Donnerstag, 12. Januar 2023

Wird bei der Räumung von Lützerath ein Kampf um Symbole oder um Klimagerechtigkeit geführt?

Weltweit werden pro Mensch etwa 6,5 t Treibhausgase freigesetzt. Mit den Klimazielen verträglich wären aber nur 3 Tonnen pro Mensch. 

Selbst in Europa aber setzen 50% der Bevölkerung, also rund 375 Millionen Menschen pro Jahr nur 1,5 Tonnen frei.

Wenn Lützerath geräumt und die dort liegende Kohle verstromt wird, werden in den nächsten Jahren weitere 280 Millionen Tonnen emittiert, d. h. RWE darf aufgrund eines Gerichtsurteils zusätzlich mehr emittieren als 180 Millionen Europäer im Jahr verbrauchen.

Der Kampf geht nicht um Symbole, sondern um Klimagerechtigkeit für Millionen.


"In diesem Jahr setzte ein Mensch durchschnittlich etwa 6,5 Tonnen Treibhausgase frei. [...] Die obersten 10 Prozent der Emittenten setzen pro Person und Jahr durchschnittlich etwa 30 Tonnen Treibhausgase frei, während es bei der ärmsten Hälfte der Bevölkerung etwa 1,5 Tonnen pro Kopf und Jahr sind. Anders ausgedrückt: Die obersten 10 Prozent der Weltbevölkerung sind für etwa 50 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, während die untere Hälfte der Weltbevölkerung lediglich 12 Prozent aller Emissionen beiträgt. [...]" (S.445)

 "Ganz ähnlich emittieren in Europa die ärmsten 50 Prozent etwa 5 Tonnen pro Person (weniger als der globale Durchschnitt), während die reichsten 10 Prozent etwa 30 Tonnen freisetzen. [...]" (G. Thunberg: Das Klima-BuchS.446) 

"Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unter Führung von Bundesminister Robert Habeck (Grüne) Habeck, der Energiekonzern RWE sowie die zuständige NRW-Landesministerin Mona Neubaur (Grüne) hatten sich im Oktober darauf verständigt, den Kohleausstieg im Rheinischen Revier von 2038 auf 2030 vorzuziehen. Zugleich erklärten sie, die Versorgungssicherheit in der aktuellen Energiekrise stärken und dafür zwei RWE-Kraftwerksblöcke, die Ende 2022 abgeschaltet werden sollten, bis zum 31. März 2024 am Netz lassen zu wollen. Insgesamt sollten damit laut BMWK 280 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden, da bis 2038 ursprünglich eine doppelt so hohe Förderung geplant gewesen sei. Allerdings werden durch die Regelung mindestens weitere 280 Millionen Tonnen emittiert." (wwf: Lützerath weiterer Tiefpunkt in Sachen Klimaschutz, 11.1.2023)


 Zitate aus G. Thunberg: Das Klima-Buch

"Man erwartet, dass die Nachfrage sich bis 2050 mindestens verdoppelt.[...] Und man erwartet, dass 2050 ein Fünftel der weltweiten Stahlproduktion in Indien erfolgen wird, gegen über 5 Prozent heute. Besorgniserregend ist indessen, dass nach Schätzungen 37 Prozent der mit den Klimazielen vereinbaren Kohlenstoffemissionen aus der Stahlerzeugung bis 2050 heute schon verbraucht sind."(Seite 286)

"Der globalen Norden ist für 92 Prozent der die erträglichen globalen Grenzen der überschreitenden Emissionen verantwortlich, [...] ein Niveau, das wir 1988 überschritten. Die meisten Länder des globalen Südens halten sich immer noch innerhalb des Bereichs ihres fairen Anteils an der Einhaltung der Grenzen und haben folglich überhaupt nichts zu der Krise beigetragen. Dennoch erleidet der globale Süden den übergroßen Anteil der Schäden, darunter 82-92 Prozent der ökonomischen Kosten des Klimakollapses und 98-99 Prozent der mit dem Klima zusammenhängenden Todesfälle. Das Ausmaß dieser Ungerechtigkeit lässt sich kaum übertreiben." (S.341)

