https://www.zeit.de/2021/35/
Während Merkels Zeit als Kanzlerin hat sich gewissermaßen die Fließrichtung unserer Gesellschaft verändert. Früher, vielleicht bis Mitte der 2010er-Jahre, lief es gut, es sei denn, es passierte irgendwas Dramatisches. Mittlerweile läuft das Land immer tiefer in Krisen, nicht nur in die Klimakrise – wenn nichts Dramatisches passiert.
Auch die Corona-Krise zeigte der Öffentlichkeit zwischendurch eine fast verzweifelte Kanzlerin, die nicht mehr vermochte, die am Tisch sitzenden Interessen, die sie in ihrer Kanzlerschaft groß und größer hat werden lassen, noch mit den wissenschaftlichen Notwendigkeiten zusammenzubringen. Schließlich brach noch Afghanistan über Merkel herein wie ein bitterer Kommentar zu den Kehrseiten ihrer großen Kanzlerschaft: Da fiel die Kultur des Zu-Spät mit der Kultur des Zu-Wenig auf tragische Weise zusammen.
Merkel hätte ihre Methode ändern müssen, von schöpferischer Krisenbewältigung zu entschlossener Krisenprävention. Allerdings stand ihr dabei ausgerechnet ihr Erfolgsrezept im Weg: die vorhandenen Interessen erkennen und sich selbst zur Agentin ihrer logischen Schnittmenge machen. Die gegebenen Interessen sind halt selten auch die künftigen.
Auch das ist dann eben ein Ergebnis von 16 Jahren eines guten Menschen im Kanzleramt: Die Grundlagen für ein gutes menschliches Leben und damit die materiellen Voraussetzungen für die Demokratie sind tatsächlich in Gefahr.[...]"
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