Nicht die Schülerstreikbewegung, schon gar nicht Greta tragen die Verantwortung dafür, dass es gelingt, die Klimaerwärmung in Grenzen zu halten.
Es sind die Politiker, die die Verantwortung tragen. Die demokratisch gewählten aufgrund der jeweiligen demokratischen Verfassung, die Repräsentanten nicht demokratisch regierter Staaten aufgrund ihrer praktischen Entscheidungsgewalt.
Wenn sie, ob demokratisch gewählt oder nicht, so tun, als ob sie nicht an die Beeinflussbarkeit des Klimas glauben, dann auf ihre Verantwortung.
Die Aufgabe der gesellschaftlichen Öffentlichkeit in den einzelnen Staaten und der Weltöffentlichkeit ist es, die Politiker an ihre Verantwortung zu erinnern. Da können einzelne viel dazu beitragen. Das hat Al Gore getan, das hat in den letzten Monaten mit weit größerem Effekt Greta Thunberg getan, seit vielen Jahrzehnten tut es der Club of Rome und tun es grüne Parteien. Zum Glück nicht ganz ohne Einfluss auf herrschende Regierungen.
Jeder einzelne von uns ist dafür verantwortlich, selbst seinen Beitrag dazu zu leisten, dass die Politiker und dass wir alle unserer Verantwortung bewusst werden.
"Was kann der Einzelne gegen so viele?" kann angesichts der Aufmerksamkeit, die das Thema inzwischen gefunden hat, kein Argument mehr sein, sich aus seiner Verantwortung zu stehlen.
Angesichts der Reden und Handlungen Bolsonaros und Trumps ist kein Politiker um seine Verantwortung zu beneiden.
Und sie sind auf unsere Mithilfe angewiesen. Barack Obama hat formuliert: "Als Politiker kann ich Ihnen eines versichern: Politische Führer werden keine Risiken eingehen, solange die Menschen dies nicht von ihnen verlangen." (Barack Obama laut SZ vom 6.10.2013) Dennoch, ihrer Verantwortung entgehen sie nicht, und wir nicht unserer Mitverantwortung.
Die bisherigen Prognosen zum Klimawandel waren noch zu optimistisch. (SPON 31.8.2019)
"This is all wrong. I shouldn’t be up here. I should be back in school on the other other side of the ocean. Yet you all come to us young people for hope. How dare you." (Greta Thunberg )
Seiten
Freitag, 30. August 2019
Mittwoch, 28. August 2019
Stickoxidminimierung im Diesel
"Im neuen Passat wird Volkswagen einen Dieselmotor bringen, der fast kein Stickoxid mehr ausstößt." (FAZ 28.8.19)
Humus und die Menscheit
"In einem Kubikmeter gesundem Oberbodens leben mehr Organismen, als es Menschen auf der Erde gibt." (FR 28.10.2019)
Florian Schwinn: Rettet den Boden
https://www.rettetdenboden.de/zerstoerung.htm
Hessische Städte kämpfen gegen die umweltfeindlichen Schottergärten
Ideen für einen Kräutergarten
Waldsterben geht weiter
Gegen Glyphosat
Florian Schwinn: Rettet den Boden
"Den meisten Menschen dürfte nicht klar sein, dass sie nur existieren können, weil die oberste Bodenschicht belebt ist und die Milliarden Bodenorganismen den Pflanzen Nährstoffe und Wasser zur Verfügung stellen. In einem Kubikmeter lebendigen, fruchtbaren Bodens leben mehr Organismen, als Menschen auf der Erde: Regenwürmer, Asseln, Springschwänze, Hundertfüßer, Fadenwürmer, Bärtierchen, Geißeltierchen, Pilze, Algen, Mikroorganismen … Sie alle sorgen dafür, dass der Boden Wasser aufnehmen kann, sie bauen abgestorbenes organisches Material zu Humus um und in die Böden ein. Damit ist der Boden eine der größten Kohlenstoffsenken der Erde.
Würden wir auf allen landwirtschaftlich genutzten Böden nur vier Promille Humus jährlich aufbauen, wäre der gesamte menschgemachte CO2-Ausstoß in den Boden eingelagert. Das ist die 4-Promille-Initiative, die Franzosen 2015 bei der Pariser Klimakonferenz angestoßen haben und der sich auch Deutschland angeschlossen hat. Ohne Konsequenzen, denn wir tun das Gegenteil, wir verlieren Boden." (Florian Schwinn: Der Feldzug gegen unsere Lebensgrundlage - Hervorhebungen von Fontanefan)
"Wir führen Krieg gegen unsere Lebensgrundlagen. Mit schwerem Gerät machen wir Böden zunichte. Jedes Jahr verlieren wir Tonnen von fruchtbarem Ackerboden durch Erosion. Es ist ausgerechnet die fruchtbarste obere Bodenschicht, die verloren geht, wenn der Regen die zusammengefahrene und bloß liegende Ackerkrume wegschwemmt oder der Wind sie in trockenen Zeiten schlicht fortweht. [...] Andererseits sollen Korn oder Körnermais trocken sein für die Ernte"https://www.rettetdenboden.de/zerstoerung.htm
Der Kampf um den kostbaren Humus (Deutschlandfunk 28.8.19)
Hessische Städte kämpfen gegen die umweltfeindlichen Schottergärten
Ideen für einen Kräutergarten
Waldsterben geht weiter
Gegen Glyphosat
Dienstag, 27. August 2019
Ausgerechnet die FAZ lobt einen parteilosen SPD-Kandidaten
"[...] Richters Stärke ist das Gespräch, die Jahre als Kaplan haben ihn geprägt. Negative Gefühle versucht er in produktive Bahnen zu lenken, und für den Wahlkampf hat er sich vorgenommen, die Menschen politisch zu irritieren. „Damit sie nicht ihrem Bauch, sondern auch ihrem Kopf vertrauen“, sagt er. „Klappt das, hätte ich viel erreicht. Zu viele wählen heute nur aus Frust und Rache.“ [...]"
(Der Sachsenflüsterer von STEFAN LOCKE, 27.8.19)
(Der Sachsenflüsterer von STEFAN LOCKE, 27.8.19)
Vermögensverteilung: Arm und Reich
https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-08/vermoegensverteilung-reichtum-finanzen-gerechtigkeit-vermoegenssteuer-mietendeckel
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vermoegen-deutschland-rueckfall-einkommen-1.4629130?referrer=push 7.10.19
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vermoegen-deutschland-rueckfall-einkommen-1.4629130?referrer=push 7.10.19
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Samstag, 24. August 2019
Harari: Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen
Harari: Homo Deus ist anregend.
