Sonntag, 19. April 2015

Frontiers - Landnahme im 19. Jahrhundert

"Das extreme Gegenteil der Stadt ist im 19.Jahrhundert nicht länger das 'Land', die Lebenssphäre der erdgebundenen Ackerbauern.
Es ist die Frontier [...] : die bewegliche Grenze der Ressourcenerschließung. Sie wird in Räume vorangetrieben, die selten so 'leer' sind,  wie die Aktivisten der Expansion sich und anderen einreden. Aus der Sicht derer, auf die sich die Frontier zubewegt, ist sie die Speerspitze einer Invasion. [...]
Beide, Stadt wie Frontier, haben aber auch etwas gemeinsam: Sie sind die großen Wanderungsmagneten des 19. Jahrhunderts. Als die Räume erträumter Möglichkeiten ziehen sie Migranten an wie nichts sonst in der Epoche. Gemeinsam ist der Stadt wie der Grenze die Durchlässigkeit und Formbarkeit der sozialen Verhältnisse. Wer nichts hat, aber einiges kann, mag es hier zu etwas bringen." (S.465)
"Das 20. Jahrhundert ist insgesamt gekennzeichnet durch intensivere, also weniger raumgreifende Nutzung von Potenzialen. Die Zerstörung tropischer Regenwälder sowie die Überfischung der Meere setzen allerdings das frühere Muster extensiver Ausbeutung auch noch in einem Zeitalter fort, [...]" (S.466)
Osterhammel lenkt in diesem Kontext verständlicherweise seinen Blick nicht auf die noch ausgreifendere Zerstörung menschlicher Lebensgrundlagen, wie sie von der Nutzung fossiler Energien und recyclingarmen Nutzung von Rohstoffen im 20. und 21. Jahrhundert weltweit geschieht. Dazu Naomi Klein
"Daneben gingen vergleichbare Prozesse etwa auch von Chinesen und einigen Völkern im tropischen Afrika aus. Migrationsbewegungen zur burmesischen Reisgrenze oder zur plantation frontier [vgl. dazu das Beispiel Jamaika; F.] in anderen Teilen Südostasiens waren eine Folge neuer Exportchancen auf internationalen Märkten. Mit der landnehmenden Kolonisierung verbanden sich extrem unterschiedliche Erfahrungen, die sich auch in der Geschichtsschreibung spiegeln. Auf der einen Seite standen die aktiven Kolonisten, die mit ihren Wagentrecks - so verstanden sie sich selbst - in die 'Wildnis' hinauszogen, dort neben ihrer Viehwirtschaft 'herrenloses' Land urbar machten und die Errungenschaften der 'Zivilisation' einführten." (S.466)
"Bereits James Fenimore Cooper [...] hatte in seinen Lederstrumpf-Romanen [...] die Tragik des indianischen Untergangs beschworen. In die amerikanische Geschichtsschreibung fand eine solch düstere Sicht erst im frühen 20. Jahrhundert vereinzelt Eingang." (S.467)
"Wer nicht rücksichtslos verfolgt wurde, den unterzog man Prozeduren der 'Zivilisierung', die auf der völligen Entwertung der traditionellen einheimischen Kultur beruhten. In diesem Sinne entstanden bereits im 19. Jahrhundert jene 'traurigen Tropen', über die Claude Levi-Strauss 1955 bewegend geschrieben hat." (S.468)
Nach 1945: "Die beginnende Anerkennung von außen schuf den betroffenen Minderheiten auch neue Möglichkeiten der eigenen Identitätsbildung. An der Grundtatsache der Marginalisierung ihrer Lebensformen ließ sich jedoch nichts mehr ändern." (S.468)
"Der junge Historiker Frederick Jackson Turner prägte ihn 1893 in einem Vortrag, der wahrscheinlich bis heute der einflussreichste Text der amerikanischen Geschichtsschreibung ist. Turner sprach von einer 'Frontier', die sich immer weiter von Ost nach West vorangeschoben habe und in seiner Gegenwart zum Stillstand und Ende (closure) gekommen sei." (S.469)
"McNeill sieht die Frontier als ambivalent: zum einen durchaus als politische und kulturelle Bruchlinie, zum anderen aber auch als Öffnung von Freiräumen, wie sie die stärker strukturierten Gesellschaften stabil besiedelter Kernzonen nicht zuließen. Zum Beispiel war die Stellung der Juden, die oft in Grenzgebieten siedelten, deutlich besser als unter weniger flüssigen Verhältnissen.
