"Identitätspolitik (englisch identity politics) bezeichnet eine Zuschreibung für politisches Handeln, bei der Bedürfnisse einer spezifischen Gruppe von Menschen im Mittelpunkt stehen. Angestrebt werden höhere Anerkennung der Gruppe, die Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Position und die Stärkung ihres Einflusses. Um die Mitglieder einer solchen Gruppe zu identifizieren, werden kulturelle, ethnische, soziale oder sexuelle Merkmale verwendet. Menschen, die diese Eigenschaften haben, werden zu der Gruppe gezählt und häufig als homogen betrachtet. [...]
Für Francis Fukuyama fiel die Krise der Linken in den letzten Jahrzehnten mit ihrer Hinwendung zu Identitätspolitik und Multikulturalismus zusammen. Die Forderung nach Gleichheit sei für die Linke weiterhin kennzeichnend, doch ihr Programm legte nicht mehr wie einst den Nachdruck auf die Lebensbedingungen der Arbeiterschaft, sondern auf die Wünsche eines ständig größer werdenden Kreises ausgegrenzter Gruppen.[12] Für manche Linke sei die Identitätspolitik zu einem billigen Ersatz für ernsthafte Überlegungen geworden, wie der seit 30 Jahren andauernde Trend sozialökonomischer Ungleichheit in den meisten liberalen Demokratien umgekehrt werden könne.[13] Schon 1998 hatte Slavoj Žižek ähnlich argumentiert: Die postmoderne Identitätspolitik der partikularen (ethnischen, sexuellen und anderer) Lebensstile passe perfekt zu einer entpolitisierten Idee der Gesellschaft.[14] Russell A. Berman sieht in der Identitätspolitik auch eine Ähnlichkeit zur Strategie Teile und Herrsche des verwaltenden Staates. Durch Identitätspolitik würden sich soziale Bewegungen immer weiter fragmentieren.[15] Auch äußern linke Kritiker wie Walter Benn Michaels oder Sahra Wagenknecht, letztere in ihrem Buch Die Selbstgerechten, den Verdacht, dass es sich bei Identitätspolitik um die „Artikulation milieuspezifischer Präferenzen von ökonomisch Privilegierten“ handele.[16]
Unter Bezugnahme auf Walter Benjamins These von 1936, dass die faschistische „Ästhetisierung der Politik“ den Wunsch der Ausgebeuteten bediene, sich ästhetisch ausdrücken und zeigen zu können, z. B. auf Militärparaden oder im Massensport, formuliert auch der spanische Philosoph José Luis Pardo von der Universität Complutense Madrid die These, dass der Staat nach der Finanzkrise von 2008 bis 2012 die Politik einer sozialen Angleichung und Gleichstellung aufgegeben habe zugunsten der Förderung einer Identitätspolitik, die als eine rein symbolische Politik wesentlich billiger sei. Als wichtigstes Forum dafür sieht Pardo die sozialen Netze an, die aber die Ungleichheit nur demagogisch kaschieren und dem Konsensgedanken schaden könnten.[17] [...]." (Wikipedia)
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