Kapitel 1: Die neue menschliche Agenda
Hunger, Krankheiten und Seuchen, ja sogar Kriege sind weitgehend eingedämmt. (dazu vgl. Rosling: Factfulnes) Als nächstes Ziel "werden die Menschen vermutlich ernsthaft nach der Unsterblichkeit greifen". (S.39) -
Harari geht davon aus, dass es keine ethischen und politischen Hemmnisse dagegen geben wird, Reichen auf Kosten der Armen die "Unsterblichkeit" zu verschaffen (er präzisiert: die natürliche Lebensbegrenzung abzuschaffen). (S.51)
Entsprechend werde das "biochemische Streben nach Glück [...] auch Politik, Gesellschaft und Wirtschaft verändern" (S.69)
In diesen Passagen klingt Harari wie weiland der Zukunftsforscher Herman Kahn, der 1967 durch reine Trendverlängerung die Zukunft für das Jahr 2000 voraussagte, mit grotesken Fehleinschätzungen. Die Einschränkungen durch das bevorstehende Ende des Einsatzes fossiler Energiequellen erwähnt Harari zwar, aber was das für eine Veränderung von Forschungs- und Industrieaktivitäten bedeuten könnte, übergeht er.
Im Folgenden schwankt Harari zwischen Prognose und Freiheitsversprechen.
"Weil niemand mehr das System versteht, kann niemand es stoppen.
Wenn es uns [...] doch gelingen sollte, auf die Bremse zu treten, wird unsere Wirtschaft samt unserer Gesellschaft zusammenbrechen. [...] die moderne Wirtschaft [braucht], um zu überleben, fortwährendes und grenzenloses Wachstum." (S.86)
"Gerade weil wir, was den Einsatz neuer Technologien angeht, über gewisse Entscheidungsfreiheiten verfügen, sollten wir darüber Bescheid wissen, was passiert." (S.92)
"Je mehr wir wissen, desto weniger können wir vorhersagen." (S.94)
Und das begründet er damit, dass neues Wissen genutzt werde, "um auf neuartige Weise zu agieren [...] Denn wozu dient neues Wissen, wenn es keine neuen Verhaltensweisen nach sich zieht? Sobald die Menschen aber ihr Verhalten ändern, werden die ökonomischen Theorien obsolet." (S.94)
Dabei klammert er das Wissen über den Klimawandel aus. Denn so logisch es gewesen wäre, aufgrund dieses Wissens, das Verhalten entscheidend zu verändern, ist seit der Klimakonferenz 1992 nichts Einschneidendes passiert.
Andererseits, Harari selbst hält an der These fest, die moderne Wirtschaft brauche, "um zu überleben, fortwährendes und grenzenloses Wachstum." und das, obwohl gerade grenzenloses Wachstum mit mathematischer Sicherheit zum Zusammenbruch führt. Er führt also an sich selbst vor, dass neues Wissen mitnichten zu neuen Verhaltensweisen führen muss.
Doch wie kategorisch er auch manches behauptet, um seine Prognose zu begründen, schreibt er dann doch zu Recht:
"Die wirkliche Zukunft - also die Zukunft, die aus den neuen Ideen und Hoffnungen des 21. Jahrhunderts erwächst - könnte eine völlig andere sein." (S.108)
Mit dieser Ankündigung zur Glaubwürdigkeit seiner Hypothese beginnt er dann seine Darstellung.
Teil I: Homo sapiens erobert die Welt
Dass politische Einheiten Fiktionen bzw. nur intersubjektive Wirklichkeit sind, scheint zwar ein alter Hut. Aber die Wirksamkeit von Fake News lässt sich durch die Tatsache, dass belegte Tatbestände und Fake News beide intersubjektive Wahrheiten sind, besser erklären. Dasselbe gilt für das Aufkommen vielfältiger Geschlechtsidentitäten, für den raschen Wandel von bestimmten Sexualverhalten als strafwürdig oder als akzeptierte Varianz (und umgekehrt).
Dennoch reibe ich mich an manchem.
Teil II: Homo sapiens gibt der Welt einen Sinn
Kapitel 4: Die Geschichtenerzähler
Kapitel 5: Das seltsame Paar
Kapitel 6: Der moderne Pakt
Kapitel 7 Die humanistische Revolution
Wenn er dann aber drei "Sekten" (S.382), später spricht er von "Splittergruppen" (S.405) des Humanismus unterscheidet, den liberalen, den sozialistischen und den evolutionären Humanismus, dann fällt es mir schwer, das noch ernst zu nehmen. Seine historischen Kenntnisse lässt er hier offenkundig beiseite, um Pappkameraden aufzubauen.
"Religion und Technologie tanzen immer einen grazilen Tango. [...] sie hängen aneinander und können sich nicht zu weit von einander lösen. [...]Ohne religiöse Überzeugungen können die Lokomotiven nicht entscheiden, wohin die Reise geht." (S.414)
Vgl. dazu Böckenförde-Theorem: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“ (Böckenförde: Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation. in: Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte, st Wissenschaft 914. 1991,S. 92–114)
"[...] traditionelle Religionen [stellen] keine wirkliche Alternative zum Liberalismus
dar. In ihren Schriften findet man nichts über Gentechnologie [... sie ] sie begreifen
die jüngsten Errungenschaften in der Biologie [...] nicht." (S.425)
Teil III Homo sapiens verliert die Kontrolle (S.429 ff)
Interessante Passagen:
"Wie der Kapitalismus begann auch der Dataismus als neutrale wissenschaftliche Theorie, doch nun mutiert er zu einer Religion, die für sich in Anspruch nimmt, über Richtig und Falsch zu bestimmen. (S.584)
"Eine wachsende Zahl künstlerischer und wissenschaftlicher Schöpfungen wird heute allerdings durch / die fortwährende Zusammenarbeit von allen produziert. Wer verfasst Wikipedia? Wir alle.
