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Mittwoch, 31. August 2022
Dienstag, 30. August 2022
documenta und Ruangrupa
Es ist ein Problem, wenn man in Deutschland, aber auch in Europa allgemein, versucht, eine allgemeine Wahrheit zu erfassen. Die Aussage des Philosophen Ernst Tugendhat: "Man muss auch als Deutscher die Wahrheit sagen dürfen." gilt nur bedingt. Denn die Vorstellung einer allgemeingültigen Wahrheit ist ein historisch erst relativ spät aufgekommenes Konzept, das durchaus noch nicht weltweit anerkannt ist. Im jüdischen Talmud werden Deutungen nebeneinander gestellt, dahinter steht die Vorstellung, dass erst durch die Gesamtschau der Meinungen Annäherung an Wahrheit möglich ist, auch wenn der Bibel- und Talmudkommentar des französischen Rabbiners Raschi aus dem 11. Jahrhundert bis heute eine gewisse Sonderstellung behalten haben.
Daher wird in den letzten Jahrzehnten in Europa immer wieder versucht, Eurozentrismus abzubauen. Ein Versuch dieser Art war und ist auch die documenta fifteen, die nicht zufällig nicht mit einer römischen oder arabischen Ziffer von ihren Vorgängerinnen unterschieden wird, sondern mit einem englischen Wort, das den weltweiten, nicht spezifisch deutschen oder europäischen Blick auf Kunst hervorheben soll und deren Leitung ausdrücklich einer indonesischen Gruppe (Ruangrupa) übertragen wurde. Es hat sich gezeigt, dass diese Entscheidung nicht unproblematisch war.
dazu: Philippe Pirotte: „Man muss die Dinge verkomplizieren [differenziert betrachten]
"[...] Ruangrupa sind nicht mit einem Konzept oder Thema gekommen, sondern mit einer Arbeitsweise. Sie wollten ein Kulturereignis organisieren, das ohne Ausbeutung, ohne finanzielle Spekulation auskommt, das nachhaltig funktioniert und außerhalb des kapitalistischen System stattfindet. Lange Zeit gab es Stimmen, die sagten: 'Das ist eine Nummer zu groß, das kriegen die nicht hin.' "
"Durch die Unabhängigkeitsbewegung ist im indonesischen Grundgesetz festgelegt, dass das Land sich mit allen unterdrückten Bevölkerungen der Welt solidarisiert – und damit auch mit den Palästinensern. Ich weiß, dass man in Deutschland diese Position schwer nachvollziehen kann, und ich bin mir darüber bewusst, dass dieser Grundsatz der Solidarisierung mit den Unterdrückten auch in Indonesien selbst nicht konsequent durchgeführt wird – wie man in Bezug auf die Konfliktsituation mit Papua sehen kann. Diese wird übrigens auch in Arbeiten von Taring Padi* thematisiert. Aber die Bereitschaft zu lernen, die Taring Padi und Ruangrupa vorgeschlagen haben, ist in Deutschland ziemlich autoritär beantwortet worden, statt eine Gegenbereitschaft zum Lernen zu zeigen."
"Das Problem ist, dass wir in eine Situation geraten sind, in der man schon fast nicht mehr miteinander reden kann. Weil alles zu eindeutig gesehen wird. Im Januar war es noch eine eher offene Diskussion, ob Israelkritik antisemitisch sei oder nicht. Jetzt sind wir soweit, dass es fast ein Einverständnis gibt unter bestimmten Meinungsmachern, dass es so ist. Wenn man mir sagt, eine Arbeit von Taring Padi ist eindeutig antisemitisch, dann habe ich als Kunsthistoriker den Reflex: Das ist bestimmt komplexer. Es handelte sich bei den Fragmenten teilweise um eine aus Europa während der Kolonialzeit exportierten Bildsprache, aber diese Ausschnitte beinhalten auch Bildelemente, rote Augen und Vampire-Zähne, aus der Jahrhunderte alten Wayang Kulit, dem traditionellen indonesischen Puppenspiel. Das gesamte Bild bezieht sich auf die Geschichte des Landes Indonesien, das unter der Diktatur von Suharto – und mit Unterstützung von Israel und westlichen Mächten – einen Genozid mit mehr als einer halben Million Todesopfern erleben musste. Um zu erkennen, welche Intention dahintersteckt, muss man verkomplizieren. Nicht vereinfachen. Man müsste sagen: Diese Dinge sind eben nicht eindeutig. Mir stellt sich da die Frage: Soll man ein Bild in seiner Gesamtbedeutung angehen oder darf man es verurteilen wegen eines Ausschnitts? Greift man Fragmente heraus, isoliert sie und macht sie zum Gegenstand einer gesellschaftspolitischen Debatte – oder schaut man sich auch mal den Kontext des ganzes Bildes an?"
"Ich glaube, die Documenta ist eigentlich auch gar nicht das Ziel dieser ganzen Diskussion. Sie ist auch nicht das Objekt. Sie wurde genutzt als Brennpunkt, um eine gesellschaftliche Debatte in Deutschland auszubreiten. Damit bestreite ich sicher nicht, dass es in Deutschland ein Problem mit wachsendem Antisemitismus gibt, aber es gibt auch eines mit Islamophobie, mit wachsendem Rassismus und Homophobie. Man gewinnt den Eindruck, dass diese Probleme neben der Holocaust-Erinnerungskultur unbesprechbar bleiben."
