Joachim Gauck: "Menschen, die die Freiheit, Demokratie und Menschenrechte lieben, fragen nicht danach, ob jemand schwarz ist oder weiß" ZEIT 31.3.21
Der Kampf gegen Rassismus ist eine demokratische Pflicht. Aber nicht Herkunft oder Identität entscheiden dabei, sondern Haltung – und die ist unabhängig von der Hautfarbe.
Weißsein privilegiert also. Ganz automatisch – per Schicksal. Ein Zeitgeist, aus angloamerikanischen Gefilden stammend, will es so. Über die Entstehung und das Anwachsen dieses von Amerika ausgehenden Narrativs ist viel geschrieben und gestritten worden. Inzwischen hat sich die Kritik an dem dominanten weißen Blick sogar bis in die vorkoloniale Zeit ausgedehnt, das Bild der Antike soll revidiert werden. Zuvor schon standen die Philosophen der Aufklärung auf dem Prüfstand. Ich bin Bürger eines Landes, in dessen Geschichte Nationalismus, Rassismus und auch Kolonialismus tiefe Spuren hinterlassen haben. Trotzdem lässt das pauschale Urteil, Weißsein privilegiere, bei mir Zweifel an seiner historischen Berechtigung aufkommen und ruft spontan einen aus tieferen Schichten stammenden emotionalen Protest hervor.Beginnen wir mit der Sprache. Spielt sie doch eine nicht unwesentliche Rolle bei den augenblicklichen Diskussionen um weiße Dominanz. Im allgemeinen Sprachgebrauch meinen Privilegien Vorrechte – wie etwa die eigene Gerichtsbarkeit und das eigene Erbrecht, und zwar für den Adel im Feudalstaat. Privilegien sind danach Sonderrechte für eine Minderheit; sobald Rechte wie etwa das Wahlrecht allen zuerkannt werden, werden sie vom Privileg zum Allgemeingut, zur Norm. Nach diesem Verständnis verfügen Weiße in unserer Demokratie über keinerlei Sonderrechte, die ihnen der Gerechtigkeit halber entzogen werden sollten. Vielmehr geht es darum, die faktischen Ungleichheiten aufzuheben, die Nichtweiße trifft, obwohl sie, von der Verfassung gestützt, dieselben Rechte haben. [...]
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