Das Individuum wird zu einem winzigen Chip in einem riesigen System, das niemand wirklich versteht." (S.590/91)
"So wie die Kapitalisten an die unsichtbare Hand des Marktes glauben, glauben Dataisten an die unsichtbare Hand des Datenflusses." (S.591)
sieh auch:
Kapitel 1: Die neue menschliche Agenda
Hunger, Krankheiten und Seuchen, ja sogar Kriege sind weitgehend eingedämmt. (dazu vgl. Rosling: Factfulnes) Als nächstes Ziel "werden die Menschen vermutlich ernsthaft nach der Unsterblichkeit greifen". (S.39) -
Harari geht davon aus, dass es keine ethischen und politischen Hemmnisse dagegen geben wird, Reichen auf Kosten der Armen die "Unsterblichkeit" zu verschaffen (er präzisiert: die natürliche Lebensbegrenzung abzuschaffen). (S.51)
Entsprechend werde das "biochemische Streben nach Glück [...] auch Politik, Gesellschaft und Wirtschaft verändern" (S.69)
In diesen Passagen klingt Harari wie weiland der Zukunftsforscher Herman Kahn, der 1967 durch reine Trendverlängerung die Zukunft für das Jahr 2000 voraussagte, mit grotesken Fehleinschätzungen. Die Einschränkungen durch das bevorstehende Ende des Einsatzes fossiler Energiequellen erwähnt Harari zwar, aber was das für eine Veränderung von Forschungs- und Industrieaktivitäten bedeuten könnte, übergeht er.
Im Folgenden schwankt Harari zwischen Prognose und Freiheitsversprechen.
"Weil niemand mehr das System versteht, kann niemand es stoppen.
Wenn es uns [...] doch gelingen sollte, auf die Bremse zu treten, wird unsere Wirtschaft samt unserer Gesellschaft zusammenbrechen. [...] die moderne Wirtschaft [braucht], um zu überleben, fortwährendes und grenzenloses Wachstum." (S.86)
"Gerade weil wir, was den Einsatz neuer Technologien angeht, über gewisse Entscheidungsfreiheiten verfügen, sollten wir darüber Bescheid wissen, was passiert." (S.92)
"Je mehr wir wissen, desto weniger können wir vorhersagen." (S.94)
Und das begründet er damit, dass neues Wissen genutzt werde, "um auf neuartige Weise zu agieren [...] Denn wozu dient neues Wissen, wenn es keine neuen Verhaltensweisen nach sich zieht? Sobald die Menschen aber ihr Verhalten ändern, werden die ökonomischen Theorien obsolet." (S.94)
Dabei klammert er das Wissen über den Klimawandel aus. Denn so logisch es gewesen wäre, aufgrund dieses Wissens, das Verhalten entscheidend zu verändern, ist seit der Klimakonferenz 1992 nichts Einschneidendes passiert.
Andererseits, Harari selbst hält an der These fest, die moderne Wirtschaft brauche, "um zu überleben, fortwährendes und grenzenloses Wachstum." und das, obwohl gerade grenzenloses Wachstum mit mathematischer Sicherheit zum Zusammenbruch führt. Er führt also an sich selbst vor, dass neues Wissen mitnichten zu neuen Verhaltensweisen führen muss.
Doch wie kategorisch er auch manches behauptet, um seine Prognose zu begründen, schreibt er dann doch zu Recht:
"Die wirkliche Zukunft - also die Zukunft, die aus den neuen Ideen und Hoffnungen des 21. Jahrhunderts erwächst - könnte eine völlig andere sein." (S.108)
Mit dieser Ankündigung zur Glaubwürdigkeit seiner Hypothese beginnt er dann seine Darstellung.
Teil I: Homo sapiens erobert die Welt
Dass politische Einheiten Fiktionen bzw. nur intersubjektive Wirklichkeit sind, scheint zwar ein alter Hut. Aber die Wirksamkeit von Fake News lässt sich durch die Tatsache, dass belegte Tatbestände und Fake News beide intersubjektive Wahrheiten sind, besser erklären. Dasselbe gilt für das Aufkommen vielfältiger Geschlechtsidentitäten, für den raschen Wandel von bestimmten Sexualverhalten als strafwürdig oder als akzeptierte Varianz (und umgekehrt).
Dennoch reibe ich mich an manchem.
Teil II: Homo sapiens gibt der Welt einen Sinn
Kapitel 4: Die Geschichtenerzähler
Harari schreibt über die Kongokonferenz 1884/85, die Europäer bemerkten in Afrika, dass die "Grenzen der geographischen [...] Wirklichkeit nicht gerecht wurden." (S.263/64) und fährt fort: "Als die schriftlichen Fantasien europäischer Bürokratien auf die afrikanische Wirklichkeit trafen, hatte sich die Wirklichkeit zu fügen." (S.265)
Nicht die geographische Wirklichkeit veränderte sich, sondern die intersubjektive Wirklichkeit erwies sich mittelfristig für die gesellschaftliche Wirklichkeit wichtiger als die objektiven geographischen Gegebenheiten. Doch selbst so intersubjektive Phänomen wie die Sprachgemeinschaften veränderten sich sich in über 100 Jahren so wenig, dass in vielen Staaten noch immer keine gemeinsame Sprache existiert und die Amtssprache nur sehr beschränkt Verständigung ermöglicht. Von objektiven Wirklichkeiten ganz zu schweigen.
Hararis Argumentation mit der Wirksamkeit von Abiturzeugnissen (S.268) ist angesichts des Streits über die Validität von Zeugnissen anderer Bundesländer etwas problematisch. Dass ein Promotionsurkunde zum Karrierehindernis werden kann, passt noch weniger in sein Bild.
Intersubjektive Wirklichkeiten lassen sich eben doch erschreckend schnell verändern, während die objektive Wirklichkeit auch der elegantesten Ableugnung nicht zu folgen pflegt.
Kapitel 5: Das seltsame Paar
Gott fälschen
Die klare Trennung zwischen moralischem Urteil, Tatsachenfeststellung und praktischer Anweisung [S.299] ist hilfreich. Die deutlichen Aussagen, zu denen er aufgrund dieser Trennung kommt, m.E. ebenfalls. Für mich bemerkenswert seine Bewertung der Zerstörung des jüdischen Tempels 70 n.Chr.: "Das traditionelle Judentum - ein Judentum der Tempel, der Priester und der Köpfe spaltenden Krieger - verschwand. An seine Stelle trat ein neues Judentum der Bücher, der Rabbiner und der Haare spaltenden Gelehrten." (S.304) - Wenn er als deren Hauptleistung die Interpretation (S.305) herausstellt, so stellt er sich als Historiker in ihre Tradition. Doch macht er damit klar, dass er nur selten Tatsachenfeststellungen machen kann und dass seine Hauptarbeit eben Interpretation ist.