"In Deutschland hat sich die Debatte in kulturellen und intellektuellen Kreisen inzwischen stark nuanciert. Den kulturellen Hintergründen spezifischer Bildmotive, auch der Dekolonisierungsgeschichte, wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt, und viele können sich sogar auf Organisationsarten außerhalb der eigenen Komfortzone einlassen."
"Es gab die Hoffnung, dass wir auf der Documenta neue Perspektiven aus bisher nicht groß beachteten Teilen der Welt, von marginalisierten Gruppen kennenlernen. Hat das funktioniert?
Viele Projekte auf der Documenta haben einen starken Bezug zu lokalen Communitys. Sie engagieren sich in ihrer Heimat, aber auch in Kassel. Ein gutes Beispiel ist das Nhà Sàn Collective*, ein Kollektiv vietnamesischer Künstlerinnen und Künstler, das in Zusammenarbeit mit der deutschland- und europaweiten Diaspora einen Garten in Kassel angelegt hat, in dem vietnamesische Pflanzen gezüchtet werden. Das hat die Gemeinschaft gestärkt, Netzwerke geschaffen – und diese Minderheit stärker in der Öffentlichkeit sichtbar gemacht. [...]"
(Philippe Pirotte: „Man muss die Dinge verkomplizieren“ FR 30.8.22)
*(Maschinenübersetzung zum Zusammenhang von Taring Padi uns ducumentafifteen):
"Auf der documenta 15 im Jahr 2022, der bedeutendsten deutschen Kunstausstellung, erlangte Taring Padi Berühmtheit durch Bilder, die Kritiker als antisemitisch einstuften und die daraufhin abgedeckt und später entfernt wurden.[11] Das meterhohe Gemälde wurde von der Kunstministerin Claudia Roth [Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien], Vertretern jüdischer Organisationen, der israelischen Botschaft und anderen kritisiert. Das Gemälde zeigte einen Soldaten mit einem Schweinegesicht, mit dem Davidstern und dem Wort Mossad auf dem Helm. Eine andere Figur mit tierähnlichen Reißzähnen trägt einen Anzug mit Krawatte, Ziegenbart und einen Bowler-Hut mit SS-Runen.[12]
Taring Padi leugnete jegliche Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Das Bild sei Teil einer Kampagne gegen den Militarismus und die Gewalt während der Diktatur in Indonesien[13]."
Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
*(Maschinenübersetzung des 1. Teils des Wikipediaartikels): "Das Nha San Collective ist der erste und am längsten bestehende gemeinnützige, von Künstlern geführte Raum für experimentelle Kunst, der in der politischen Szene Vietnams entstanden ist. Es war ein Pionier bei der Förderung einer experimentellen Kunstbewegung und der zeitgenössischen Kultur.
Hintergrund
1998 gründeten der Künstler und Kurator Tran Luong und der Künstler Nguyen Manh Duc das Nhà Sàn Studio, den ersten Raum für experimentelle Kunst in Hanoi, in Nguyen Manh Ducs eigenem Haus: Ein Haus der ethnischen Minderheit Muong auf Holzpfählen.[1]
Das Nha Sàn Studio förderte die erste Generation vietnamesischer Avantgarde-Künstler, die in den frühen 1990er Jahren entstanden, darunter Truong Tan, Tran Luong, Nguyen Van Cuong, Nguyen Minh Thanh, Nguyen Quang Huy, Ea Sola und Kim Ngoc. Es ist auch zu einer wertvollen Ressource für eine jüngere Generation von Künstlern geworden, darunter Nguyen Trinh Thi, Nguyen Phuong Linh, Nguyen Huy An, Tuan Mami the Appendix, Nguyen Tran Nam usw., um ihre eigene Kulturszene weiter zu entwickeln. Das Nhà Sàn Studio hat sich als nahezu perfekter Ort für Ausstellungen und Veranstaltungen alternativer Underground-Kunst in der lokalen Szene erwiesen[2].
Im Geiste der künstlerischen Kreativität und der zeitgenössischen Kultur beschloss die junge Künstlergeneration des Nha San Studio 2013, das "Nhà Sàn Collective" zu gründen und damit die Mission des Nha San Studio fortzusetzen, eine stabile Struktur für die zeitgenössische Kunst zu schaffen, die sich in dem restriktiven kulturellen und politischen Umfeld der lokalen Szene entwickeln kann.[3] Wie das Nha San Studio zuvor ist auch das Nha San Collective ein Ort für experimentelle Kunst, jedoch mit einem offeneren Ansatz, an dem jeder kommen kann, um zu arbeiten und sich auszutauschen.[4]
Nha San bietet vietnamesischen Künstlern die Möglichkeit, Werke zu schaffen, auszustellen und darauf zu reagieren. In einem sozio-politischen Umfeld, in dem experimentelle Kunst ein riskantes Unterfangen sein kann, bietet Nha San den entscheidenden Raum für die Entwicklung künstlerischer Praktiken und den Austausch von Erfahrungen - was eine künstlerische Gemeinschaft, die nach Veränderung strebt, sowohl belebt als auch hervorbringt. Es bietet vietnamesischen Künstlern die Möglichkeit, mit internationalen Künstlern zusammenzuarbeiten und einen kulturellen Austausch zu schaffen, Netzwerke zu entwickeln und von der Welt jenseits der Landesgrenze zu lernen. Seit 1998 hat Nha San zahlreiche Ausstellungen, offene Ateliers, Workshops, Vorträge und Gespräche mit lokalen und internationalen Künstlern/Kuratoren veranstaltet. Zu den wichtigsten Veranstaltungen gehören: Asia Window 2002, jährliches Programm für aufstrebende Künstler, IN:ACT internationales Performance-Kunst-Event, Skylines With People 2012...[5]
Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
Montag, 29. August 2022
Kolonialgeschichte im Schulunterricht – Zu weiße Perspektive?