[...]
Eine Frontier ist ein sich großräumig, also nicht bloß lokal begrenzt manifestierender Typus einer prozesshaften Kontaktsituation, in der auf einem angebbaren Territorium (mindestens) zwei Kollektive unterschiedlicher ethnischer Herkunft und kultureller Orientierung meist unter Anwendung oder Androhung von Gewalt Austauschbeziehungen miteinander unterhalten, die nicht durch eine einheitliche und überwölbende Staats- und Rechtsordnung geregelt werden. Eines dieser Kollektive spielt die Rolle des Invasoren. Das primäre Interesse seiner Mitglieder gilt der Aneignung und Ausbeutung von Land und/oder anderen natürlichen Ressourcen. [...] Der Siedler ist weder Soldat noch Beamter. Die Frontier ist ein manchmal lange andauernder, doch prinzipiell flüchtiger Zustand von hoher sozialer Labilität." (S.471)
"Auf der Seite der Invasoren werden je nach Bedarf drei Rechtfertigungsmuster einzeln oder in Kombination herangezogen:
• das Recht des Eroberers, das eventuell vorhandene Besitzrechte der anderen Seite für nichtig erklärt;
• die schon bei den Puritanern des 17. Jahrhunderts beliebte Doktrin der terra nullius, welche Land, das von Jägern und Sammlern oder von Hirten bevölkert ist, als 'herrenlos', frei akquirierbar und kultivierungsbedürftig betrachtet;
• die oft erst später als sekundäre Ideologisierung hinzukommende Vorstellung eines zivilisierenden Missionsauftrags gegenüber den 'Wilden'." (S.472)
"Frontiers können sich nur dort über die erste Invasionsphase hinaus halten, wo, erstens, keine klaren Territorialgrenzen Invasionen und Frontier-Prozesse (borders) gezogen werden und wo, zweitens, die Durchstaatlichung rudimentär oder lückenhaft bleibt. Von der Warte der Frontier ist der 'Staat' verhältnismäßig fern. Die Grenzen von Imperien sind typischerweise Frontiers, doch sie sind es nicht immer. Sobald Imperien nicht länger expandieren, sind Frontiers, sofern es sie noch gibt, keine Zonen potenzieller Einverleibung, sondern eher offene Flanken in der Sicherung vor äußeren Bedrohungen." (S.472/73)
"Im britischen Empire des 19.Jahrhunderts war die Nordwestgrenze Indiens eine solche neuralgische Verteidigungszone, die besondere Arten der Kriegführung. an erster Stelle mountain warfare mit leichter Bagage in unübersichtlichem Gelände, erforderlich machte; die Russen im Kaukasus und die Franzosen in Algerien führten ähnliche Grenzkriege. Im Unterschied dazu bot die Nordgrenze Britisch-Indiens keine Sicherheitslücke dieser Art. Sie war eher eine in umständlichen Verhandlungen zwischenstaatlich vereinbarte Staatengrenze, also border. nicht frontier. [...]
