Freitag, 14. April 2023

Christoph Bautz von Campact zur Abschaltung der deutschen AKWs

 

"[...] ich möchte den Tag vor der letzten Abschaltung nutzen, um
"[...]

 die Argumente der Atomfans zu hinterfragen:

  • „Atomkraft hilft doch dem Klima!”
    Gerade einmal 4 Gigawatt beträgt die Nettoleistung der letzten Atomkraftwerke, die morgen vom Netz gehen.[4] Angesichts einer gesamten installierten Kraftwerksleistung von 223 Gigawatt [5] im Land wird schnell klar: Das Klima wird so nicht gerettet. Dafür brauchen wir mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren. Nur ist es für FDP und CDU/CSU leichter, längere Atomlaufzeiten zu fordern, als sich mit ihren Fehlern zu beschäftigen. Denn sie selbst haben durch fatale Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Ausbau von Sonnen- und Windenergie ausgebremst. Das ändert die Ampel jetzt immerhin.


    Ein Blick in unser Nachbarland zeigt zudem: Atomkraft wird selbst zum Opfer der Klimakrise. Denn die Flüsse können in Frankreich das nicht mehr tun, was für die Kraftwerke das Wichtigste ist: sie kühlen. Selbst im Winter führen die Flüsse kaum noch Wasser, weil es wegen der Klimakrise immer weniger regnet.[6] Im letzten Sommer musste das Land die Leistung seiner Meiler deshalb massiv drosseln [7] und 20 Prozent seines Stroms importieren [8] – zu großen Teilen aus dreckigen Kohlekraftwerken bei uns.
  • „Die Stromversorgung ist nur mit Atomkraft sicher!”
    Atomkraft ist ungeeignet, eine Energieversorgung abzusichern, die immer mehr auf erneuerbaren Quellen beruht. Denn sie kann nur eines: die ganze Zeit Strom unter Volllast erzeugen. Was es hingegen braucht, sind flexible Kraftwerke, die schnell hoch und runter regelbar sind. Sie müssen einspringen, wenn der Wind mal nicht weht und die Sonne hinter Wolken verschwindet. Das können aktuell vor allem Kraftwerke, in denen Gas verfeuert wird – und möglichst bald Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen. Atomkraft verstopft mit ihrer Grundlast Leitungen und drängt die Erneuerbaren aus dem Netz.[9]
  • „Alle anderen steigen doch in die Atomkraft ein!”
    Sind wir auf einem Sonderweg, während weltweit die Atomkraft eine Renaissance erlebt? Die Zahlen sagen etwas anderes. Nachdem der Anteil der Atomkraft an der Stromerzeugung weltweit 1996 noch bei 17,5 Prozent lag, ist er mittlerweile mit 9,8 Prozent nur noch einstellig.[10] Aus gutem Grund: Atomkraft ist viel zu teuer. 34 Cent kostet Atomstrom pro Kilowattstunde (KWh). Ökostrom ist hingegen mit 6 bis 11 Cent pro KWh bei der Windenergie und 9 Cent pro KWh bei der Solarenergie deutlich günstiger.[11]

    Der Bau von Meilern entwickelt sich immer wieder zum Desaster: So ging der als neue Kraftwerksgeneration gepriesene EPR-Reaktor Olkiluoto in Finnland 13 Jahre verspätet ans Netz und kostete mehr als dreimal so viel wie geplant.[12] In Frankreich kostet der EPR-Reaktor Flamanville statt geplanter 3,4 voraussichtlich 12,7 Milliarden Euro – und ist auch nach zehn Jahren Bauverzögerung noch nicht fertig.[13]
  • „Unsere Reaktoren sind sicher!”
    Seit 13 Jahren gab es keine umfassende Sicherheitsprüfung der Reaktoren, die morgen vom Netz gehen – und das, obwohl mit jedem Betriebsjahr das Risiko für einen Reaktorunfall steigt.[14] Das Atomgesetz schreibt eigentlich eine Sicherheitsüberprüfung alle zehn Jahre vor.[15] Nur mit Hinweis auf die baldige Stilllegung verzichteten die Behörden auf die letzte Prüfung.[16]

    Alternde Reaktoren sind gefährlich. Von 56 Reaktoren in Frankreich produzierte letztes Jahr weniger als die Hälfte mit voller Leistung Strom.[17] Der Hauptgrund: Risse, die sich durch Korrosion an wichtigen Rohren gebildet haben. Ähnliche Risse treten an deutschen Reaktoren auf – ein erhebliches Sicherheitsrisiko, besonders beim AKW Neckarwestheim.[18]

All das sind gute Gründe für den Ausstieg morgen. Wir können stolz darauf sein, was wir geschafft haben. Um es mit den Worten der Süddeutschen Zeitung von dieser Woche zu sagen: „Das, was die Anti-Atomkraft-Bewegung erstritten hat, ist beachtlich. Sie hat Europas größter Wirtschaftsmacht den Abschied von der Kernkraft abgerungen.” Dank einer Durchsetzungskraft, von der viele Bewegungen bis heute lernen können. Mit breiten Allianzen und immer wieder neuen Aktionsformen."


Vgl. dazu auch den Newsletter der Frankfurter Rundschau zur Situation der französischen Atomindustrie:

"Allerdings hat die Abhängigkeit von der Atomkraft Frankreich auch in große Probleme gestürzt. Die alternde AKW-Flotte erweist sich zunehmend als störanfällig. Im vorigen Jahr musste zeitweise mehr als die Hälfte der Reaktoren abgeschaltet werden, wegen Revisionen, festgestellter Korrosionsrisse und Kühlwasser-Mangel (ein Problem, das im Zuge des Klimawandels noch mehr zunehmen wird).


Die Folge: Erstmals seit 1980 importierte Frankreich netto Elektrizität, unter anderem aus Deutschland. Der Strommangel trieb die Preise, auch in den umliegenden Ländern.

Die ungeplanten Stillstände sowie die Reparaturen und Wartungen haben den staatlich dominierten Konzern EDF, der die AKW betreibt, weiter in Schieflage gebracht. Er ist inzwischen mit 64,5 Milliarden Euro verschuldet, obwohl die Regierung in Paris die Atomkraft kräftig subventioniert, laut einem EU-Bericht zwischen 2017 und 2020 mit bis zu zwei Milliarden Euro. Andere Schätzungen liegen noch deutlich höher."

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