Samstag, 27. August 2022
Kai Vogelsang: Geschichte Chinas, Reclam 2013
"die Vielfalt hat die Entstehung einer 'chinesischen ' Kultur erst möglich gemacht." (S.15)
Das Auseinanderfallen der Zentralherrschaft war in Wirklichkeit der Beginn der stratifizierten Gesellschaft.
Kommunistisches China 1936-1978
"Schlacht am Dadu(?) zum Element eines Heldenepos, aus dem die Führung der KPCh noch ein halbes Jahrhundert lang ihre Legitimität schöpfte: des Langen Marsches" (S.525)
Der Lange Marsch: "Die Flucht geriet zu einer Odyssee epischen Ausmaßes, vergleichbar Napoleons Rückzug aus Russland" (S.526)
Umweltverschmutzung (S.603/04), Entwicklung von Shenzhen (S.604) "Die Agglomeration Shenzhen wuchs von ca. 3.000 Einwohnern im Jahre 1950 auf über 11 Millionen im Jahre 2017 an. Ein Bericht der Vereinten Nationen nennt Shenzhen im Zeitraum von 1980 bis 2010 als die am schnellsten wachsende Stadt in der Geschichte der Menschheit.[11] Die Volkszählung 2020 ergab eine Einwohnerzahl von 17,56 Millionen.[12]"(Wikipedia)
Freitag, 26. August 2022
Jugend
Es könnte durchaus sein, dass bei Weitem zu viel Aufmerksamkeit den Übertreibungen und Bizarrerien der woken Verbotskultur gewidmet wird, anstatt auf deren systemischen Sinn zu achten. In Zeiten ernster Herausforderungen muss es vor allem darum gehen, diesen Ernst überhaupt erst durchzusetzen, den Individuen die Gewohnheit frivoler Spielräume zu nehmen, sie am Beispiel verbotener Wörter und Redeweisen auf andere, womögliche einschneidendere Verbote vorzubereiten – oder ihnen generell erst einmal einen Schrecken einzuflößen, der ihnen die Unbefangenheit nimmt. Der Verlust des unbeschwerten Konversationstons wäre so gesehen ein pädagogischer Gewinn.
In der Regulierung von Sprech- und Verhaltensweisen hat die Jugend das Machtmittel gefunden, mit dem die Mehrheitsgesellschaft eingeschüchtert werden kann
Energie für Erwärmen und Bewegen im Vergleich
Was denkt ihr: Wenn 4 Personen beim Duschen je 60L Wasser verbrauchen, die um 25° erhitzt wurden, wie weit kommt man mit derselben Energiemenge mit einem e-Auto, das 13 kWh / 100 km verbraucht?
Lösung von @nettwerkerin
https://twitter.com/nettwerkerin/status/1562725860205277185
und:
https://twitter.com/florianaigner/status/1560578141869015041
Fontanefan: durchschnittlich sind es heute mehr.
dazu Prof. Zweig @nettwerkerin
kWh. In Aigners Thread schreibt er auch, dass die Bezeichnung vollkommen unintuitiv ist und spricht sich für Joule aus. Also, unser Auto (Opel Ampera) braucht im Sommer wirklich 13 kWh/100 km. Im Winter aber über 20 kWh, je nach Außentemperatur.
Lebenspraktisch ist der Vergleich von 4 Leuten, die duschen mit 4 Leuten, die in einem Auto fahren, freilich nicht realistisch.
Wenn man also die Energiekosten des eigenen Duschens mit dem eigenen Fahren vergleicht, sollte man vielleicht die berechnete Kilometerzahl wieder durch 4 teilen. Freilich nur, wenn man selbst mit 60 Liter pro Duschvorgang auskommt.
Was wichtig ist: Wenn wir die Energiemengen als die entscheidende Größe erfahren, dann sollten wir alle uns auf das Verständnis von Joule umstellen. Und weil das angesichts der Gewohnheiten schwer ist, sollte man damit schon in der Schule anfangen, damit die Trennung von Leistungseinheiten und Energieeinheiten den Vergleich von Leistung und Energieverbrauch nicht so enorm erschwert.