[Freilich ist es recht mutig, zu behaupten, zur Zeit des babylonischen Talmud habe Interpretation und das Haare spalten keine große Rolle gespielt. Die Autoren des Talmud waren m.E. durchaus keine Exekutoren der mosaischen Gesetze, sondern sehr wohl mit umfassender Interpretation beschäftigt.]
"Der Religion geht es vor allem um Ordnung. Ihr Ziel ist es, eine Gesellschaftsstruktur zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Der Wissenschaft geht es in erster Linie um Macht. Sie will Macht erlangen, um Krankheiten zu heilen, Kriege zu führen und Nahrungsmittel zu produzieren. Als Individuen mag Wissenschaftlern und Priestern die Wahrheit ungeheuer wichtig sein; doch als Kollektivinstitutionen stellen Wissenschaft und Religion Ordnung und Macht über die Wahrheit. [...]
Die moderne Gesellschaft glaubt an humanistische Dogmen und nutzt die Wissenschaft nicht, um diese Dogmen infrage zu stellen, sondern um sie zu implementieren." (S.310)
Kapitel 6: Der moderne Pakt
"Die Moderne ist eine Übereinkunft. [...] Die Menschen stimmen zu, auf Sinn zu verzichten, und erhalten im Gegenzug Macht." (S.311)
"Ja, wir Modernen haben versprochen, im Austausch für Macht auf Sinn zu verzichten, aber es gibt niemanden da draußen, der uns auf unser Versprechen festnageln kann. Wir glauben, wir sind schlau genug, um alle Vorteile des modernen Deals zu genießen, ohne den Preis dafür zu zahlen." (S.315)
In diesem Abschnitt geht die Darstellung in Populärphilosophie über.
Auf S.332 kommt Harari auf den "ökologischen Kollaps" zu sprechen und schreibt "womöglich bedroht er die menschliche Zivilisation sogar in ihrer Existenz.
Diese Gefahr ließe sich verringern, wenn wir Fortschritt und Wachstum verlangsamen." (S.322)
Zu recht bemerkt er: "wenn es zur Katastrophe kommt, leiden die Armen fast immer mehr als die Reichen, auch wenn es zuallererst die Reichen waren, die die Tragödie verursacht haben." (S.335) Dass die Politiker nichts Ernsthaftes unternehmen, begründet er hier nicht damit, dass Ingenieure "eine Hightech-Arche für die Oberschicht bauen" könnten. Und den Armen sei die Gegenwart halt wichtiger als die Zukunft.
Kapitel 7 Die humanistische Revolution
Hier beginnt aus meiner Sicht Hararis Darstellung in Boulevardjournalismus zu verflachen. Treffend noch seine Beobachtung, moderne Menschen, die dem folgen, was er Humanismus nennt (also eine Anschauung, wonach nicht eine übermenschliche Autorität regiert, sondern die Menschen selbst sich als oberste Autorität verstehen). rechtfertigen Entscheidungen "im Namen menschlicher Gefühle und nicht im Namen heiliger Schriften und göttlicher Gebote." (S.350)
Wenn er dann aber drei "Sekten" (S.382), später spricht er von "Splittergruppen" (S.405) des Humanismus unterscheidet, den liberalen, den sozialistischen und den evolutionären Humanismus, dann fällt es mir schwer, das noch ernst zu nehmen. Seine historischen Kenntnisse lässt er hier offenkundig beiseite, um Pappkameraden aufzubauen.
"Religion und Technologie tanzen immer einen grazilen Tango. [...] sie hängen aneinander und können sich nicht zu weit von einander lösen. [...]Ohne religiöse Überzeugungen können die Lokomotiven nicht entscheiden, wohin die Reise geht." (S.414)
"[...] traditionelle Religionen [stellen] keine wirkliche Alternative zum Liberalismus
dar. In ihren Schriften findet man nichts über Gentechnologie [... sie ] sie begreifen
die jüngsten Errungenschaften in der Biologie [...] nicht." (S.425)
Teil III Homo sapiens verliert die Kontrolle (S.429 ff)
Kapitel 8 Die Zeitbombe im Labor
"Im Jahr 2016 wird die Welt vom liberalen Pakt aus Individualismus, Menschenrechten, Demokratie und freiem Markt beherrscht. Doch die Wissenschaft untergräbt die Grundfesten der liberalen Ordnung." (S.431)
Wer ist Ich? (S.445 ff)
Ausführlich referiert Harari Ergebnisse der Gehirnforschung, die gezeigt haben, dass Handlungsimpulse entstehen, bevor sie bewusst werden (was bei Reflexhandlungen oder bei gut eingeübten komplizierten Handlungen - etwa beim Klavierspielen - auch ohne Gehirnforschung zu studieren war) und erläutert, dass bei einer Trennung der beiden Gehirnhälften diese zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, um nachzuweisen, dass es keine
"einzige klare und authentische / Stimme [gibt] die mein wahres Selbst ist und die Quelle allen Sinns und jeglicher Autorität im Universum darstellt". (S.445/46)
Außerdem führt er den Unterschied vom "erlebenden Selbst" und dem "erinnernden Selbst" (S.450-58) an. So als ob nicht schon Paulus davon gesprochen hätte, dass er tut, was er nicht will (Römerbrief 7,15) und Goethes Faust nicht über die zwei Seelen in seiner Brust geklagt hätte. (Er selbst verweist darauf, dass das erinnernde Selbst Pläne schmiede, die vom erlebenden Selbst durchkreuzt werden.)
Die Manipulierbarkeit der Gehirnströme gilt ihm als Beweis, dass nur naturwissenschaftlich messbare Vorgänge ernst zu nehmen sind und kulturelle Einflüsse reine Ideologie. (S.433)
Kapitel 9 Die große Entkoppelung
"Es ist bezeichnend, dass schon heute die Mehrheit der Bürger in vielen asymetrischen Konflikten darauf reduziert wird, als menschliche Schutzschilde gegen hoch entwickelte Waffen zu fungieren." (S.475)
Wer ist Ich? (S.445 ff)
Ausführlich referiert Harari Ergebnisse der Gehirnforschung, die gezeigt haben, dass Handlungsimpulse entstehen, bevor sie bewusst werden (was bei Reflexhandlungen oder bei gut eingeübten komplizierten Handlungen - etwa beim Klavierspielen - auch ohne Gehirnforschung zu studieren war) und erläutert, dass bei einer Trennung der beiden Gehirnhälften diese zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, um nachzuweisen, dass es keine
"einzige klare und authentische / Stimme [gibt] die mein wahres Selbst ist und die Quelle allen Sinns und jeglicher Autorität im Universum darstellt". (S.445/46)
Außerdem führt er den Unterschied vom "erlebenden Selbst" und dem "erinnernden Selbst" (S.450-58) an. So als ob nicht schon Paulus davon gesprochen hätte, dass er tut, was er nicht will (Römerbrief 7,15) und Goethes Faust nicht über die zwei Seelen in seiner Brust geklagt hätte. (Er selbst verweist darauf, dass das erinnernde Selbst Pläne schmiede, die vom erlebenden Selbst durchkreuzt werden.)