Kate RaworthWikipedia-logo.png: "Wenn die Menschheit [...] die Erderwärmung unter 1,5 °C halten soll, dann müssen 2030 nach Angaben von OxfamWikipedia-logo.png die reichsten 10 Prozent der Menschen ihre konsumbedingten Emissionen innerhalb der nächsten zehn Jahre auf nur ein Zehntel des Standes von 2015 reduzieren – und damit den ärmsten 50 Prozent der Weltbevölkerung Raum geben, damit sie ihre grundlegenden Konsumbedürfnisse befriedigen können. [...] Auch wenn die Wirtschaftstheorie sich den Menschen als unersättlichen Konsumenten vorstellte, mussten die realen Menschen doch noch davon überzeugt werden, dass sie es tatsächlich waren. 'Massenproduktion ist nur dann profitabel wenn sie dauerhaft stattfinden kann', schrieb Edward Bernays 1928 in seinem Klassiker Propaganda. 'Die einzelne Fabrik… kann nicht warten, bis die Öffentlichkeit das Produkt von sich aus nachfragt. Über Werbung und Propaganda muss sie ständig in Verbindung mit der Öffentlichkeit bleiben, um die stetige Nachfrage sicherzustellen [...]" (S.364/365)

"[...] einmal abgesehen von radikalen Optionen wie dem vollständigen Verzicht auf Flugreisen, Autofahren oder die Benutzung elektronischer Geräte, gibt es nur sehr wenig, dass jeder von uns für sich allein tun könnte und ähnlich wirkungsvoll wäre wie der Verzicht auf Rindfleisch. In den USA würde der Ersatz von Rindfleisch durch diverse nahrhafte pflanzliche Lebensmittel, die genau dieselbe Menge an Proteinen liefern, pro Jahr zu einer Verringerung der Emissionen um etwa 350 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent führen. Zum Vergleich: Diese Einsparungen entsprechen mehr als 90 Prozent der gesamten Emissionen des US-amerikanischen Wohnungssektors. Der Ersatz von Rindfleisch durch pflanzliche Alternativen würde nicht nur unsere Gesundheit beträchtlich verbessern, sondern die Treibhausgasemissionen um dieselbe Menge reduzieren, wie sie unsere energieintensiven Häuser und Wohnungen emittieren." (S.377)

Und weil wir darauf hinweisen, dass unsere politischen Führungskräfte dreißig Jahre lang debattiert haben, während unsere Emissionsniveaus nur weiter gestiegen sind, gibt es gewählte Volksvertreter, die uns als Bedrohung der Demokratie bezeichnen (S.390/391)

"Um alle notwendigen Veränderungen herbeizuführen, müssen die Medien die Konzepte der Klimagerechtigkeit, der historischen Emissionen und der Einstellungen von Dominanz und Ungleichheit, die erst die Grundlage für die Klima- und Ökologiekrise gelegt haben, immer und immer wieder erklären. Es gilt, Jahrhunderte der Verfehlungen zuzugeben und wiedergutzumachen. Das mag als enormes Hindernis erscheinen, ist aber unumgänglich. Wir können nicht weiter globale 'Lösungen' nur für die reichsten 10 Prozent oder die reichsten Länder schaffen. Das wird schlicht nicht funktionieren. Zur Lösung globaler Probleme brauchen wir eine globale Sicht. Und wenn es um Klimagerechtigkeit geht, kennt Demokratie keine Grenzen. [...]" (S.394/95)

'Die Leute, die fossile Brennstoffe wie Öl und Gas fördern, haben nun eine Möglichkeit entwickelt, Kohlendioxid wieder im Untergrund zu speichern.' Kohlenstoffabscheidung und -Speicherung ist ein klassisches Thema der Ölindustrie; sie wird immer wieder versprochen, nie umgesetzt und dient dazu, die weitere Ölförderung zu rechtfertigen. Statt der Interessen der Industrie für fossile Brennstoffe wurde einer anderen Kraft die gesamte Schuld an der Beschleunigung der Treibhausgasemissionen zugeschrieben: den '1,3 Milliarden Chinesen'. Die Serie benannte keine andere Ursache. [...] 'Thinktanks', die sich weigern, die Herkunft ihrer Finanzmittel zu nennen, und die oftmals eher den Eindruck, von Lobbygruppen der Konzerne erwecken, werden nach wie vor eingeladen, Umweltschützer anzugreifen, ohne ihre Interessen offenzulegen." (S.408)

Der Ölkonzernen BP propagierte "Mitte der 2000er Jahre das Konzept eines persönlichen CO2-Fußabdrucks. Tatsächlich 'stellte BP einen der ersten persönlichen CO2-Fußabdruck-Rechner vor«. BP und andere Konzerne für fossile Brennstoffe wollten, dass wir uns so stark auf unseren eigenen individuellen Kohlenstoff-Fußabdruck konzentrieren, dass wir ihren erheblich größeren Fußabdruck gar nicht mehr wahrnehmen würden: Schließlich stammen 70 Prozent der gesamten Kohlenstoffemissionen von nur hundert Umweltverschmutzern. Auch wenn Individuen alles tun sollten, was sie können, [...] brauchen wir doch staatliche Maßnahmen, die verhindern, dass diese Konzerne unsere Atmosphäre als Mülleimer missbrauchen.

