Donnerstag, 9. März 2023

Zum Sprachgebrauch in politischen Diskussionen

  "Im Berliner Rundfunk läuft „Imagine“, und ich versuche etwas zu denken, in der Art von: verfickte Peacenik-Rotzekacke. John Lennon war auch so ein Sackgesicht. Kein Wunder, dass das FBI hinter ihm her war. Leider kriegten sie ihn nie am Arsch.


Große Beleidigungen

Am Ende waren beide chancenlos, gegen Die Zeit. Der Stimme des Bildungsbürgertums gelang es, eine Solidaritätserklärung an die Ukraine mit „Ich wünsche mir einen totalen Sieg“ zu überschreiben. Auf den Tag genau 80 Jahre nach Goebbels’ Sportpalastrede. Beim Schlag zählt nicht nur die Wucht. Aufs Timing kommt es an.

Als Medienmensch kannst du dich nicht verbal wegducken. Wort ist Waffe, du kämpfst bei den Guten, gegen Wagenknecht und Schwarzer. Denn die „scheißen auf ukrainische Gräber“ beziehungsweise „sind Putinfotzen“. Ersteres hat Sarah Bosetti recherchiert, eine öffentlich-rechtliche Humorstilistin, die zuletzt Impfskeptiker mit problemlos aus dem Volkskörper zu entfernenden Blinddärmen assoziierte.

Den Rest twitterte der österreichische Blogger Christian Kreil. Er schreibt für den Wiener Standard, ein diskriminierungssensibles Blatt. Weil jene Vokabel in meinen Texten nicht vorkommt, musste ich nachsehen, ob sie nicht doch mit V geschrieben wird. Nein, der Herr liegt, orthografisch, richtig. Zudem ist er gendergerecht genug, feindliche Männer als „Putinschwanzlutscher“ zu bezeichnen.


Metaphern fügen sich nicht in ihr Schicksal

Als progressiv versteht sich auch das „Browserballett“. Die ZDF-Online-Satiresendung schnitt Wagenknecht’sche Redefetzen zusammen, hierzu: „Alice Schwarzer und ich fangen jetzt auch an, uns die Schamhaare zu rasieren, um Putin ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten.“ Ich bin stolz, mit meiner Demokratieabgabe diesen tiefenpsychologisch interessanten Ausflug ins Diskussionsparterre unterstützt zu haben.

Der Unterhaltungskünstler Bastian Bielendorfer ergänzte, Frau Wagenknecht sei „einfach nur die leere Hülle eines seelisch und menschlich komplett verdorbenen Zellhaufens“. Nun ist die Hülle eines Zellhaufens aber gar nicht leer. Da ist ja der Zellhaufen drin. Ein häufiges Problem bei der Injuriensuche: Metaphern fügen sich nicht in ihr Schicksal. Das passiert sogar, wenn man vorher bei Julius Streicher nachgeschlagen hat.

Oldschool-Wertarbeit liefert Ex-FAZ-Herausgeber Hugo Müller-Vogg. Ihre „Machtbesessenheit, gepaart mit Intelligenz und Skrupellosigkeit“, mache Wagenknecht zur „gefährlichsten Frau Deutschlands“. Diesen Ehrentitel trug einst RAF-Mitarbeiterin Brigitte Mohnhaupt. [...]"



Berliner Zeitung 08.03.2023

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