Die Manipulierbarkeit der Gehirnströme gilt ihm als Beweis, dass nur naturwissenschaftlich messbare Vorgänge ernst zu nehmen sind und kulturelle Einflüsse reine Ideologie. (S.433)
Kapitel 9 Die große Entkoppelung
"Es ist bezeichnend, dass schon heute die Mehrheit der Bürger in vielen asymetrischen Konflikten darauf reduziert wird, als menschliche Schutzschilde gegen hoch entwickelte Waffen zu fungieren." (S.475)
Ein Blick auf Hararis weitere Überlegungen anhand des Wortlauts der Wikipedia:
"Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass organische Algorithmen Dinge tun können, die nicht-organische Algorithmen niemals besser könnten. Schließlich können die neuen Technologien des 21. Jahrhunderts das Individuum seiner Macht berauben und stattdessen nicht-menschliche Algorithmen damit betrauen. Die Folge wäre eine Masse nutzloser Menschen und eine kleine Elite optimierter Übermenschen.
Interessante Passagen:
Kurzfassung der Geschichte aus der Sicht der Datenverarbeitung (S.579f.)
"Wie der Kapitalismus begann auch der Dataismus als neutrale wissenschaftliche Theorie, doch nun mutiert er zu einer Religion, die für sich in Anspruch nimmt, über Richtig und Falsch zu bestimmen. (S.584)
"Eine wachsende Zahl künstlerischer und wissenschaftlicher Schöpfungen wird heute allerdings durch / die fortwährende Zusammenarbeit von allen produziert. Wer verfasst Wikipedia? Wir alle.
Das Individuum wird zu einem winzigen Chip in einem riesigen System, das niemand wirklich versteht." (S.590/91)
"So wie die Kapitalisten an die unsichtbare Hand des Marktes glauben, glauben Dataisten an die unsichtbare Hand des Datenflusses." (S.591)
"Die Menschen wollen im Datenfluss aufgehen, denn wenn sie Teil des Datenflusses sind, dann sind sie auch Teil von etwas Größerem als sie selbst. Traditionelle Religionen haben mir erklärt, jedes meiner Worte und jede meiner Taten sei Teil irgendeines großen kosmischen Plans und Gott beobachte mich jede Minute und kümmere sich um all meine Gedanken und Gefühle. Die Datenreligion sagt heute, dass jedes meiner Worte und jede meiner Handlungen Teil des großen Datenflusses ist, dass mich die Algorithmen ständig im Auge haben und dass sie sich um alles kümmern, was ich tue und empfinde. Die meisten Menschen sind darüber ausgesprochen glücklich." (S.591/92)
Harari beansprucht für sich freilich nicht, dass er Prognosen vorlege, sondern er zeige nur Möglichkeiten auf. (S.606)
Es geht ihm nicht um die Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten, sondern um die Entwicklung des Lebens "im Großen und Ganzen". (S.608)
Es geht ihm nicht um die Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten, sondern um die Entwicklung des Lebens "im Großen und Ganzen". (S.608)
sieh auch:
- 21 Lessons for the 21st Century
- Eine Visualisierung der raumzeitlichen Orte, über die die Wikipedia berichtet, in 100 Sekunden (Bis ins 19. Jahrhundert ist ein Wandel von der Orientierung auf Afrika und den fruchtbaren Halbmond über Eurozentrismus zu einer Konzentration auf die an den Nordatlantik angrenzenden Kontinente zu beobachten.)
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Über den europäischen Anteil an den Bränden im Amazonas im Brasilien Bolsonaros
"Oh nein! Ich will nicht, dass alles was ich sehe, fühle, höre – liebe, zerstört wird! Ich darf das nicht zulassen!
Haben wir die Entdeckung Amerikas gefeiert? Haben wir uns gefreut und die Entdeckung als Fortschritt gesehen? Ja!
Wir hätten weinen sollen, uns aufregen sollen, warum Columbus nicht wirklich nach Indien kam! Ist durch die Entdeckung nicht alles zerstört worden, die Kultur, die Sprache alles der Indianer und sie selbst sind ausgerottet worden! Wir haben das Jahr gefeiert! Hätte es nicht als Trauerjahr in die Geschichte eingehen sollen?
Amerika hätte nie entdeckt werden dürfen – zumindest erst, wenn wir dazu bereit gewesen wären."
Wir hätten weinen sollen, uns aufregen sollen, warum Columbus nicht wirklich nach Indien kam! Ist durch die Entdeckung nicht alles zerstört worden, die Kultur, die Sprache alles der Indianer und sie selbst sind ausgerottet worden! Wir haben das Jahr gefeiert! Hätte es nicht als Trauerjahr in die Geschichte eingehen sollen?
Amerika hätte nie entdeckt werden dürfen – zumindest erst, wenn wir dazu bereit gewesen wären."
(Tagebuchnotiz einer Dreizehnjährigen schon lange vor diesen Bränden)
Brilliant to see so many on the streets to support people of the Amazon, and send a clear message to Bolsanaro. But let's not forget that UK trade deals, and our choices as consumers, play a role in this too. #AmazonForest #LungsOfEarth
https://twitter.com/friends_earth/status/1164910670112067584
As we watch the Amazon burn, let's please remember that it didn't just happen because of Bolsanaro.
This wouldn't be possible without a global surge in soybean prices thanks to the trade war.