[...] wir müssen uns von der übergeordneten Verpflichtung leiten lassen, dass wir das Leben zukünftigen Generationen nicht mit einer Hypothek belasten dürfen, indem wir in diesem entscheidenden Augenblick nichts unternehmen." (S. 412)

"Und nun rückt die Wissenschaft all die unsichtbaren Spuren, die wir unserem Streben nach Macht, Vorherrschaft und Reichtum hinterlassen haben, in ein grelles Licht. [...] Wir brauchen jeden und jede, um die Klima- und Ökologiekrise zu bewältigen. Das wird aber nie geschehen, wenn die Verantwortlichen nicht anfangen, ihren Schlamassel auf gerechte Weise zu beseitigen. Die finanziell reichen Länder haben sich bereits verpflichtet voranzugehen, und es ist Zeit, dass wir es tatsächlich tun. Das bedeutet, für Verluste, Schäden und Wiedergutmachung zu zahlen. [...] Es bedeutet, alle unsere tatsächlichen Emissionen in unsere Statistiken einzubeziehen, einschließlich Konsum, Importe, Exporte, Transport, Flugverkehr, Militär und biogene Emissionen. Es bedeutet Ehrlichkeit, Solidarität, Integrität und Klimagerechtigkeit." (S.429)

Lucas Chanel/Thomas PikettyWikipedia-logo.png: "In diesem Jahr setzte ein Mensch durchschnittlich etwa 6,5 Tonnen Treibhausgase frei. [...] Die obersten 10 Prozent der Emittenten setzen pro Person und Jahr durchschnittlich etwa 30 Tonnen Treibhausgase frei, während es bei der ärmsten Hälfte der Bevölkerung etwa 1,5 Tonnen pro Kopf und Jahr sind. Anders ausgedrückt: Die obersten 10 Prozent der Weltbevölkerung sind für etwa 50 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, während die untere Hälfte der Weltbevölkerung lediglich 12 Prozent aller Emissionen beiträgt. [...]" (S.445) "Ganz ähnlich emittieren in Europa die ärmsten 50 Prozent etwa 5 Tonnen pro Person (weniger als der globale Durchschnitt), während die reichsten 10 Prozent etwa 30 Tonnen freisetzen. [...]" (S.446) "Daraus folgt, dass die Reichen den größten Beitrag zur Reduzierung der Emissionen leisten sollten und man den Armen die Möglichkeit geben sollte, mit dem Übergang zu einer Erderwärmung von 1,5 °C oder 2 °C fertigzuwerden. Leider geschieht das nicht – wenn überhaupt, dann liegt das, was passiert, näher am Gegenteil.

In Frankreich erhöhte die Regierung 2018 die Kohlenstoffsteuern auf eine Art und Weise, die ländliche, einkommensschwache Haushalte besonders schwer traf, ohne sonderliche Auswirkungen auf die Konsumgewohnheiten und Investitionsportfolios der Wohlhabenden zu haben. [...] Reaktionen auf diese Ungleichbehandlung führten schließlich dazu, dass die Reform aufgegeben wurde. [...] Staaten haben Pläne angekündigt, ihre Emissionen bis 2030 beträchtlich zu reduzieren [...] Laut einer neuen Studie hat die ärmste Hälfte der Bevölkerung in den USA und in den meisten europäischen Ländern dieses Ziel, gemessen in Pro-Kopf-Emissionen, schon jetzt beinahe oder vollständig erreicht. Für die Mittelschicht und die Wohlhabenden gilt dies ganz und gar nicht: Sie liegen weit über – also hinter – diesem Ziel. [...]" (S.448)

"Als Indonesien vor einigen Jahren die Subventionen für fossile Brennstoffe abschaffte, bedeutete dies zwar zusätzliche Ressourcen für den Staat, aber auch höhere Energiepreise für einkommensschwache Familien. Die anfangs höchst umstrittene Reform wurde akzeptiert, nachdem die Regierung beschloss, mit den Einnahmen eine allgemeine Krankenversicherung und Hilfen für die Ärmsten zu finanzieren. [...]

Weltweit könnte eine mäßige Vermögenssteuer für Multimillionäre mit einem Umweltverschmutzungszuschlag 1,7 Prozent des globalen Einkommens generieren, wie jüngere Forschungen gezeigt haben. Damit ließe sich der Großteil der zusätzlichen Investitionen finanzieren, die alljährlich für eine Abschwächung des Klimawandels notwendig sind."[5] (S.449)

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