Heiße Luft im Klima-Gesetz von Jörg Staude FR 29.4.-1.5.23
"Beim Klimaschutz können sich deutsche Bauern vorerst zurücklehnen. Laut Klimaschutzgesetz hätte die Landwirtschaft 2022 knapp 68 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen können. Tatsächlich waren es aber rund 62 Millionen. Der größte Teil der Unterbietung geht aber nicht auf wirkliches Einsparen zurück. Vielmehr hat der Weltklimarat die Klimawirkung von Lachgas-Emissionen aus der Düngung neu bewertet. Sie ist fast 40 Prozent niedriger als zuvor angenommen. Dadurch sinken die deutschen Agrar-Emissionen um jährlich fast fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Logisch wäre es, den Landwirt:innen die gut fünf Millionen Tonnen „heiße Luft“, die jetzt in ihrem CO2-Budget stecken, wegzunehmen. Das passiert aber erstmal nicht. [...]
Der Expertenrat für Klimafragen plädiert deswegen dafür, die „heiße Luft“ aus dem Klimagesetz zu lassen und das Sektorziel für die Landwirtschaft abzusenken. Bei den fast fünf Millionen Tonnen habe ja keine tatsächliche Emissionsminderung stattgefunden, argumentiert er. Die Umverteilung in die Zukunft passiert auch, wenn ein Sektor sein Jahresbudget überzieht. Weil der Verkehr im Jahr 2022 gut neun Millionen Tonnen CO2 zu viel emittierte, werden seine ohnehin sinkenden jährlichen Budgets zusätzlich abgesenkt, um ein bis zwei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, wie Marc Oliver Bettzüge vom Klimaexpertenrat vorrechnet.
Diese stetige Verschärfung folgt aus dem sogenannten Budget-Ansatz im Klimaschutz. Umfang und Tempo der Erderwärmung hängen bekanntlich davon ab, welche reale Menge an Treibhausgasen in die Atmosphäre abgelassen wird. Der Klimarat illustriert in seinem jüngsten Bericht das aktuell drohende Scheitern des deutschen Klimaziels für 2030 in zweifacher Weise. Bleibt es dabei, dass Deutschland seine CO2-Emissionen wie bisher um jährlich nur rund zwei Prozent senkt, wird der im Klimagesetz für 2030 festgelegte Zielwert von 440 Millionen Tonnen CO2 um 190 Millionen Tonnen überzogen, also um rund 40 Prozent, schreibt der Rat zum einen.
Schaut man aber aufs gesamte CO2-Budget von 2022 bis 2030, summieren sich die ständigen Überziehungen – vor allem bei Verkehr und Gebäuden – auf insgesamt 740 Millionen Tonnen, stellt der Klimarat fest. Zum Vergleich: Das ist so viel, wie Deutschland aktuell jährlich emittiert. Wegen des Unterschieds zwischen Jahreszielen und Gesamtbudget ist sogar eine Situation vorstellbar, dass Deutschland 2030 mit Ach und Krach irgendwie die 440 Millionen Tonnen schafft, aber dennoch das Budget für das 1,5-Grad-Limit aus dem Pariser Klimavertrag weit überzieht. [...]"
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