In der Flüchtlingsfrage hat das Unglück vor Lampedusa und der Appell des Papstes ein Umdenken in der Öffentlichkeit bewirkt. Die Politiker gaben nur Lippenbekenntnisse ab und änderten nichts und wenn, dann nur etwas zum Schlechteren. Von "Mare Nostrum" zu "Triton".
Jetzt scheint das Umdenken bei den Politikern in Handlungen zu münden, freilich sehr zaghaften.
Ein Umdenken gab es in Fragen der sexuellen Orientierung. War früher ausgeübte Homosexualität beim männlichen Geschlecht über den §175 gleich strafbewehrt, egal ob unter Erwachsenen oder zwischen Erwachsenen und Kindern, so kann man heute stolz darauf sein, homosexuell zu sein, wer aber pädosexuell ist, dem gilt kein Mitgefühl, auch wenn er große Anstrengungen unternimmt, seine Veranlagung nicht auszuleben, wo doch jedwede andere Spielart von Veranlagung - auch solche, die bis vor wenigen Jahren noch völlig unbekannt waren - vollen Respekt zu genießen scheint.
Konnte nach 1966 der Bundesgerichtshof der Ehemann von seiner Ehefrau fordern, dass sie bei der Erfüllung ihrer "ehelichen Pflichten" "keine Gleichgültigkeit zur Schau" trage, so kann seit 1997 ein Ehemann, der - unter Ausnutzung einer ökonomischen Abhängigkeit seiner Frau oder durch sonstigen Druck ehelichen Beischlaf als sein Recht einfordert, wegen Vergewaltigung in der Ehe bestraft werden.
Oskar Gröning war in der Nachkriegszeit noch in einem Prozess gegen einen SS-Mann von Auschwitz "als Zeuge geladen". Hatte er noch 1985 gegen Holocaustleugnung mit einem deutlichen "Ich habe alles gesehen" protestiert, so wird ihm heute der Prozess gemacht, weil er zwar nicht unmittelbar an der Tötung von Menschen beteiligt, aber Teil der Maschinerie war, die 300 000 Menschen zu Tode brachte. Denn die Justiz hat seit dem Prozess gegen John Demjanjuk 2011 umgedacht und rechnet auch indirekte Beteiligung als Schuld an.
So rasch denken wir um. Aber selten gestehen wir anderen das Recht zu, langsamer im Umdenken zu sein. - Zu Recht oder zu Unrecht?
Geradezu Schallgeschwindigkeit im Umdenken hat Angela Merkel entwickelt. Als Umweltministerin machte sie zaghafte Schritte auf dem Weg zum Umweltschutz. In der Opposition machte sie sich stark für den Ausstieg aus dem Atomausstieg. In der Regierung setzte sie diesen Ausstieg um. Nach Fukushima machte sie eine Kehrtwende und trat für den Atomausstieg ein. Jetzt tut sie aber alles, um die Konkurrenz von nachhaltiger Energieherstellung zu stärken. Von Energiewende keine Spur. Die Emissionszertifikate, die die fossile Energie auf sanftem Wege weniger rentabel machen sollten, lässt sie zu Minimalpreisen verschleudern. Kohlekraftwerke mit einem Höchstmaß an CO2-Ausstoß schützt sie vor Kritikern und selbst äußerst zaghafte Versuche, wenigstens die exzessivsten Dreckschleudern abzuschalten, genießen bei ihr keinerlei Unterstützung.
Was wird es nützen, wenn sie - nachdem die letzte Chance für eine selbstbestimmte Energiewende vertan ist - in einer neuen Kehrtwende beklagen wird, dass ihr Energiewendekurs leider nicht genügend Unterstützung erfahren habe?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen