Disruption heißt für Christensen nicht einfach, dass neue, digitale Anbieter alte Firmen hinwegfegen. Durch Disruptionsprozesse verändert sich das Markt – Spielfeld selbst, so dass sich erfolgreiche Akteure plötzlich im Abseits wiederfinden. Es geht auch nicht in erster Linie um die sensationelle technische Innovation selbst. Tatsächlich gehören die erfolgreichen Firmen fast nie den Erfindern, sondern denjenigen, die wie Bill Gates und Steve Jobs die Bausteine zu einem funktionierenden Geschäftsmodell zusammenfügen. Man fängt dabei bewusst ganz klein und einfach an. Das Wachstums- und Entwicklungspotenzial ist entscheidend.
Christensen analysiert an vielen Beispielen Prozesse, bei denen mächtige Weltmarktführer plötzlich von Konkurrenten aus dem Feld geschlagen werden, die lange Zeit ganz ungefährlich schienen, weil ihr neuartiges Angebot anfangs technisch viel primitiver und unprofitabler war. Es gibt zwei Wege der Disruption, sagt Christensen: entweder entwickelt sich ein neues Angebot am Rand des Marktes, das erst einmal als billig und minderwertig erscheint. Keine ernsthafte Konkurrenz, aber für manche Kunden gut genug. Oder es entsteht ein ganz neuer Sektor abseits des Marktes, der ganz andere Kunden anspricht. Und plötzlich hat sich dann die ganze Umwelt verändert, und die Dinosaurier sterben aus. Zum Beispiel wurden die ersten japanischen Plastik-Transistorradios von Teenagern um 1960 von ihrem knappen Taschengeld gekauft. Es war simple, billige Wegwerftechnik, keine Gefahr für die HiFi-Konzerne. Erst 20 Jahre später kamen deutsche Qualitätshersteller wie Grundig in Schwierigkeiten. Mit der Digitalfotografie und den Enzyklopädien ging es dann viel schneller. Das dauerte nur noch wenige Jahre. (Martin Lindner: die Bildung und das Netz, Kapitel 2)
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