Dort, wo zwei oder mehrere Kolonialmächte mit ihren modernen Begriffen von territorialer Staatlichkeit sich Gebiete streitig machten, sollte man nicht von Frontiers, sondern von 'Grenzländern' sprechen. Nach einem von dem Turner-Schüler Herbert Eugene Bolton vorgeschlagenen Konzept versteht man unter solchen borderlands 'umstrittene Grenzgebiete zwischen kolonialen Sphären'. In solchen borderlands hatten die Einheimischen andere Handlungsmöglichkeiten als an einer Frontier, konnten sie doch in gewissem Maße die rivalisierenden Invasoren gegeneinander ausspielen und die verschiedenen Grenzlinien überqueren. Sobald aber einmal eine Einigung zustande gekommen war, ging sie auf Kosten der Lokalbevölkerung. Im Extremfall wurden ganze Völker über die Grenze deportiert, oder es wurden Transfers ausgehandelt, so schon im 18. Jahrhundert an der Grenze zwischen dem Zarenreich und dem Qing-Imperium." (S.473)
"Frontiers sind stets turbulent und stellen daher unweigerlich eine Bedrohung für das dar, was für das Imperium in der Zeit nach der Eroberungsphase das höchste aller Güter sein muss: Ruhe und Ordnung. [...] Die interessanteste neue Bedeutung, die der Frontier-Begriff in der letzten Zeit gewonnen hat, ist die ökologische. [...] Man kann allgemeiner von Frontiers extraktiver Ressourcenausbeutung sprechen. Hier geht es um ökonomische, aber zur gleichen Zeit auch um ökologische Zusammenhänge. [...] Man kann nicht über Frontiers sprechen und dabei von Ökologie schweigen." (S.474)
Überschreitung und Verstaatlichung
"(1) Als 'Transfrontier-Prozesse' bezeichnet man Bewegungen von Gruppen über ökologische Grenzen hinaus. Ein gutes Beispiel dafür sind die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts auftretenden Treckburen in Südafrika. Als fruchtbare und leicht zu bewässernde Böden am Kap knapp wurden, gaben viele afrikaanssprachige Weiße eine intensive Landwirtschaft europäischen Stils auf und übernahmen eine semi-nomadische Lebensweise. Einige von ihnen, man schätzt ein Zehntel, schlossen sich afrikanischen Gemeinschaften an. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bildeten Leute gemischter Abstammung als griquas ihre eigenen Sozialverbände, Städte und sogar staatsähnliche Strukturen (Griqualand East und West). Auch in Südamerika traten solche transfrontiersmen auf, allerdings nicht unter Mangelbedingungen, sondern dort, wo ein Überfluss an Tieren die Jagd auf Vieh und Pferde erlaubte. Sonst aber bestanden große Ähnlichkeiten zwischen Afrika und Amerika, vor allem waren diese grenzüberschreitenden Gemeinschaften im Binnenland von außen so gut wie nicht regierbar. [...]
(2) Die Verstaatlichung von Frontiers: [...] Der allgemeinste Beitrag von Regierungen zur Frontier- Kolonisation lag schon in der frühen Neuzeit darin, dass sie die faktische Okkupation von Land pauschal legalisierten und dabei gleichzeitig die Eigentumsansprüche der Einheimischen rundweg
bestritten." (S.476)
Wilder Westen in Nordamerika
"So war der kalifornische Goldrausch die größte zusammenhängende Migrationsbewegung in der Geschichte der USA. Allein im Jahr 1849 strömten 80000 Menschen nach Kalifornien, 1854 lebten dort 300 000 Weiße. Eine ähnliche Dimension hatte 1858 der weniger bekannte gold rush nach Colorado. [...] Die Region der eigentlichen Frontier lag also zwischen einer seit langem dynamischen Ostküste und einem aus anderen Ursachen wirtschaftlich aufstrebenden Landesteil am anderen maritimen Rand des Kontinents. Sie war buchstäblich eine 'Mitte'. (S.478)
"Die Franzosen hatten im 18.Jahrhundert viel mehr als Engländer und Schotten eine Art von modus vivendi mit den Indianern erreicht. Auch im Verhältnis von Spaniern und Pueblos im heutigen New Mexico war es unter den Bedingungen eines ungefähren Machtgleichgewichts zu einer langfristig stabilen frontier of inclusion gekommen. Dies wiederholte sich im Machtbereich der USA nicht. Die charakteristische Form der Behandlung der Einheimischen [...] war das Reservat. [...] Nach dem Bürgerkrieg und vollends nach dem Ende der Indianerkriege in den 1880er Jahren wurde das System zahlreicher verstreuter Sondergebiete zur allgemein praktizierten Norm. An keiner anderen Frontier - gewisse Ähnlichkeiten bestehen mit dem Homeland-System im Südafrika des 20. Jahrhunderts - erlangte diese umzingelnde Ausgrenzung der Urbevölkerung eine ähnliche Bedeutung. [...]
