Stalins Aufstieg: Zerschlagene Zukunft von Arno Widmann, 1.4.22
"[...] 1921 war ein Schicksalsjahr der Russischen Revolution. Die Bolschewiki hatten den Bürgerkrieg gewonnen und diesen Sieg sofort genutzt. Auf dem 10. Parteitag im März 1921 wurde die „Arbeiteropposition“ als Fraktion verboten. Am 17. März wurde in Kronstadt ein Aufstand der Matrosen zusammengeschossen, die sich gegen den Verrat der revolutionären Ideale durch die Bolschewiki wandten. Gleichzeitig war die Rote Armee mit der Niederschlagung von Bauernaufständen beschäftigt. [...]
Noch im Jahr davor waren viele Bolschewiki davon ausgegangen, dass die russische Oktoberrevolution nur der Auftakt einer Reihe von sozialistischen Umstürzen gewesen war. Die deutsche Revolution von 1918 war zwar in den Augen der Bolschewiki sozialdemokratisch versandet, aber Josef Stalin ging noch im Sommer 1920 davon aus, dass die Rote Armee Polen schlagen werde und dann der Weg nach Berlin frei wäre. Zur Unterstützung der von deutschen Kommunisten anzuzettelnden Aufstände. Es kam anders. Polen schlug die Rote Armee. Russland wurde auf sein Kerngebiet zurückgedrängt. Stalin bekam einen Rüffel, wurde in den Kaukasus geschickt, kam aber schon nach ein paar Wochen zurück.
Um die Provinzialisierung Russlands zu verhindern, wurde die Gründung einer Sowjetunion geplant. Dabei gerieten Lenin (1870-1974) und Stalin aneinander. Stalin schlug vor, „die Ukraine, Weißrussland, Georgien, Aserbaidschan und Armenien – sowie die kleineren ethnischen Einheiten mit gewissen Autonomierechten in der Russischen Sowjetrepublik zu vereinigen“. (Oleg Chlewnjuk, in seiner Stalin-Biografie, auf Deutsch 2015 bei Siedler erschienen). Lenin dagegen plädierte für eine Union unabhängiger Sowjetrepubliken. Stalin gab nach. Für diesmal. Am 30. Dezember 1922 wurde die Sowjetunion gegründet. Am 26. Dezember 1991 wurde sie aufgelöst. Nachdem am 1. Dezember 1991 die Mehrheit der Bürger der Ukraine ihre Unabhängigkeit gefordert hatten. [...]
Es ist denkbar, dass Lenin Trotzkis Siegeszug auch durch die Gemüter der Parteigenossinnen und Genossen misstrauisch beäugte und darum Stalin schnell aus dem Kaukasus zurückrief. Als dann auf dem 11. Parteitag der Parteisekretär, Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow (1890–1986), scharf kritisiert wurde, wurde aus dem Sekretär ein Generalsekretär und Stalin übernahm das Amt.
Die Partei, die bisher Revolution gemacht und Krieg geführt hatte, musste jetzt ein Land regieren – und das Leben der Menschen kontrollieren. Also: Politik, Wirtschaft, Kultur. Den dafür nötigen Apparat baute Stalin auf. Er baute ihn auf, er zerstörte ihn, er baute ihn wieder auf. [...]
Molotow war es nicht geglückt, „die Partei zu einer handlungsfähigen Einheit zu machen, die auf allen Ebenen dem Kurs der Führung folgte und deren Politik vor Ort durchsetzte“ (Helmut Altrichter in seinem Buch „Stalin – der Herr des Terrors“, Beck 2018). Stalin schaffte genau das – durch alle Zerstörungen von Partei und Gesellschaft hindurch, über Millionen Leichen hinweg. Niemand hat so viele Kommunisten und Kommunistinnen getötet wie die KP der Sowjetunion. Bis die chinesische kommunistische Partei auch diesen Rekord brach.
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