Sonntag, 30. April 2023

Verwelken und verdorren

 Eine Blüte kann verwelken, aber auch Schönheit. Das heißt aber nicht, dass die Pflanze leblos ist, vielmehr entstehen aus Blüten oft Früchte. Eine verwelkte Schönheit kann eine höchst liebenswerte, lebenskluge, weise Person sein.

Verdorren können nicht nur ganze Pflanzen, sondern auch Zweige und Äste.

Es bedeutet immer, dass die Lebenskraft daraus verschwunden ist.

Poetisch gestaltet ist im folgenden Gedicht das Verwelken vor dem Verdorren:

1. Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht.

Er fiel auf die zarten Blaublümelein,

sie sind verwelket, verdorret.

2. Ein Knabe hatte ein Mägdlein lieb,

sie flohen gar heimlich von Hause fort,

es wusst’s nicht Vater noch Mutter.

3. Sie sind gewandert hin und her,

sie haben gehabt weder Glück noch Stern,

sie sind verdorben, gestorben.

4. Auf ihrem Grab Blaublümlein blühn,

umschlingen sich zart wie sie im Grab,

der Reif sie nicht welket, nicht dorret.

https://de.wikipedia.org/wiki/Es_fiel_ein_Reif_in_der_Frühlingsnacht_(Lied)

Das Verwelken der Blätter. Andere Kulturen als unsere, so die nordamerikanische mit ihrem Indian Summer, noch mehr aber die japanische sehen im Verwellken der Blätter den Höhepunkt ihres Daseins:

Beneidenswerte Ahornblätter

Schön ist es

Wunderbar zu werden

und dann zu fallen

Kagami Shiko (1665-1731)

Und die Kirschblüte erscheint ihnen als "eines der wichtigsten Symbole der japanischen Kultur. Sie steht für Schönheit, Aufbruch und Vergänglichkeit (mono no aware). Die Zeit der Kirschblüte markiert einen Höhepunkt im japanischen Kalender und den Anfang des Frühlings." (Wikipedia) Denn hier treffen Blühen und Verwelken in kürzester Zeit aufeinander, vgl. die Kirschblütenfront.

Zum Indian Summer wiederum die Wikipedia: "Das Phänomen wird begleitet von einem strahlend blauen Himmel, warmer Witterung und einer besonders intensiven Blattverfärbung in den Laub- und Mischwäldern"

Doch auch die deutsche Kultur kennt auch den Reiz des Welkens als den Übergang zu einem neuen Werden. Das Lieblingsgedicht der Deutschen (laut einer Umfrage aus dem Jahr 2000) Hermann Hesses "Stufen" beginnt: "Wie jede Blüte welkt ..." und unter den ersten vier beliebtesten Gedichten finden sich zwei Herbstgedichte, wobei das vierte mit dem Bild von der "Birne im Grab" die Herbstfrucht als den Beginn eines neuen Lebens feiert.

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