Der Arbeitseifer habe nachgelassen. Menschen hätten heute weniger Lust, ihr Geld mit harter Arbeit zu verdienen; Arbeitnehmer seien heute generell fauler.
Solche moralischen Entrüstungen sind allgegenwärtig und angesichts der wachsenden Personallücken verständlich. Und sicherlich gibt es in jeder Generation systematische Drückeberger. Kein Geheimnis. Aber „faul“ ist eine zu einfache, verallgemeinernde Beschreibung für Menschen, die sich weigern, sich mit einem Arbeitssystem zufriedenzugeben, das Beschäftigte psychisch an ihre Belastungsgrenzen bringt und sie manchmal sogar zerstört.
Erwerbstätige hatten früher nicht so viele Möglichkeiten und den technologischen Fortschritt, der sich sukzessiv aufbaute, um sich die Arbeit zu erleichtern. Das stimmt. Die Zeiten und Möglichkeiten haben sich geändert. Arbeitnehmer genießen mehr Freiheiten.
Die Forderungen und die Arbeitsmoral junger Menschen als faul abzutun, schreit jedoch auch nach einer traurigen Bemühung, das in Schutz zu nehmen, was von denen, die sich beklagen, selbst jahrelang hingenommen und akzeptiert wurde – oder vielleicht auch akzeptiert werden musste, um zu überleben: Arbeiten bis zum Umfallen. Schuften auf Kosten der Gesundheit und des eigenen Lebens. Weniger realistische Chancen, eine gesunde Work-Life-Balance zu haben. [...]
Was Arbeitnehmer der Zukunft brauchen, um zu arbeiten
Es wirkt provokant, was junge Arbeitnehmer einfordern – aber nur, weil sie erkannt haben, dass sie sich nicht opfern müssen, um zu leben. Sie haben eine andere Arbeitsmoral. Hinter der Pauschalisierung „faul“ verbirgt sich viel mehr; ein Arbeitssystem, welches einen Widerspruch zu dem darstellt, was der Mensch braucht. Etwas, was der Mensch in einer kapitalistischen Wirtschaft systematisch aufgebaut hat, in Diskrepanz zu der eigenen menschlichen Natur und ihren Grenzen.
Der stille Protest der Quiet Quitter ist deshalb im Grunde ein sehr lauter, sehr sichtbarer Protest: Junge Menschen wünschen sich andere Bedingungen zum Arbeiten. Sie wollen sich nicht für ihren Beruf verkaufen, um leben zu können. Sie brauchen Motivation und Sinnhaftigkeit, einen gesunden Arbeitsplatz. Dies gilt für alle; für angehende Führungskräfte und Fachkräfte, für Menschen im Niedriglohnsektor, die sich überarbeiten und für die, die auf der Suche sind nach einem Job, der ihnen mehr als Geld bietet.
Fachkräfte und Arbeitnehmer der Zukunft sehen es nicht ein, sich einem neoliberalen Wohlstandsversprechen zu widmen, das mit seiner Art des Wirtschaftens mehr Schaden als Nutzen bringt. Dass Personal fehlt und Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben, ist kein „Phänomen“, das plötzlich da war. Arbeitsunlust ist keine Überraschung. Sie ist ein natürliches Resultat dessen, was jahrelang ignoriert wurde: dass Menschen nicht dazu gemacht sind, bis zum Abwinken zu schuften und Arbeit nicht der Sinn des Lebens ist – sondern ein Teil des Lebens.
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