Kate Marvel: "Die Erde stellt ihr Wasser in der Regel nicht selbst her. Sie braucht es nicht. Viel davon kam bei der Entstehung des Planeten aus dem All, und seither ist diese Menge weitgehend dieselbe geblieben. [...] Wenn der Planet zuweilen auf seiner Umlaufbahn um die Sonne ein wenig ins Taumeln gerät, bleibt das Eis für ein oder zwei Weltzeitalter in Gletschern gefangen. Ist die Eiszeit zu Ende, entkommt es diesen Gefängnis in einer frischen Sturzflut und strömt in die wachsenden Ozeane. In kürzeren Zeitspannen – Tagen, Monaten oder der menschlichen Lebenszeit – zirkuliert es zwischen Meer oder Land und dem Himmel, wird weder erzeugt noch zerstört, aber ändetr doch ständig seine Gestalt.
Der Gestaltwechsel ist eine anstrengende Arbeit. Für die Verdunstung einer Flüssigkeit ist Energie vonnöten, weshalb denn auch unser Körper an heißen Tagen nass und klebrig wird. Die Verdunstung zieht Energie von der Oberfläche ab und befördert sie in den Himmel. Die Verdunstung heizt die obere Atmosphäre auf, Die wiederum Wärme an den kalten Weltraum abgibt. Wasser ist in Dampfform unsichtbar, doch der Himmel ist erkennbar mit weißen und grauen Wolken bemalt – Ansammlungen winzige Wassertröpfchen und Eiskristalle. [...]
Bei steigenden Temperaturen schwitzt die Erde noch stärker. Die Luft verlangt von der Erdoberfläche Wasser, und überlässt die Feuchtigkeit den durstigen Himmel. Die Ozeane können die gesteigerte Nachfrage problemlos bewältigen. An Land jedoch ist das Wasser im Boden gespeichert, wie in einem Schwamm. Selbst in Jahren mit durchschnittlichen Niederschlägen kann die gierige Luft das Lebensblut aus dem Boden saugen und ihn ausgedörrt und tot zurücklassen. Der Südwesten Nordamerikas erlebt die schlimmste Megadürre der Geschichte, und die Trockenheit dürfte noch zunehmen. [...]
Bei der Verdunstung verwandelt sich die Flüssigkeit in Dampf: farblos, geruchlos, aber durchaus nicht ohne Gewicht. In der Atmosphäre befinden sich 10 Millionen Milliarden Kilogramm Wasserdampf, bewegen sich auf und ab und seitwärts und üben allenthalben Druck aus. Am Ende wird der Druck unerträglich, und ein Teil des Wasserdampf verschwindet aus der Luft, indem er sich wieder in flüssiges Wasser verwandelt. Der Schwellenwert, bei dem das geschieht, steigt rasch mit der Temperatur: Heisere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen. [...] Wenn es auf einem heißeren Planeten regnet, gießt es in Strömen. Eine wärmere Welt wird unter der Dürre leiden, doch aufgrund der grausamen Logik des Wasserkreislaufs wird es auch Überschwemmungen geben.
Die verschärften Dürren und katastrophalen Überschwemmungen sind charakteristische Fingerabdrücke menschlicher Eingriffe, [...] Satellitenbeobachtungen zeigen langfristige Veränderungen der Niederschlagsmuster [...] Das Wasser im Süd- und Nordpolarmeer hat wegen der verstärkten Niederschläge dort an Salzgehalt verloren, während der Salzgehalt des Mittelmeers und der subtropischen Meeresregionen wegen der trockenen Luft gestiegen ist. Auf dem Land bieten alte Bäume die Möglichkeit, weit zurückreichende Zusammenhänge für die Gegenwart zu erschließen. Ihre inneren Wachstumsringe erzählen eine Geschichte von feuchten und trockenen Jahren, von wechselnden Feuchtigkeitsbedingungen in den Böden, aus denen sie ihre Nahrung bezogen. [...] Zu Dürren käme es auch in einer Welt ohne Menschen. Ungewöhnlich ist jedoch, dass all diese Gebiete zur selben Zeit austrocknen. Das kann die Natur nicht. Aber wir können es.
Wir leben heute in einer Welt, die wir weitgehend selbst geschaffen haben. [...] Wir werden unseren Umgang mit der Welt überdenken. Wir werden unsere Energie von der Sonne und dem Wind beziehen, die den Tanz des Wassers von der Oberfläche in die Atmosphäre und zurück antreiben. Wir werden fortbestehen und uns wandeln wie das Wasser, auf das wir angewiesen sind. Wir müssen es." (S.76-78)
aus: G. Thunberg: Das Klima-Buch, S.76-78
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