It's a DIRECT RESULT of choices made by America's farm country.
https://twitter.com/SarahTaber_bww/status/1164241125516959744
FAZ:
https://www.faz.net/aktuell/politik/feuer-in-brasilien-der-wald-brennt-auch-unseretwegen-16350138.html
FAZ:
https://www.faz.net/aktuell/politik/feuer-in-brasilien-der-wald-brennt-auch-unseretwegen-16350138.html
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Freitag, 23. August 2019
Tagebuch
Tagebuch mit Links und Denkanstößen
umfassendere Darstellung bei Wikipedia
darin: "Spezielle Tagebücher dienen nautischen (Logbuch) und militärischen (Kriegstagebuch) Zwecken. Medizinischen, psychologischen und pädagogischen Verwendungen dienen Schlaftagebuch, Traumtagebuch und Lesetagebuch"
Tagebucharchiv
dazu auch: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/im-tagebucharchiv-werden-erinnerungen-gesammelt-16339442.html
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darin: "Spezielle Tagebücher dienen nautischen (Logbuch) und militärischen (Kriegstagebuch) Zwecken. Medizinischen, psychologischen und pädagogischen Verwendungen dienen Schlaftagebuch, Traumtagebuch und Lesetagebuch"
Tagebucharchiv
dazu auch: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/im-tagebucharchiv-werden-erinnerungen-gesammelt-16339442.html
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Donnerstag, 22. August 2019
Monopoly oder das Vermieterspiel?
1974 wurde vom US Supreme Court "entschieden, dass Monopoly eine Kopie des seit 1904 im Umlauf befindlichen The Landlord's Game ist. Auf weitere, ebenfalls früher vorhandene Spiele mit selben Namen und Spielprinzip, wie etwa Atlantic City Monopoly (vor 1930) oder Finance (1932) wurde verwiesen. Magies Spiel erfuhr somit indirekt die Bestätigung, zumindest das älteste patentrechtlich belegte Spiel seines Genres zu sein."
Wikipedia: The Landlord's Game und Monopoly.
Wikipedia: The Landlord's Game und Monopoly.
Wieso brennt seit Wochen der größte Regenwald der Welt?
"[...] In drei Ländern brennt zur Zeit eine riesige Fläche des Amazonas. Der Rauch ist so stark, dass man ihn sogar aus dem Weltraum sehen kann. [...]
Hunderte Quadratkilometer Regenwald im Amazonasbecken brennen – in Brasilien sind es die schlimmsten Waldbrände seit Jahren. Schon am 9. August hat das Land deswegen den Notstand ausgerufen. Auch in Paraguay und Bolivien brennt Wald. [...] Die Auswirkungen des Brandes zeigen sich inzwischen nicht nur in den betroffenen Gebieten: In Sao Paolo verdunkelte sich am Montagnachmittag der Himmel – mitten am Tag sah es aus, als wäre es Nacht. Sao Paolo liegt etwa 2.000 Kilometer entfernt von den Bränden, starke Winde hatten den Rauch in die Stadt geweht.
Brasilien, Bolivien und Paraguay: In drei Ländern brennt zur Zeit eine riesige Fläche des Amazonas. Der Rauch ist so stark, dass man ihn sogar aus dem Weltraum sehen kann. Eine weitere Katastrophe, die bislang zu wenig beachtet wurde.
Hunderte Quadratkilometer Regenwald im Amazonasbecken brennen – in Brasilien sind es die schlimmsten Waldbrände seit Jahren. Schon am 9. August hat das Land deswegen den Notstand ausgerufen. Auch in Paraguay und Bolivien brennt Wald.
Die Auswirkungen des Brandes zeigen sich inzwischen nicht nur in den betroffenen Gebieten: In Sao Paolo verdunkelte sich am Montagnachmittag der Himmel – mitten am Tag sah es aus, als wäre es Nacht. Sao Paolo liegt etwa 2.000 Kilometer entfernt von den Bränden, starke Winde hatten den Rauch in die Stadt geweht. [...]
Wieso brennt es überhaupt im Amazonas?
Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wurden allein in Brasilien in diesem Jahr 72.843 Feuer registriert – eine neuer Rekord. Seit vergangenem Donnerstag seien 9.507 neue Brände dazu gekommen. Feuer während der Trockenperiode sind zwar normal, aber nicht diese Anzahl.
Die Trockenheit begünstigt die Brände zwar, sie ist aber nicht die Ursache. Reuters zufolge entstehen viele der Feuer durch Brandstiftung: Bauern wollen damit Weideflächen für ihre Rinder schaffen. Brasilien ist der größte Rindfleisch-Exporteur der Welt, in dem Land gibt es mehr Rinder als Menschen – und die brauchen Platz.
(https://utopia.de/amazonas-brand-feuer-brasilien-153138/)
Boykott des Freihandelsabkommens mit Mercosur?
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/amazonas-braende-europa-droht-bolsonaro-mit-boykott-und-blockade-16347572.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Hunderte Quadratkilometer Regenwald im Amazonasbecken brennen – in Brasilien sind es die schlimmsten Waldbrände seit Jahren. Schon am 9. August hat das Land deswegen den Notstand ausgerufen. Auch in Paraguay und Bolivien brennt Wald. [...] Die Auswirkungen des Brandes zeigen sich inzwischen nicht nur in den betroffenen Gebieten: In Sao Paolo verdunkelte sich am Montagnachmittag der Himmel – mitten am Tag sah es aus, als wäre es Nacht. Sao Paolo liegt etwa 2.000 Kilometer entfernt von den Bränden, starke Winde hatten den Rauch in die Stadt geweht.
Brasilien, Bolivien und Paraguay: In drei Ländern brennt zur Zeit eine riesige Fläche des Amazonas. Der Rauch ist so stark, dass man ihn sogar aus dem Weltraum sehen kann. Eine weitere Katastrophe, die bislang zu wenig beachtet wurde.
Hunderte Quadratkilometer Regenwald im Amazonasbecken brennen – in Brasilien sind es die schlimmsten Waldbrände seit Jahren. Schon am 9. August hat das Land deswegen den Notstand ausgerufen. Auch in Paraguay und Bolivien brennt Wald.
Die Auswirkungen des Brandes zeigen sich inzwischen nicht nur in den betroffenen Gebieten: In Sao Paolo verdunkelte sich am Montagnachmittag der Himmel – mitten am Tag sah es aus, als wäre es Nacht. Sao Paolo liegt etwa 2.000 Kilometer entfernt von den Bränden, starke Winde hatten den Rauch in die Stadt geweht. [...]
Wieso brennt es überhaupt im Amazonas?
Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wurden allein in Brasilien in diesem Jahr 72.843 Feuer registriert – eine neuer Rekord. Seit vergangenem Donnerstag seien 9.507 neue Brände dazu gekommen. Feuer während der Trockenperiode sind zwar normal, aber nicht diese Anzahl.