Dass es sinnvoller wäre, mit der Einheit Joule zu rechnen, habe ich schon sehr früh gehört. Etwa vor 60 Jahren. Was die Trennung der Einheiten für unser praktisches Verständnis von Energieaufwand bedeutet, hat man mir vermutlich schon damals erklärt. Doch erst mit einem kalten Winter fast ohne Heizungsenergie auszukommen, wird klar, war diese Trennung an Erkenntnis verhindert hat. Das gilt nicht zuletzt für die Alternative, Maisfelder für Biokraftstoff oder Felder mit Photovoltaikelementen anzulegen oder gar Photovoltaik und Pflanzenanbau zu verbinden.
Donnerstag, 25. August 2022
Marie Marcks und ihre feministischen Cartoons
https://www.deutschlandfunk.de/100-geburtstag-marie-marcks-100.html
Deutschlandfunk 25.8.22
Resistenz gegen Antibiotika
https://de.wikipedia.org/wiki/Antibiotikaresistenz
Beispiel: https://de.wikipedia.org/wiki/Staphylococcus_aureus#Multiresistenz
CETA Interpretationserklärung unwirksam?
Mittwoch, 24. August 2022
Hitzetote oder Übersterblichkeit an heißen Tagen?
"[...] Der Sommer 2022 ist ein Sommer der Extreme. Die Temperaturen stiegen teils auf über 40 Grad, in den Flüssen fließt – nicht nur in Deutschland – so wenig Wasser, dass längst untergegangene Wracks wieder auftauchen. Und es sterben mehr Menschen als sonst: Vor allem an den sehr heißen Tagen im Juli und August sind jeweils mehrere Hundert Menschen offenbar Opfer der Hitze geworden. Insgesamt dürfte es in diesem Sommer bereits an die 10.000 Hitzetote gegeben haben. Das lässt sich aus aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik berechnen.
Schon vor zwei Wochen hatten die Bundesstatistiker auf die auffällig hohen Sterbezahlen im Juli hingewiesen. Am extremsten sei dies in der Kalenderwoche 29 gewesen, also in der Zeit zwischen dem 18. und 24. Juli. In dieser Woche, in der an vielen Orten Deutschlands das Thermometer auf über 40 Grad kletterte und der Deutsche Wetterdienst neue Allzeitrekorde in mehreren Bundesländern meldete, seien 24 Prozent mehr Menschen gestorben als eigentlich zu erwarten gewesen wäre. [...]
Allerdings kann man die jetzt errechneten Hitzetoten nicht ohne weiteres mit der Zahl der Coronatoten gleichsetzen. Bei Letzteren handelt es sich um dem Robert Koch-Institut gemeldete, bestätigte Fälle. Die Hitzetoten hingegen kann man nur durch die Berechnung der Übersterblichkeit abschätzen. [...]"
Hitzewelle mit dunklem Schatten [...] Hitzetote werden in den Statistiken oft nicht als solche bezeichnet. [...] taz 22.8.22
Weniger Todesfälle aufgrund des Klimawandels? scilogs.spektrum.de 22.3.2018
Sonntag, 21. August 2022
Jugendsprache
Sucheingabe zu Jugendsprache u.ä. (in der obersten Zeile)
Jugendsprache hat es wahrscheinlich immer schon gegeben. Sie gehört mit zur Abgrenzung der Jugendlichen von "den Alten."
"Die Meinung der Forscher, die Funktion von Jugendsprache bestehe vor allem in der Abgrenzung gegenüber der Erwachsenenwelt (Glück 2005: „Kontrasprache“) und darin, eine Identifikation ihrer Sprecher mit der jeweiligen Gruppe zu festigen, wurde mittlerweile erweitert. Zu Funktionen von Jugendsprachen zählen außerdem Identitätsfindung in der Auseinandersetzung mit Rollen- und Statuszuschreibungen durch die gesellschaftliche Norm, die emotional-expressive Funktion, aber auch die Benennungsfunktion von Realien, die im Rahmen jugendlicher Lebenswelten existieren." (Wikipedia)
Beispiele sind: - cringe - sus - chill -omg, -wtf -chillen
Lauch: Die mit dem Schimpfwort „Lauch“ bezeichnete Person ist demnach – in der ursprünglichen Bedeutung – schmächtig / nicht muskulös und dabei ggf. hochgewachsen, ähnlich einer Stange Lauch oder Porree. Es ist ähnlich konnotiert wie der Spargeltarzan oder die Bohnenstange." (Wikipedia: Lauch (Schimpfwort) )
Wikipedia zu Jugendsprache
Wörterbuch:
https://www.sprachnudel.de/sprachvarietaeten/soziolekt/sondersprache/jugendsprache im Internetlexikon Sprachnudel
Selbstbeschreibung des Lexikons:"Was nicht im Duden steht soll zukünftig auf sprachnudel.de gefunden werden - dem Wörterbuch für Umgangssprache.
Welche Wörter sind also angesagt und machen in der Szene die Runde?"
Da dies Wörterbuch anonyme Eintragungen zulässt, muss man damit rechnen, dass auch Phantasiewörter von einzelnen darin stehen, die weder in der Umgangs- noch in der Jugendsprache geläufig sind. Es ist aber durchaus nützlich als Bedeutungswörterbuch für Wörter, die man im Duden nicht findet.
Die Funktion für Synonyme ist noch unterentwickelt.