Als wissenschaftliches Konzept wie als populärer Mythos war die Frontier schon lange, bevor Turner ihr einen Namen gab, das große integrierende Thema einer nationalen Geschichtskonstruktion." (S.479)
"Die Erschließung des Westens wurde und wird als die spezifisch nordamerikanische Form der Nationsbildung gesehen. Integrierend wirkt das Thema auch deshalb, weil nahezu jede nordamerikanische Region irgendwann einmal in ihrer Geschichte ein 'Westen' gewesen ist." (S.480)
"Mit süd- oder ostasiatischen Augen gesehen, werden amerikanische Eigenarten noch deutlicher: grenzenlose Verwunderung angesichts eines solchen Überflusses an fruchtbarem Land. In vielen Teilen Asiens waren bereits um 1800 fast alle hochproduktiven Gegenden besiedelt und genutzt und die Landreserven aufgebraucht." (S.481)
Indianer
"Wie zuvor schon in der Karibik, in Mittel- und Südamerika, so nahm auch die Zahl der nordamerikanischen Ureinwohner als Folge der europäischen Invasion deutlich ab. Der generelle Vorwurf eines weißen Genozids an den Indianern ist übertrieben. Gewiss wurden aber einige amerikanische Ethnien ausgelöscht, und es gab dramatische regionale Einbrüche, an erster Stelle in Kalifornien. Dort hatten am Beginn der spanischen Besiedlung um 1769 ca. 300 000 Einheimische gelebt, am Ende der spanischen Periode um 1821 noch ca. 200 000. Nach dem Goldrausch waren 1860 von ihnen nur noch 30 000 übrig geblieben. Krankheit, Hunger und vielfach sogar Mord - ein führender Historiker hat von einem 'Programm systematischen Abschlachtens' gesprochen - hatten diesen drastischen Rückgang verursacht." (S.481)
"Bei den Indianern fällt zunächst ihre große Diversität auf. Eine einheitliche indianische Lebensweise gab es nicht, auch keine gemeinsame Sprache, so dass die militärische Koordination im Widerstand gegen die Weißen sehr erschwert war. [...] Solange Indianer als Bundesgenossen der Europäer begehrt waren, gelang es indianischer Politik häufig, die Weißen - Briten, Franzosen, Spanier und rebellische Kolonisten - gegeneinander auszuspielen. Dies war nach dem Britisch-amerikanischen Krieg von 1812 kaum noch möglich. [...] Gemeinsam war den meisten Indianern, dass sie von einer technologischen Revolution berührt worden waren. Nicht anders kann man die Einführung von Pferden als Last- und Reittieren bezeichnen, die um 1680 vom spanisch kolonisierten Süden Nordamerikas ausgegangen war. Mit dem Pferd kamen die Feuerwaffen, zunächst durch die Franzosen mitgebracht, um ihre indianischen Bundesgenossen gegen die Spanier zu bewaffnen. Pferd und Muskete veränderten in radikaler Weise das Leben von Zehntausenden, die noch nie einen weißen Mann gesehen hatten. [...] um 1800 hatten so gut wie alle Indianer westlich des Mississippi ihre Lebensweise auf das Pferd eingestellt. Ganze Völker erfanden sich neu als Zentauren." (S.482)
"[...] die indianische Landwirtschaft hatte im Rahmen einfacher Technologie (kein Pflug, keine Düngung) eine hohe Leistungsfähigkeit erreicht, von der anfangs auch die Euro-Amerikaner profitierten. Um 1830 waren die Großen Ebenen so stark bevölkert wie niemals zuvor. Man hat geschätzt, dass sich damals 60000 Indianer, 360 000 bis 900 000 gezähmte Pferde, 2 Millionen Wildpferde, 1,5 Millionen Wölfe und bis zu 30 Millionen Bisons diesen riesigen Lebensraum teilten.
Erst das Pferd erlaubte die vollständige Erschließung der Ebenen zwischen Mississippi und Rocky Mountains, 300 Kilometer von Ost nach West und 1500 Kilometer von Norden nach Süden sich erstreckend. Das Pferd wirkte als Energietransformator. Es verwandelte die im Grasland gespeicherte Energie in Muskelkraft, die - anders als diejenige nicht domestizierbarer Großtiere - menschlicher Führung gehorchten." (S.483)
"Erst durch ihre Pferd-Bison-Kultur wurden die Indianer der Großen Ebenen zu wahrhaften Nomaden. [...] Das stereotype Bild der Indianer als virtuose Kampfreiter trifft erst für die letzte Phase ihrer freien Existenz zu. Innerhalb von drei oder vier Generationen entwickelte sich die berühmte indianische Pferdekunst, [...] Über den Pelzhandel, den man deshalb nicht verklären sollte, machten die Indianer aber auch erste Bekanntschaft mit Alkohol, einer Droge, die - wie einige Jahrzehnte später das Opium in China - den Zusammenhalt und die Widerstandskraft ihrer Gemeinschaften stark schwächen sollte. Die Pferd-Bison-Kultur verstärkte die Verbindungen zu äußeren Märkten." (S.484) Eine 'Ernte' von 6 bis 7 Tieren pro Person und Jahr war möglich (wie man heute weiß), ohne die Reproduktion der Tiere zu gefährden. Alles, was darüber hinausging, bedeutete Raubbau.
