Freitag, 26. Juli 2024

Mythen über unser Gehirn

   5 Mythen aufgedeckt schon 2022 von Bent Freiwald 

Mythos 1: Wir benutzen nur 10 Prozent unseres Gehirns++ Nope. Wenn du gesund bist, nutzt du 100 Prozent deines Gehirns. Ein möglicher Ursprung des Irrtums sind zwei Harvard-Psychologen, die in den 1890er Jahren mit dem Wunderkind William Sidis gearbeitet haben.

Die Psychologen schlussfolgerten, Menschen würden offensichtlich nur einen Bruchteil ihres vollen geistigen Potenzials ausschöpfen. Hunderte Jahre später kamen MRT und EEG und andere bildgebende Verfahren und fanden: nichts. Jedenfalls nichts, das diese These unterstützen würde und schon gar keine 90 Prozent des Gehirns, die inaktiv vor sich hin warten.

Mythos 2: Menschen haben einen von vier unterschiedlichen Lerntypen++ Nope. Immer wieder höre ich das von Freund:innen, und sogar von Lehrer:innen. Jeder Mensch bevorzuge demnach entweder das visuelle, auditive, lesende und schreibende oder kinästhetische Lernen.

Das Problem: Fast alle Studien, die angeblich Beweise für diese Lernstile liefern, sind wissenschaftlich wahnsinnig schwach. Zu diesem Ergebnis kommt eine Vergleichsstudie nach der nächsten. Zum Beispiel diese hier und das bereits 2009:

Das Beharren auf den Lernstilen kann sogar schädlich sein, wenn Schüler:innen dadurch in eine Schublade gesteckt werden und das Gefühl haben, dass sie für Lernformen, die nicht zu ihrem Lernstil passen, nicht geeignet sind.

Viel besser: möglichst verschiedene Reize setzen, damit sich die verschiedenen Gehirnregionen miteinander verbinden.

Mythos 3: Wenn wir schlafen, schaltet unser Gehirn ab++ Nope. Das ist so falsch, dass ich das gar nicht ausführlich begründen muss. Früher gab es noch keine MRTs oder EEGs. Niemand konnte das Gehirn beim Schlafen beobachten. Heute ist das anders.

Unser Gehirn dreht praktisch durch, wenn wir schlafen. Der visuelle Kortex feuert und feuert (sonst würden wir gar nicht träumen). Wer tiefer einsteigen will: Niedrigschwellige Bücher zum Thema Schlaf sind "Why We Sleep" von Matthew Walker und "Livewired" von David Eagleman.

Mythos 4: Bei einigen von uns ist die rechte Hirnhälfte dominant, bei anderen die linke – deshalb lernen wir auch anders!++ Nope. Die linke und die rechte Gehirnhälfte arbeiten zusammen, permanent.

Mythos 5: "Ich kann halt einfach gut multitasken!"++ Nope, kannst du nicht. Das Gehirn kann sich nicht gleichzeitig mit zwei oder sogar mehr aufmerksamkeitsstarken Reizen beschäftigen. Multitasking gibt es nicht.

Studien liefern vor allem zwei wichtige Erkenntnisse. Erkenntnis 1: Wenn du mehrere Aufgaben gleichzeitig machst, leidet immer eine der beiden Aufgaben. Du erfüllst die Aufgaben gleichzeitig nie so erfolgreich, wie wenn du sie nacheinander erfüllen würdest.

An diese Erkenntnis sollte sich jeder erinnern, der beim Autofahren telefoniert – und sei es nur über die Fernsprechanlage. Wenn wir uns auf das Gespräch konzentrieren, leidet darunter immer (!) die Konzentration auf den Straßenverkehr.

Erkenntnis 2: Wenn wir multitasken, speichern wir Dinge schlechter ab. Wer in der Vorlesung sitzt und daddelt, kann also tatsächlich gleich zuhause bleiben.

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