Samstag, 20. August 2022
Grenzverletzung des finnischen Luftraums?
Freitag, 19. August 2022
Wie ähnlich sind sich Ukrainisch und Russisch?
Deutschen Zeitungslesern fällt auf, dass neuerdings Städtenamen aus der Ukraine anders geschrieben werden als vorher. Das kommt daher, dass die Hauptstadt der Ukraine Kiew zwar in beiden Sprachen kyrillisch geschrieben wird, aber anders ausgesprochen und daher auch mit leicht abweichenden kyrillischen Buchstaben Киев (RUSSISCH) Київ (UKRAINISCH).
Daher schreibt die deutsche Wikipedia zu dieser Stadt: "Kiew ([ˈkiːɛf],[1] auf Deutsch auch Kyiv, Kyjiw oder Kyïv [ˈkɪjiv];[2] ukrainisch Київ?/i Kyjiw [ˈkɪjɪu̯]; russisch Киев Kijew [ˈkʲi(ɪ̯)ɪf]; siehe auch zur Schreibweise des Ortes) ist die Hauptstadt und größte Stadt der Ukraine".
Das Ukrainische und das Russische unterscheiden sich schon deutlich, auch in der Grammatik. Aber es gibt aber auch "eine Mischsprache auf der Grundlage des Ukrainischen und des Russischen, die in bestimmten Regionen der Ukraine und angrenzenden Ländern verwendet wird" sie heißt Surschyk oder Surshyk (Wikipedia).
Da müssen auch Muttersprachler genau aufpassen, welche Wörter zu beiden Sprachen passen und welche nur zu einer.
"Die Entstehung des Surschyk ist zum einen ein Ergebnis der Bevorzugung des Russischen in der Ukrainischen Sowjetrepublik, zum anderen ein Resultat der Migration innerhalb der damaligen Ukrainischen SSR: In den 1930er Jahren und nochmals verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten viele Westukrainer in die Industriestädte der Ostukraine aus.
Die Westukrainer, die meist die russische Sprache kaum beherrschten, produzierten beim Versuch, Russisch zu sprechen, eine Sprachvarietät, die sich lautlich und teilweise auch in der Grammatik an das Ukrainische anlehnte, deren Wortschatz aber im Wesentlichen aus russischen Wörtern bestand. Auch ukrainische Vokabeln in russischer Lautung können beobachtet werden, z. B. „rok“ für „rik“.
In der Westukraine, die erst ab 1921 und teilweise erst ab 1945 zur Sowjetunion gehörte, hatte das Ukrainische stets eine viel stärkere Position, deshalb wurde dort nur selten Surschyk gesprochen.
Bereits ab Mitte des 17. Jahrhunderts gab es in der heutigen Ukraine eine gemischte Form der ukrainisch-russischen Rede. Suržyk ist jedoch keine Fortsetzung dieser frühen Form des Mischens." (Wikipedia)
Ein Bekannter von mir, der wie seine Mutter Portugiesisch sprach, erzählte mir, seine Mutter hätte geglaubt, die Spanier sprächen nur undeutliches Portugiesisch und wenn sie nur undeutlich genug spräche, würde sie besser verstanden.
Da ist insofern etwas Wahres dran, als die Dialekte auf beiden Seiten einer Grenze sich öfter von der zugehörigen Hochsprache stärker unterscheiden als von dem Dialekt jenseits der Grenze.
Und eine Niederländerin erklärte mir: "Das Flämisch, das die Belgier sprechen, verstehe ich fast gar nicht, aber das Deutsch, was an der Grenze zu den Niederlanden gesprochen wird, verstehe ich Wort für Wort."
Die Hauptseite der serbokroatischen Wikipedia enthält denselben Text mal mit lateinischen und mal mit kyrillischen Buchstaben, um zu betonen, wie wenig sich Serbisch und Kroatisch außer in der Schreibung unterscheiden.
Hier kann man das lesen: https://sh.wikipedia.org/wiki/Glavna_stranica
Der Autor und seine Töchter
Tillmann Prüfer schreibt im ZEITmagazin der Wochenzeitung DIE ZEIT eine Kolumne über seine vier Töchter im Alter von 22, 17,15 und 8 Jahren. Mag sein, er hat in Wirklichkeit zwei Söhne und einen Igel. Die Söhne hat er ins Waisenhaus gebracht (wie Rousseau) und der Igel schläft mit ihm zusammen im Bett. Aber über die Töchter schreibt er so einfühlsam und lebensecht, dass für mich in diesem Fall die Wirklichkeit gar keine Rolle spielt.
In der Ausgabe vom 18.8. 22 schreibt er diesmal über die 15-jährige Greta. die 10 Tage in einem Sommerlager war, als Betreuerin, danach so fest lange geschlafen habe, dass es einen Prinz gebraucht hätte, sie aufzuwecken.
Dann schreibt er weiter, er habe "nie große Lust verspürt, eine Jugendgruppe anzuleiten".
Wenn es auf der Welt nur Betreuer und Betreute gäbe, gehöre er gewiss zu den Betreuten.
