Warum Atomkraft uns jetzt gar nicht hilft VON CHRISTOPH BAUTZ
"[...] Seit 13 Jahren hat keine umfassende Sicherheitsprüfung in den Reaktoren mehr stattgefunden[4] – und das, obwohl mit jedem Betriebsjahr das Risiko für einen Reaktorunfall steigt. Das Atomgesetz schreibt hingegen eine Periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) alle 10 Jahre vor.[5] Auf deren Basis legen dann die Aufsichtsbehörden technische Nachrüstungen fest. Nur mit Hinweis auf die zeitnah geplante Stilllegung der Reaktoren hatten die zuständigen Behörden 2019 auf die letzte PSÜ verzichtet.[6] Ein Weiterbetrieb über den Jahreswechsel ohne umfassenden Sicherheitscheck wäre also illegal. [...]
Die Spitzen von FDP und CDU/CSU haben erklärt, dass ihr Ziel der jahrelange Weiterbetrieb der AKW ist – und der Streckbetrieb nur der erste Schritt dazu.[10] Schon jetzt werden sie nicht müde, dafür zu trommeln, dass wir neue Brennelemente für die Atommeiler bestellen müssten, um einen Weiterbetrieb der Reaktoren auch im Winter 2023/24 zu ermöglichen.[11] [...]
Zudem können Atomkraftwerke zwei ganz wichtige Funktionen von Gaskraftwerken nicht übernehmen: die Netze stabilisieren und neben Strom auch Wärme erzeugen. Die Meiler lassen sich wie Gaskraftwerke nicht kurzfristig in ihrer Leistung hoch- und runterregeln.[14] Somit können sie nicht für die Erneuerbaren einspringen, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Schlimmer noch: Mit ihrer permanenten Grundlast verstopfen sie Leitungen und drängen die Erneuerbaren Energien aus dem Netz.[15] [...]
Wie wenig Atomkraft eine Antwort auf eine Welt im Klimastress ist, zeigt erneut Frankreich. Anfang dieser Woche wurde dort ein Krisenstab eingerichtet, weil die Flüsse das, was für ein Atomkraftwerk das Wichtigste ist, nicht mehr leisten: sie zu kühlen. Über vielen Gewässern hängt bereits der Gestank von Fischkadavern, da die Atomkraftwerke die Flüsse bis weit über die eigentlich zulässigen Grenzwerte aufheizen und damit dem Leben im Fluss den Sauerstoff rauben.[18] Vor allem aber muss die Leistung der Meiler massiv gedrosselt werden.[19] Frankreich wird damit zum Sorgenkind Europas bei der Energieversorgung und muss 20 Prozent seines Stroms importieren.[20] [...]"
Anmerkungen:
[...] [4] “Die Sicherheitsprüfungen sind jetzt schon drei Jahre überfällig“, Spiegel Online, 10. August 2022
[5] “Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz)”, Bundesministerium der Justiz [...]
[10] “Münchens Oberbürgermeister will Atomkraftwerk bis Mitte 2023 laufen lassen”, Spiegel Online, 21. Juli 2022
[11] “Union verlangt Beschluss für längere AKW-Laufzeiten”, BR24, 4. August 2022 [...]
[14] “Kernkraftwerke könnten höchstens ein Prozent des Erdgases ersetzen”, Spiegel Online, 6. Juli 2022
[15] “Atomenergie verdrängt immer häufiger Ökostrom”, top agrar Online, 12. Juni 2018 [...]
[18] “Krisenstab eingesetzt: Atomdesaster in Frankreich nimmt seinen Lauf”, Telepolis/Heise Online, 7. August 2022
[19] “Französische AKWs auf Sparflamme”, FAZ Online, 5. August 2022
[20] “Abgestellte Atomkraftwerke stürzen Frankreich in Energiekrise”, SRF Online, 2. August 2022 [...]"
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