Die Trockenheit begünstigt die Brände zwar, sie ist aber nicht die Ursache. Reuters zufolge entstehen viele der Feuer durch Brandstiftung: Bauern wollen damit Weideflächen für ihre Rinder schaffen. Brasilien ist der größte Rindfleisch-Exporteur der Welt, in dem Land gibt es mehr Rinder als Menschen – und die brauchen Platz.
(https://utopia.de/amazonas-brand-feuer-brasilien-153138/)
Boykott des Freihandelsabkommens mit Mercosur?
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/amazonas-braende-europa-droht-bolsonaro-mit-boykott-und-blockade-16347572.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Arundhati Roy über die aktuelle Situation im Kaschmirkonflikt
"In dem 30 Jahre währenden Konflikt in der Region wurden geschätzte 70.000 Menschen getötet, Zivilisten genauso wie Milizionäre und Sicherheitskräfte. Tausende sind "verschwunden", Zehntausende haben die Folterkammern durchlaufen, die das Tal wie ein Netzwerk von kleinen Abu Ghraibs überziehen. Hunderte Teenager haben allein in den letzten Jahren ihr Augenlicht durch die Gummigeschosse verloren, die für das Sicherheits-Establishment inzwischen das Mittel der Wahl darstellen, wenn es um die Kontrolle von demonstrierenden Menschenmengen geht. [...]
Am 5. August verstieß die Regierung einseitig gegen die Grundbedingungen des Beitrittsabkommens von 1947, mit dem sich der ehemalige Fürstenstaat Jammu und Kaschmir Indien angeschlossen hat. Indiens Innenminister stellte im Parlament den Antrag, Artikel 370 der indischen Verfassung zu streichen, jenen Artikel, der festlegt, welche rechtlichen Verpflichtungen das Beitrittsabkommen für Indien mit sich bringt. Die Opposition fügte sich. Am nächsten Abend hatten sowohl das Oberhaus wie auch das Unterhaus den "Jammu and Kashmir Reorganization Act 2019" verabschiedet. Das Gesetz teilt den Bundesstaat in zwei Teile und nimmt der Region Jammu und Kaschmir ihren Sonderstatus – und damit das Recht auf eine eigene Verfassung und eine eigene Flagge. Indiens Bürger können fortan in ihrem neuen Herrschaftsbereich Land kaufen und sich dort niederlassen. Indiens reichster Industrieller, Mukesh Ambani von Reliance Industries, hat bereits mehrere "Offerten" in Aussicht gestellt. Man mag sich kaum vorstellen, was dies für die fragile Umwelt der Himalaya-Region von Ladakh und Kaschmir bedeuten mag, für das Land der riesigen Gletscher, der Bergseen und von fünf großen Flüssen. [...]
Gefahr wird aus vielen Richtungen kommen. Indiens einflussreichste Organisation ist die rechtsextreme hindu-nationalistische Organisation RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh, "Nationale Freiwilligenorganisation"). Zu den über 600.000 Mitgliedern zählen Narendra Modi und viele seiner Minister. Der RSS verfügt über eine trainierte Miliz, inspiriert von Mussolinis Schwarzhemden. Mit jedem neuen Tag bekommt der RSS alle Institutionen des indischen Staats fester in den Griff. In Wahrheit hat er den Punkt erreicht, wo er mehr oder weniger der Staat ist.
Die traditionellen Feinde des RSS sind Muslime, Christen und Kommunisten. Intellektuelle und Akademiker gelten auch als große Bedrohung.
Am 1. August wurde das ohnehin bereits drakonische "Gesetz zur Verhinderung gesetzeswidriger Aktivitäten" so ausgeweitet, dass als "terroristisch" künftig nicht nur Organisationen, sondern auch einzelne Personen gelten können. Der Zusatz erlaubt es der Regierung, jede beliebige Person ohne rechtsstaatliches Verfahren als Terroristen einzustufen. Welche Art Leute nun ins Visier rücken, wurde deutlich, als unser unheimlicher Innenminister Amit Shah im Parlament erklärte: "Es sind nicht Waffen, die den Terrorismus verursachen, die Wurzel des Terrorismus ist vielmehr die Propaganda, die zu seiner Verbreitung betrieben wird ... Und ich glaube nicht, dass ein Mitglied des Parlaments ein Problem damit hätte, wenn alle solchen Individuen zu Terroristen erklärt würden."
Mehrere von uns fühlten, wie uns seine kalten Augen direkt ansahen. Zu wissen, dass er in seinem Heimatstaat Gujarat als Hauptangeklagter in einer Reihe von Mordfällen im Gefängnis gesessen hat, machte die Sache nicht besser. Richter Brijgopal Harkishen Loya starb während des Verfahrens gegen Shah auf rätselhafte Weise, sein Nachfolger sprach Shah sehr rasch frei. [...]
"[...]
Wir sprachen über das neue Phänomen, dass Mobs Leute einkreisen, besonders Muslime, und sie zwingen, "Jai Shri Ram!" ("Sieg Lord Ram!", eine religiöse Hindu-Parole) zu rufen. Wenn Kaschmir von Sicherheitskräften besetzt ist, ist Indien vom Mob besetzt.
Der Freund sagte, er habe auch darüber nachgedacht, denn er fahre häufig auf der Autobahn aus Delhi heraus zu seiner Familie, die einige Stunden entfernt lebt. "Ich könnte ohne Weiteres angehalten werden", sagte er. "Dann musst du es rufen", sagte ich. "Du musst überleben." – "Das werde ich nicht", sagte er, "denn sie werden mich so oder so töten. Das haben sie auch mit Tabrez Ansari getan" – einem jungen Muslim, der im Juni gelyncht wurde.
Solche Gespräche führen wir in Indien, während wir darauf warten, dass Kaschmir sprechen wird. Und sprechen wird es ganz sicher. (Arundhati Roy: Paradies unter Hausarrest ZEIT Nr.35, 22.8.2019, S.6)
Den Kaschmirkonflikt kenne ich seit knapp 40 Jahren. In den Medien ist er - wie der Subkontinent Indien im Vergleich zu China überhaupt - in erstaunlichem Maße aus dem Blick geraten. (Leider auch bei mir.) Roy leistet also einen wichtigen Beitrag, dafür dass bei uns im Westen wieder besser bemerkt wird. Und sie tut es unter großem persönlichen Risiko.
Man kann nur hoffen, dass ihre Bekanntheit sie schützt.
Auch über den Jemenkrieg erfahren wir zu wenig. Das liegt aber nicht an fehlendem Einsatz der Medien, sondern an aktivem Bemühen der Kriegsparteien, Informationen nicht aus dem Land zu lassen.