Er fährt fort: "Offenbar ist Greta so ein Mensch, der natürlicherweise Verantwortung übernimmt und darauf achtet, dass die Dinge funktionieren. Menschen wie ich haben großes Glück, dass es Leute wie Greta gibt. Und Greta hat Glück, dass ich nicht 40 Jahre jünger bin. Dann hätte es passieren können, dass sie mich auf einer Freizeit hätte betreuen müssen. Ich hätte sie wohl tierisch genervt."
Vor dieser spielerisch selbstkritischen Bemerkung hat er freilich angedeutet, dass die wenigsten, die über schlechtes Krisenmanagement klagen, selbst Verantwortung übernähmen. Mit seiner (fiktiven?) Selbstkritik trifft er also Nörgler, Querulanten und Querdenker. Damit aber auch die Demonstranten von Fridays for Future. Oder vielleicht doch sich selbst, weil er kein Klimaaktivist ist? Gibt es also doch nicht die Aufteilung in Betreuer und Betreute, Führer und Follower?
Der 15-jährigen Greta gilt jedenfalls seine Sympathie, und die des Lesers. Oder hat er vielleicht doch eine 15-jährige Tochter, und die heißt womöglich auch Greta wie Thunberg??
Wer echten Tillman Prüfer lesen will, findet ihn hier: "Kriegt das Papa, oder kann das weg? Ein Vater und vier Töchter. Kindler, Hamburg 2019"
Mittwoch, 17. August 2022
Was eine Ökonomengruppe der Ukraine empfiehlt, damit sie länger durchhalten kann.
"[...] Steuern erhöhen
Der erste Vorschlag der Studie zielt auf die Erhöhung von Steuern ab. Dabei werden Steuererhöhungen empfohlen, die leicht zu verwalten sind und zur sozialen Gerechtigkeit beitragen: Luxusgüter sollen stärker besteuert werden und Menschen mit hohen Einkommen mehr Abgaben leisten.
Die Regierung sollte „Steuern progressiver gestalten, sodass die Kriegslast stärker auf diejenigen fällt, die über mehr Ressourcen verfügen. Dies ist sowohl aus Gründen der Gerechtigkeit als auch der sozialen Solidarität wünschenswert“, heißt es in der Studie. In der Ukraine herrscht aktuell eine pauschale Einkommensteuer in Höhe von 18 Prozent. Zusätzlich müssten vor allem stärker Ausnahmen von der Steuer geprüft werden.
Öffentliche Ausgaben reduzieren
Der zweite Vorschlag umfasst eine massive Reduzierung von Ausgaben. Bei den Ausgaben sollten für die Regierung „Umsicht und Zurückhaltung das Leitmotiv“ sein. So sollte zum Beispiel die regelmäßige Instandhaltung von Straßen, Brücken und sonstiger Infrastruktur bis zum Ende des Krieges pausiert werden.
Auch die Ausgaben für Geflüchtete und Binnenflüchtlinge* sollten umstrukturiert werden. Aktuell wird eine Form von Grundeinkommen an die Betroffenen ausgezahlt. „Dieser Ansatz war zwar angemessen in den ersten chaotischen Tagen des Krieges, allerdings sind die Kosten des Grundeinkommens hoch“, argumentieren sie. Es sollte zwischen gefährdeten und relativ wohlhabenden Flüchtlingen unterschieden werden. Das Grundeinkommen könnte zum Beispiel künftig an die Arbeitssuche und die Ausübung von gemeinnützigen Arbeiten geknüpft werden.
Schließlich könnten Ausgaben eingespart werden, indem Kosten für einige Bereiche auf externe Partner übertragen werden. So könnte zum Beispiel die medizinische Grundversorgung, die normalerweise vom öffentlichen Sektor getragen wird, durch Ärzte ohne Grenzen übernommen werden, während die Vereinten Nationen und das Rotes Kreuz medizinische Hilfsgüter bereitstellen und bezahlen. [...]
Inflation droht: Weniger Geld drucken und Wirtschaft liberalisieren
Eine dritte Maßnahme, die vorgeschlagen wird ist die eine Reduzierung der Geldmenge und die Liberalisierung des Makrtes. Aktuell druckt die Ukraine viel Geld, um die Militärausgaben weiter finanzieren zu können. Allerdings sei hierbei die Gefahr zu groß, dass eine hohe Inflation ausgelöst wird.
Die Wirtschaft sollte vielmehr stark dereguliert werden, indem zum Beispiel bürokratische Hürden abgeschafft werden. „Infolge der russischen Invasion gibt es in einigen Sektoren und Gebieten der Ukraine derzeit wenig bis gar keine wirtschaftliche Aktivität. Die frei werdenden Ressourcen müssen anderswo eingesetzt werden, und die Politik der Regierung sollte diese Umverteilung von Ressourcen in großem Umfang erleichtern“, erklären sie.
Unternehmen wurden bisher zwar dazu motiviert, ihre Geschäfte in die weniger vom Krieg gebeutelte Westukraine umzuziehen. Allerdings sind nur wenige Firmen diesem Aufruf gefolgt. Laut den Experten und Expertinnen könnte eine eine radikale Liberalisierung der Märkte diese Dynamik ändern. In diesem Zusammenhang wird in der Studie auch die Ernennung eines Beamten vorgeschlagen, der für die Deregulierung verantwortlich sein soll.
