Julia Probst (@augenschmaus - Lippenleserin):
Heute morgen im Penny: Ich bin die einzige, die eine Maske trägt. Die einzige von ca. 30 Leute im Laden. Die #Maskenpflicht fallen zu lassen war ein Ausbund falsch verpackter "FREIHEIT" und sowas von wissenschaftsfeindlich. Der Herbst wird noch so richtig "lustig". Nicht.
Ich werde nie wieder Maske tragen! Ich werde nie wieder einen Test machen! Und vor allem: Werde ich mich nie wieder derart gängeln lassen wie die letzten 2,5 Jahre Bin ein freier, selbstbestimmender Mensch, der am besten weiß, was wichtig & richtig ist #ichmachenichtmehrmit
Und Sie werden nie wieder auch nur einen Funken Verantwortungsgefühl für Ihre Mitmenschen aufbringen. "Humanität" ist aus Ihrem Wörterbuch gestrichen! Dafür habe ich nur eines: Verachtung.
Juli Zeh und Thea Dorn im Gespräch 11.5.22
Es ist in Deutschland üblich geworden, mit dem Gefühl der Angst Politik zu machen. Das ist gefährlich. Denn Angst ist wirklich kein Argument. Von Thea Dorn (ZEIT 3./4.8.22)
Bei der Auseinandersetzung zwischen Zeh und Dorn (der arme Zeh! ;-)) stehe ich eher auf der Seite von Zeh. (Gut, dass die beiden betonen, dass sie befreundet sind.)
Recht gebe ich aber Thea Dorn darin, dass man die Gefahr sehen und bekämpfen, aber nicht vor der Meinung des anderen Angst haben sollte.
Freilich: Angesichts des NS-Terrors konnte rechtzeitige Flucht helfen, dagegen war das Ausharren und die mutige Tat eines Einzelnen oder einiger weniger (Elser, Scholl, 20. Juli) oft zum Scheitern verurteilt. Vor dem Klimawandel gibt es aber keine Flucht, und man kann gefahrlos etwas gegen ihn tun, während Nicht-Handeln die Gefahr vergrößert. Hier fehlt jede Entschuldigung für Nicht-Handeln, auch wenn kein Einzelner die entscheidende Wende erreichen kann.
Harry Nutt geht mit seinem Beitrag einem anderen Gefühl nach, das sich in Internet und Gesellschaft verbreitet:
Lust an der Empörung v. Harry Nutt FR 5.8.22
"Wir machen mit im Karneval der Affekte, erschrecken aber, wenn uns aus den sozialen Medien Hass entgegenschlägt."
Nicht mehr sind "Erkenntnis und Aufklärung eine Richtschnur für politische Entscheidungen und soziales Handeln [...] Stattdessen kostümieren wir uns in den in rasantem Tempo einander ablösenden gesellschaftspolitischen Debatten für einen Karneval der Affekte, in dem die Gebote zu rationaler Begründung geringe Aussichten haben, befolgt zu werden."
Empörung wurde 2010 durch die Schrift "Empört euch!" der 93-jährigen Stéphane Hessel als positiver Affekt bezeichnet. Harry Nutt schreibt dazu:
„Wir müssen radikal mit dem Rausch des Immer noch mehr brechen“, heißt es in Hessels Bestseller, „in dem die Finanzwelt, aber auch Wissenschaft und Technik die Flucht nach vorn angetreten haben.“ Es sei höchste Zeit, dass Ethik, Gerechtigkeit, nachhaltiges Gleichgewicht unsere Anliegen werden."
Das, was Hessel zu Recht gegen Handeln der eigenen Regierung gefordert hat, wurde 2018 mit steigendem Erfolg von Greta Thunberg gegen das Nicht-Handeln der Regierungen in aller Welt gefordert.
Im Zuge der Corona-Pandemie machten sich die Maßnahmenkritiker diesen Anspruch auf Empörung zu eigen, indem sie für sich Meinungsfreiheit und Recht auf passiven Widerstand forderten. Dazu kamen, wie Harry Nutt es formuliert "entfesselte Ausdrucksformen [...] die weitgehend ohne Etikette auskommen" Das wiederum rief auf der Seite derer, die die Regierungsmaßnahmen für angemessen oder sogar nicht energisch ansehen, entsprechende Reaktionen - jetzt aber nicht gegen die Regierung, sondern gegen Personen hervor.
Dabei entsteht immer die Gefahr, dass solche Enthemmung in Hass umschlägt. Von der "Verachtung" ist der Weg nicht mehr sehr weit. - Auf beiden Seiten.
Zitat:
„Die Grundtönung des Hasses ist Feindschaft, Widerstreben, Ablehnung, Gefühlseinstellung negativer Art“, schreibt Kolnai. „Darin ist Hass mit Antipathie, Zorn, Ekel, Verachtung, Bekämpfung verwandt.“ Im sprachlichen Gebrauch aber ist die Formulierung Hass weit weniger negativ konnotiert. So missbrauchen wir laut Kolnai die Wörter „Hassen“ und „Hass“ bewusst zur Bezeichnung von Stellungnahmen und Empfindungen, die in Wirklichkeit weit oberflächlicher und allgemeiner Natur sind. „Wer davon redet, dass er z. B. kalten Braten hasse, weiß sehr wohl, wie wenig diese seine Geschmacksrichtung mit Hass zu tun hat.“ Er sei sich sehr wohl im Klaren darüber, dass diese unlustvolle Beziehung nicht nur dem Grad, sondern auch der Art nach völlig verschieden ist etwa vom Hass gegen einen Mann, der ihn um seine Existenz gebracht hat.
Die Harmlosigkeit, die dem Hass gegenüber dem kalten Braten innezuwohnen scheint, steht in einem fundamentalen Gegensatz zum Vernichtungswillen, der Kolnai zufolge weit über die Tötung einer konkreten Person hinausgeht. Der andere, so definiert Kolnai ein wesentliches Merkmal des Hasses, möge nicht nur verschwinden, sondern nie existiert haben. „Was der Hass verlangt und verheißt ist (…) eine Art Entscheidung über das Schicksal der Welt.“ [...]" (Lust an der Empörung v. Harry Nutt FR 5.8.22)
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