Am 5. August verstieß die Regierung einseitig gegen die Grundbedingungen des Beitrittsabkommens von 1947, mit dem sich der ehemalige Fürstenstaat Jammu und Kaschmir Indien angeschlossen hat. Indiens Innenminister stellte im Parlament den Antrag, Artikel 370 der indischen Verfassung zu streichen, jenen Artikel, der festlegt, welche rechtlichen Verpflichtungen das Beitrittsabkommen für Indien mit sich bringt. Die Opposition fügte sich. Am nächsten Abend hatten sowohl das Oberhaus wie auch das Unterhaus den "Jammu and Kashmir Reorganization Act 2019" verabschiedet. Das Gesetz teilt den Bundesstaat in zwei Teile und nimmt der Region Jammu und Kaschmir ihren Sonderstatus – und damit das Recht auf eine eigene Verfassung und eine eigene Flagge. Indiens Bürger können fortan in ihrem neuen Herrschaftsbereich Land kaufen und sich dort niederlassen. Indiens reichster Industrieller, Mukesh Ambani von Reliance Industries, hat bereits mehrere "Offerten" in Aussicht gestellt. Man mag sich kaum vorstellen, was dies für die fragile Umwelt der Himalaya-Region von Ladakh und Kaschmir bedeuten mag, für das Land der riesigen Gletscher, der Bergseen und von fünf großen Flüssen. [...]
Gefahr wird aus vielen Richtungen kommen. Indiens einflussreichste Organisation ist die rechtsextreme hindu-nationalistische Organisation RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh, "Nationale Freiwilligenorganisation"). Zu den über 600.000 Mitgliedern zählen Narendra Modi und viele seiner Minister. Der RSS verfügt über eine trainierte Miliz, inspiriert von Mussolinis Schwarzhemden. Mit jedem neuen Tag bekommt der RSS alle Institutionen des indischen Staats fester in den Griff. In Wahrheit hat er den Punkt erreicht, wo er mehr oder weniger der Staat ist.
Die traditionellen Feinde des RSS sind Muslime, Christen und Kommunisten. Intellektuelle und Akademiker gelten auch als große Bedrohung.
Am 1. August wurde das ohnehin bereits drakonische "Gesetz zur Verhinderung gesetzeswidriger Aktivitäten" so ausgeweitet, dass als "terroristisch" künftig nicht nur Organisationen, sondern auch einzelne Personen gelten können. Der Zusatz erlaubt es der Regierung, jede beliebige Person ohne rechtsstaatliches Verfahren als Terroristen einzustufen. Welche Art Leute nun ins Visier rücken, wurde deutlich, als unser unheimlicher Innenminister Amit Shah im Parlament erklärte: "Es sind nicht Waffen, die den Terrorismus verursachen, die Wurzel des Terrorismus ist vielmehr die Propaganda, die zu seiner Verbreitung betrieben wird ... Und ich glaube nicht, dass ein Mitglied des Parlaments ein Problem damit hätte, wenn alle solchen Individuen zu Terroristen erklärt würden."
Mehrere von uns fühlten, wie uns seine kalten Augen direkt ansahen. Zu wissen, dass er in seinem Heimatstaat Gujarat als Hauptangeklagter in einer Reihe von Mordfällen im Gefängnis gesessen hat, machte die Sache nicht besser. Richter Brijgopal Harkishen Loya starb während des Verfahrens gegen Shah auf rätselhafte Weise, sein Nachfolger sprach Shah sehr rasch frei. [...]
"[...]
Wir sprachen über das neue Phänomen, dass Mobs Leute einkreisen, besonders Muslime, und sie zwingen, "Jai Shri Ram!" ("Sieg Lord Ram!", eine religiöse Hindu-Parole) zu rufen. Wenn Kaschmir von Sicherheitskräften besetzt ist, ist Indien vom Mob besetzt.
Der Freund sagte, er habe auch darüber nachgedacht, denn er fahre häufig auf der Autobahn aus Delhi heraus zu seiner Familie, die einige Stunden entfernt lebt. "Ich könnte ohne Weiteres angehalten werden", sagte er. "Dann musst du es rufen", sagte ich. "Du musst überleben." – "Das werde ich nicht", sagte er, "denn sie werden mich so oder so töten. Das haben sie auch mit Tabrez Ansari getan" – einem jungen Muslim, der im Juni gelyncht wurde.
Solche Gespräche führen wir in Indien, während wir darauf warten, dass Kaschmir sprechen wird. Und sprechen wird es ganz sicher. (Arundhati Roy: Paradies unter Hausarrest ZEIT Nr.35, 22.8.2019, S.6)
Den Kaschmirkonflikt kenne ich seit knapp 40 Jahren. In den Medien ist er - wie der Subkontinent Indien im Vergleich zu China überhaupt - in erstaunlichem Maße aus dem Blick geraten. (Leider auch bei mir.) Roy leistet also einen wichtigen Beitrag, dafür dass bei uns im Westen wieder besser bemerkt wird. Und sie tut es unter großem persönlichen Risiko.
Man kann nur hoffen, dass ihre Bekanntheit sie schützt.
Auch über den Jemenkrieg erfahren wir zu wenig. Das liegt aber nicht an fehlendem Einsatz der Medien, sondern an aktivem Bemühen der Kriegsparteien, Informationen nicht aus dem Land zu lassen.
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Mittwoch, 21. August 2019
Schma Jisrael - Höre Israel!
"4 Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig.
5 Darum sollst du den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.
6 Und diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen.
7 Du sollst sie deinen Kindern wiederholen. Du sollst sie sprechen, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst.
8 Du sollst sie als Zeichen um das Handgelenk binden. Sie sollen zum Schmuck auf deiner Stirn werden.
9 Du sollst sie auf die Türpfosten deines Hauses und in deine Stadttore schreiben. "
"Das Schma Jisrael ist der älteste Ausdruck jüdischen Selbstverständnisses. Der erste Satz proklamiert die Einheit und Einzigkeit Gottes. In den rezitierten Toraabschnitten werden mehrere für die Glaubenspraxis wichtige Gebote angesprochen:
- das tägliche Rezitieren des Schma Jisrael selbst,
- das Anlegen der Tefillin (Gebetsriemen),
- die Zizijot (Schaufäden),
- die Mesusot (Kapseln an den Türpfosten),
- die Weitergabe der Gebote an die nächste Generation."
(Wikipedia: Schma Jisrael)
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