Russisches Vermögen in der Ukraine: Verwalter einsetzen
Schließlich empfiehlt die Studie aus London, Verwalter für russische Vermögenswerte in der Ukraine einzusetzen. Seit Ausbruch des Krieges hat die ukrainische Regierung Vermögenswerte von Firmen und Einzelpersonen beschlagnahmt, die für die russische Seite gearbeitet haben. [...]"
(Ukraine droht der wirtschaftliche Kollaps: Vier Maßnahmen könnten die Wirtschaft retten, Von: Astrid Theil FR 14.08.2022)
Zur voraussichtlichen Gaspreisentwicklung
"Um eine grobe Ahnung von den künftig noch zu erwartenden Preissteigerungen für Erdgas zu bekommen, ist es ganz hilfreich, sich einmal den aktuellen Börsenpreis für Erdgas an der Leipziger Energiebörse EEX anzuschauen. Dort wurde eine Megawattstunde gestern für 234 Euro gehandelt. Das ist erstmal ein abstrakter Wert. Rechnet man dies jedoch auf die für Haushalte relevante Größe um, kommt man auf 23,4 Cent pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Gaspreis für Haushalte beträgt zurzeit bei den Versorgern, die den Arbeitspreis bereits angepasst haben, inklusive der Gasumlage, 19,56 Cent und liegt damit rund vier Cent unter dem Börsenpreis, der jedoch ein Großhandelspreis ohne Steuern und Abgaben und ohne Netzentgelte sowie die Kosten der Endversorger ist, die ja beim Endkundenpreis noch hinzugezählt werden müssen.
Ist der Börsenpreis maßgeblich für den Endkundenpreis? Ja! Denn seit einigen Jahren orientieren sich auch langfristige Lieferverträge über ihre Preisanpassungsklauseln an diesem Börsenpreis; nur halt zeitversetzt. Dies im Hinterkopf, sollte klar sein, dass wir bei der nun heiß debattierten Gasumlage leider tatsächlich nur über einen kleinen Teil der bereits in diesem Herbst und später zu erwartenden Mehrbelastungen für Verbraucher sprechen."
(Jens Berger in Nachdenkseiten)
Deshalb kommt alles darauf an, wie weit der Preisanstieg durch Sparen bei nicht notwendigen Leistungen (insbesondere bei Leistungen für den nicht lebensnotwendigen gehobenen Bedarf) gelingt und wie weit die - im Sinne der ökologischen Wahrheit - notwendigerweise ansteigenden Preise für den unteren Einkommensbereich abgefedert werden.
Die Leiden der Wikipedia
Die Wikipedia ist zweifellos weiblich, auch wenn hinter diesem grammatischen Geschlecht viele - relativ junge Wikipedianer - zugange sind und die vielen klugen Wikipedianerinnen weiterhin in der Minderzahl sind.
Leiden tun Benutzer*innen unter der Diskussion zum Artikel Geschlechtergerechte Sprache,
Jedenfalls, so weit sie versuchen, den Artikel und die Diskussion überschaubar und nachvollziehbar zu halten.
Es kostet viel Arbeit, den Standard der Wikipedia zu erhalten und sie gleichzeitig immer wieder benutzbar zu machen.
Meinen Respekt und mein Mitleid an alle Beteiligten.
Binsenweisheit: Menschen mit geringerem Einkommen sind am stärksten betroffen
Vielleicht sollt man es konkretisieren:
Die einen temperieren Haus und Auto im Sommer auf 20°, im Winter auf 25°.
Die anderen retten im Sommer, bis sie vertrieben werden, gekühlte Supermärkte oder - extrem selten - Kühlbusse. Und im Winter, bis sie vertrieben werden, Supermärkte und Wärmebusse oder - wenn sie fehlen - durch seine Betäubungswirkung - Schnaps bis zum Erfrieren.
Die meisten haben die Wahl zwischen Solidarität und Egozentrik oder vielleicht doch Egoismus?
Freiwilliges Sparen, Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwillige Sondersteuer für Millionäre und Milliardäre?
Oder gleichmäßige Belastung aller ohne Rücksicht auf das Existenzminimum, soziales Pflichtjahr für Jugendliche, Übergewinnsteuer, vermögensbegrenzende Erbschaftssteuer?
Warum entscheiden sich so viele Besserverdiener für Zwang für Geringverdiener und Freiwilligkeit für Millionäre?
Und warum entscheiden sich die meisten Wähler ebenso?
Türkischer Wasserkrieg gegen Kurden in Syrien?
"[...] Im Nordosten Syriens dreht die Türkei den Menschen das Wasser ab, zerbombt Olivenhaine und setzt Felder in Brand. Sie treibt die mehrheitlich kurdische Bevölkerung in die Flucht. [...]
Rojava (deutsch „Westkurdistan“), das von der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (Aano) regiert wird, ist für seine soziale Revolution bekannt. Nachdem sich das Gebiet vom syrischen Regime Baschar al-Assads für unabhängig erklärt und 2015 den „Islamischen Staat“ (IS) besiegt hatte, entstand ein neues Gesellschaftsmodell. Es beruht auf lokalen Räten und Werten wie Ökologie, Feminismus und Demokratie. Diese Errungenschaften sind jedoch durch die Krise und die Dürre bedroht.