Die Lebensgrundlagen der Plains Indians, die auf den Nachfragestimulus ökonomisch rational, aber ökologisch unvernünftig reagierten, verschwanden zusehends. [...] Weiße Jäger schalteten sich in das Geschäft ein und veranstalteten einen Massenmord an Bisons, wie ihn die Indianer niemals praktiziert hatten. Der durchschnittliche euro-amerikanische Bisonjäger schoss täglich ca. 25 Tiere. Zwischen dem Ende des Bürgerkrieges und den späten 1870er Jahren fiel die Zahl der Bisons auf den Großen Ebenen von 15 Millionen auf wenige hundert Exemplare. Profitinteresse wurde zynisch durch das Argument verschleiert, man wolle durch Vernichtung der natürlich gewachsenen, 'wilden' Bisonherden der 'zivilisierten' Rinderwirtschaft Raum schaffen und zugleich die Indianer zur Aufgabe ihrer «barbarischen» Lebensweise zwingen. Um 1880 war die Pferd-Bison-Kultur der Großen Ebenen vernichtet. [...]
War es für die Indianer ein Vorteil oder ein Unglück, dass die Siedler ihre Arbeitskraft nicht in systematischer Weise benötigten? Sie entgingen möglicherweise einem Schicksal von Zwangsarbeit und Versklavung, wurden dafür aber sozial marginalisiert." (S.485)
Siedler
"Jeffersons Ideal für den Osten wie für den Westen der USA war der Farmer als Kleinunternehmer [...] Dies blieb auch noch für die Besiedlung des Westens im r9. Jahrhundert weithin ein Idealbild, vom Staat immer wieder gesetzlich unterstützt, mit besonderem Nachdruck r862 durch Präsident Abraham Lincolns Homestead Act, der als sozialpolitischer Gegenentwurf zur Sklaverei der Südstaaten gemeint war. Dieses Gesetz gab jedem erwachsenen Bürger, der Oberhaupt einer Familie war, das Recht auf nahezu kostenfreie Zuteilung von r60 acres (ca. 65 Hektar) öffentlichen Landes im Westen, sofern dieses Land fünf Jahre lang kontinuierlich bearbeitet worden war. Die Realität sah nicht selten
anders aus. Zahlreiche Familien aus dem städtischen Osten, die zunächst homesteads in Anspruch genommen hatten, gaben das Land wieder auf, das vielfach in die Hände von Spekulanten fiel. Überhaupt ist der Makler und Bodenspekulant eine ebenso charakteristische Figur der Frontier wie
der karge und raubeinige Pionier." (S.487)
"Die Frontier lässt sich also nicht auf eine «binäre» Konfrontation zwischen Weißhäuten und Rothäuten reduzieren. Bei den Siedlern machten sich ähnliche Hautfarbenhierarchien bemerkbar
wie im städtischen Raum. [...] Land war keineswegs so frei verfügbar, wie die Ideologie es versprach. Um gutes Land wurde immer konkurriert, [...] (S.489)
Wenn die Mythologie der Frontier von der «grenzenlosen» Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen schwärmt, dann muss dem entgegengehalten werden, dass eine Ressource von Anfang an knapp war: Wasser." (S.490)
Indianerkriege und Revolverterror
"Im Osten hatten die Kämpfe etwa 230 Jahre lang gedauert. Die Auseinandersetzung mit den Indianern westlich des Mississippi drängte sich dagegen auf knapp 40 Jahre zusammen." (S.490)

Fortsetzung unter: Wilder Westen in Nordamerika und Frontier in Südamerika und Südafrika


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