weinflasche? Was ist das für eine beschissene Krankheit, die Familien zerstört und menschliche Beziehungen zersetzt? [...]" (Lisa Wolff: Sucht, ZEIT 47/2017 16.11.17)

Mittwoch, 20. Dezember 2017

Die Blaue Kuppe bei Eschwege

Die Blaue Kuppe ist eine Erhebung auf 309 m ü. NHN im südlichen Stadtgebiet von Eschwege an der Gemarkungsgrenze zu Langenhain im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis. Sie ist ein ausgewiesenes Naturdenkmal und ein Naturschutzgebiet. Die blaugraue Farbe des vor dem Abbau hier zutage tretenden Basaltes gab vermutlich der Kuppe ihren Namen. (Seite „Blaue Kuppe“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. Dezember 2017, 18:52 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Blaue_Kuppe&oldid=171924265 (Abgerufen: 20. Dezember 2017, 20:49 UTC))


Aufnahme vom 7.8.2016
File:Die Blaue Kuppe im nordhessischen Werra-Meißner Kreis. (2).jpg. (2017, November 24). Wikimedia Commons, the free media repository. Retrieved 21:19, December 20, 2017 from https://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=File:Die_Blaue_Kuppe_im_nordhessischen_Werra-Mei%C3%9Fner_Kreis._(2).jpg&oldid=268871054.

"Finger" der Blauen Kuppe am 13..6. 1956

Der frühere Zustand der Blauen Kuppe, wie er bis in die 1960er Jahre noch bestand, ist in der Wikipedia nicht mehr dokumentiert.
Der Vergleich der Aufnahmen zeigt nicht nur, dass der "Finger" abgebrochen ist, sondern auch, dass die Verwitterung des Basalts offenbar erkennbar vorangeschritten ist. Das entspricht dem Eindruck, wie ich ihn beim Vergleich meiner Erinnerung aus den 1950er Jahren mit dem Zustand nach 2000 gewonnen habe. 


Mulligatawny

"Die Mulligatawny-Suppe ist eine scharfe Curry-Suppe, die spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein fester Teil der britischen Küche ist. Sie basiert auf einem indischen Rezept für eine Sauce. [...]
In Indien wie im Mutterland Großbritannien definierten im Viktorianischen Zeitalter die Auswahl und die Zubereitungsart, die Anzahl der Gänge eines Menüs sowie die Form der Bedienung den sozialen Status (Klasse oder Kaste). Insofern kommt der Mulligatawny-Suppe als exotischer und neuer Vorspeise bzw. als weiterem Gang in der klassischen Menüfolge eine kulturhistorische und soziologische Bedeutung zu. In der Literatur wird die Mulligatawny-Suppe deswegen als “the most important dish associated with the colonial table” (deutsch: „die wichtigste Speise, die man mit der Kolonialzeit verbindet“) bezeichnet"
(Seite „Mulligatawny-Suppe“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 26. Oktober 2017, 17:39 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mulligatawny-Suppe&oldid=170354219 (Abgerufen: 20. Dezember 2017, 18:57 UTC))

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Was kann Macrons Klimagipfel erreichen?

Mit dem One Planet Summit hat sich Frankreichs Präsident Macron für mehr Klima-Engagement stark gemacht. Um die vor zwei Jahren in Parisbeschlossenen Klimaziele zu erreichen, seien zusätzliche Anstrengungen nötig, appellierte Macron an die anwesenden Staatschefs, privaten und institutionellen Investoren. Europas Presse ist seinem Vorhaben gegenüber so kritisch wie angetan.
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

Mehr als mediales Tamtam?

Viele, die die Macht hätten, etwas zu verändern, sind dem Gipfel ferngeblieben, bemängelt die Neue Zürcher Zeitung:
„Es muss sich ... erst noch weisen, ob der von Macron mit viel medialem Tamtam organisierte One-Planet-Gipfel mehr konkrete Resultate zeitigen wird oder ob er bloss ein Anlass der bereits altbekannten Willigen war. Dass sich neben dem nicht eingeladenen Präsidenten Trump auch die Staats- und Regierungschefs grosser Länder wie Deutschlands, Chinas oder Indiens nicht nach Paris bemühten, weckt Zweifel. Das umso mehr, als etwa zur Durchsetzung wirkungsvoll hoher Preise im CO2-Emissionshandel zwischenstaatliche Regelungen erforderlich wären.“
Nikos Tzermias
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LA LIBRE BELGIQUE (BE)

Viel Show, aber auch viel Inhalt

Der Gipfel war vor allem eine PR-Veranstaltung, allerdings eine sehr nützliche, betont La Libre Belgique:
„Er wurde zum 'Place to be' für Firmen und Staatschefs, die Wert darauf legen, ihr Klima-Engagement zu betonen. Zwar waren ihre Versprechen von ganz unterschiedlicher Tragweite. Eines hatten sie jedoch gemeinsam: Mit finanziellen Mitteln soll dem Klimawandel der Kampf angesagt werden. … Nicht zuletzt war der Gipfel auch eine Botschaft Macrons an Donald Trump. Dieses Treffen der Motiviertesten sollte zeigen, wie isoliert der US-Präsident in Sachen Klimaschutz ist. Ja, ja und nochmals ja: Der Gipfel war eine PR-Maßnahme. Aber eine notwendige.“
Sophie Devillers
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LA REPUBBLICA (IT)

Macron weiß, wo Geld und Einfluss sitzen

Macron hat begriffen, dass im Kampf gegen den Klimawandel private Geldgeber wichtiger sind als unwillige Staatschefs, lobt La Repubblica:
„Zwar glänzte der US-Präsident durch Abwesenheit, dennoch fehlte Amerika nicht auf dem Gipfel. ... Stars wie Leonardo Di Caprio und Sean Penn kamen, vor allem aber Geldgeber wie Bill und Melinda Gates. Sie versprachen 315 Millionen Dollar um afrikanischen Bauern zu helfen. Die Gates sind die besten Repräsentanten in Macrons 'Koalition der Philanthropen'. Der 'One Planet Summit' war nämlich vor allem eine Spendensammelaktion auf höchstem Niveau, um im Kampf gegen den Klimawandel Konkretes zu leisten. Das war das erklärte Ziel des jungen Präsidenten, der die Finanzwelt gut kennt. Macron ist es gelungen, Gelder locker zu machen, mit denen nun versucht werden kann, einige Versprechen von vor zwei Jahreneinzulösen.“
Anais Ginori
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DIE WELT (DE)

Das Ergebnis zählt

Obwohl Macron alles andere als ein Umweltschützer der ersten Stunde ist, findet Die Welt es unfair, seine Ernsthaftigkeit in Zweifel zu stellen:
„Oft sind die spät Bekehrten die eifrigsten Prediger. Sicher ist, dass der junge französische Präsident in eine Machtlücke gesprungen ist, die niemand anderer besetzen will und kann… Macron setzt Themen, will Interpretationshoheit und den Spielmeister geben. Anders als die Neuerfindung der EU ist der Kampf gegen den Klimawandel ein Thema, das weltweit trägt. Die grüne Revolution der Finanzwirtschaft auszurufen, damit die Energiewende kein leeres Versprechen bleibt, das ist typisch Macron: Er will Dinge in Bewegung bringen. Und solange das Ergebnis stimmt, sind Motivation und Beweggründe zweitrangig.“
Martina Meister
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