„Seit die Türkei die Wassermenge flussaufwärts verringert, haben wir nicht mehr genug, um unsere Felder zu bewässern und leiden unter Stromausfällen, manchmal an zehn aufeinanderfolgenden Tagen“, erzählt Mhessen. Eine Pumpstation sei einige Wochen zuvor bombardiert worden: Jedes Mal, wenn Leute aus dem Dorf gekommen seien, um sie zu reparieren, seien sie unter Beschuss pro-türkischer Kräfte geraten. Die örtlichen Behörden baten Russland um Hilfe, das einen 2019 in Kraft getretenen Waffenstillstand zwischen der Autonomen Administration und der Türkei durchsetzen soll.
Wasser ist zur Waffe geworden, und Mhessen leidet unter den Folgen. Seine Felder sind nicht mehr bebaubar. Er überlebt nur noch dank seines Traktors, mit dem er den Boden anderer Bauern bestellt. Ein Besuch am Khabour-Fluss, der aus der Türkei abfließt und die Stadt versorgt, bestätigt seine Aussagen: Dort gibt es nichts als stehende Pfützen und leerlaufende Pumpen entlang der ausgetrockneten Ufer. [...]"
(Der Umweltkrieg gegen die Kurden Von: Philippe Pernot FR 16.8.22)
Dienstag, 16. August 2022
Kulturgeschichte Europas: Commonwealth
In Kindlers Kulturgeschichte Europas handeln der Band 16 über "Europäische Kolonialreiche im 18. Jahrhundert" (708 Seiten der Taschenbuchausgabe) und Band 17 über "Das britische Commonwealth" (837 Seiten).
Verständlich, aber doch bemerkenswert. Eine eigene Art von Eurozentrismus.
Was einerseits fragwürdig ist, hat andererseits schon Sinn. Immerhin beschäftigt sich Nicholas Mansergh in "Das britische Commonwealth" speziell mit der Definition des Begriffs, und dieser Begriff ist nun einmal spezifisch britisch (und insofern europäisch) wie überhaupt die dauerhafte Vereinigung von Staaten in einer engen Verbindung ohne Aufgabe ihrer nationalen Eigenart nach meiner Einschätzung überhaupt ziemlich typisch europäisch ist. Die EU ist das bekannteste Beispiel dafür (die USA das prominenteste Gegenbeispiel), die meisten anderen Vereinigungen von Staaten waren entweder sehr kurzlebig oder auf Abschleifung der nationalen Eigenarten ausgerichtet.
Die Sowjetunion, die länger bestanden hat als bisher die EU, war dadurch gekennzeichnet, dass eine gewisse Russifizierung stattfand, und ging von einem europäischen Zentrum aus.
Der Begriff "Das britische Commonwealth" wurde schließlich durch "The Commonwealth of Nations" ersetzt (im Deutschen freilich fast durchweg nur mit Commonwealth wiedergegeben. Und Mansergh beschäftigt sich auf 75 Seiten nur mit der Entstehung des Begriffs und des Übergangs vom Empire zum Commonwealth.
Zumindest für mich sehr ungewohnt ist, dass dabei Empire stets mit "Reich" übersetzt wird, wo doch das Empire in seiner Ausprägung sich sehr von anderen Reichen wie "Römisches Reich" oder "Zarenreich", aber auch von anderen Kolonialreichen unterschieden hat, eben darin, dass es mehr Siedlerkolonien als diese enthielt und dass es sich in eine Staatengemeinschaft wie den Commonwealth überführen ließ.
https://en.wikipedia.org/wiki/Commonwealth_of_Nations
https://en.wikipedia.org/wiki/Archibald_Primrose,_5th_Earl_of_Rosebery
erste Formulierung des Commonwealthgedankens
https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Christiaan_Smuts Betonung auf die Nationen gelegt (S.53)
Rolle der Siedlungskolonien und späteren Dominions
Erfahrungen Indiens in der Zeit des Empire
Massaker von Amritsar 13.4.1919 (S.39)
"das darauf hin verhängte Kriegsrecht, die öffentlich vollstreckte Prügelstrafe und der Befehl, dass Inder an dem Ort, wo eine Missionarin tätlich beleidigt worden war, vorbeikriechen mussten." (S.39) Die "Kriechergasse (Crawling Lane) Amritsars" wurde in Indien als Symbol der Unterdrückung durch die Briten zum geflügelten Wort. (S.39/40)
O’Dwyer , der Gouverneur des Punjab "lobte General Reginald Dyers Verhalten, das zum Massaker von Amritsar führte, und befürwortete das Massaker als „korrekte Handlung“.[1][2" (Wikipedia) Dazu O’Dwyers Rechtfertigung: Michael O’Dwyer: India as I Know It, London, 1925..
"Während der Nationalismus sich in den späteren Entwicklungsphasen des Commonwealth als der wichtigste Faktor erwies, blieb die Commonwealth–Idee selbst im wesentlichen weiterhin liberal. Dieser Umstand erklärt sowohl die Weise als auch die Begrenzung ihres Gehalts." ("Das britische Commonwealth", S. 42)