Klimawandel: Wettlauf gegen die Zeit, ZEIT 19.8.2021
"Hitzewellen, Sturzregen, Trockenheit – die Folgen des Klimawandels bedrohen Europas Städte. Sie müssen sich radikal verändern, um lebenswert zu bleiben. Nur wie?"
Vorbild Rotterdam: Seit 2008 Umstellung:
"2008 beschloss die Stadt deshalb, "100 Prozent klimasicher" zu werden. In ganz Rotterdam entstanden seither neue Bauwerke. Besonders stolz ist man auf die Idee, große Plätze in Regenauffangbecken zu verwandeln: Die Stadt schuf den weltersten "Wasserplatz". Bei starkem Regen läuft das tiefergelegte Areal voll wie ein Pool, an allen anderen Tagen fahren dort Jugendliche Skateboard. Die Klimaprojekte sollen den 650.000 Einwohnern das Gefühl vermitteln, etwas zu gewinnen. Nicht obwohl, sondern weil sich ihre Stadt dem Klimawandel anpasst. [...]Besser also, Städte so zu planen, dass sie sich selbst klimatisieren. Nicht nur durch grüne Dächer. Kletterpflanzen, die an Fassaden ranken, schützen vor Sonneneinstrahlung und kühlen die Luft ab, indem sie Wasser verdunsten. Eine Untersuchung zweier Häuser in Hamburg ergab, dass die Fassade eines begrünten Hauses um 16 Grad kühler war als die eines Ziegelhauses.
Der Nutzen natürlicher Kühlsysteme wäre groß: Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass sich das Risiko der Hitzebelastung durch "weitreichende Anpassung", also etwa grüne Städte oder Hitzeaktionspläne, von hoch auf mittel bis gering senken lässt. Nur wenige andere Klimarisiken sind nach Einschätzung der Behörde so gut zu bekämpfen wie die Hitzebelastung, auch wenn dafür weniger als zehn Jahre Zeit bleiben.
Es gibt bei der Klimaanpassung also etwas zu gewinnen. Das weiß auch Hans Pape – er hat die Anpassung zum Geschäft gemacht. Sein Unternehmen mit Sitz im niedersächsischen Selsingen stellt spezielle Mischungen aus Sanden, Steinen und Kiesen her, die auf Fuß- und Radwegen, auf Parkplätzen und Schulhöfen verlegt werden. Knapp die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland ist bisher versiegelt. Hans Pape entsiegelt einen Teil davon wieder.
Auf den ersten Blick sehen seine Baustoffe aus wie gewöhnlicher Schotter. Aber sie können mehr: Sie nehmen Wasser auf, sodass sich bei Regen kaum Pfützen bilden, und leiten es langsam in den Boden ab. Anders als unter Asphalt können sich Baumwurzeln darunter ausbreiten. "Wir bringen die Stadt zum Atmen", sagt Pape. [...]
Wie viel die Klimaanpassung in Deutschland kosten wird, lässt das Umweltministerium gerade berechnen. Die Vereinten Nationen schätzen die weltweiten Kosten um 2030 auf jährlich 140 bis 300 Milliarden Dollar.
Patrick Verkooijen, der Chef des Global Center on Adaptation, sagt, man müsse Klimaanpassung als Investition sehen. Um zu verstehen, was sie bewirken kann, brauche man nur nach Bangladesch zu schauen. Dort tötete ein Zyklon 1970 eine halbe Million Menschen. Bangladesch reagierte auf die Katastrophe, indem es seine Warnsysteme verbesserte und Mangrovenwälder vor der Küste aufforstete, die bei Tropenstürmen wie Wellenbrecher wirken. 2020 starben durch einen ähnlich starken Zyklon noch 26 Menschen. Wenn ein armes Land wie Bangladesch sich schützen könne, sagt Verkooijen, schaffe Europa das erst recht." (Hervorhebungen von Fontanefan)
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