Kathrin Passig macht in ihrer Kolumne in der FR vom 26.6.21 darauf aufmerksam, dass es sich nicht gehört, wenn man hinter Leuten vorbeigeht, auf ihre Handys zu schauen.
Dabei ist es doch unproblematisch, auf das Buch zu sehen, das jemand liest. Aber da steht ja nicht sein eigener Text.
Es gehört sich nicht, weiblichen Personen auf die Brust zu starren, so dass es T-Shirts gibt, auf denen steht "Mein Gesicht ist weiter oben". Dabei gehört es sich je auch nicht, jemanden mit seinen Blicken zu fixieren.
Die Brust nicht ansehen, weil sie ein (sekundäres) Geschlechtsmerkmal ist? Aber es ist doch unproblematisch, sich einen Bart anzusehen. Aber den lässt sich der Besitzer absichtlich wachsen. Bei der Brust ist das anders. Aber wenn sich die Besitzerin sie absichtlich hat vergrößern lassen? Inzwischen lassen sich viele auch den Po vergrößern.
Es ist nicht einfach. In Ländern, in denen es unüblich ist, Gardinen hinter den Fenstern zu haben, gehört es sich nicht, in die Fenster zu schauen. Jedenfalls in Irland. Und in den Niederlanden?
Beim Warten auf den Aufzug sieht man sich nicht ausdrücklich an, sondern sieht auf das Display, das angibt, wo der Aufzug gerade ist. Im Aufzug sieht man in eine unverfängliche Richtung, was sich ändert, wenn der stecken bleibt.
Verboten ist es nicht, zu registrieren, wenn ein Paar nebeneinander sitzt und jede(r) aufs Handy schaut. Verboten ist es auch nicht, zu registrieren, was für eine Zeitung jemand liest oder kauft.
Jemanden auf das ansprechen, was er gerade liest, macht man aber besser nur, wenn man länger zusammen ist, etwa auf einer Bahnfahrt. Da ist die große Chance, jeanden unverbindlich für die Dauer einer Fahrt kennenzulernen.
Auf diese Art haben sich in Italien meine Mentorin und unsere Kinderfrau kennengelernt, die beide denselben Nachnamen haben und deren Freundschaft Jahrzehnte überdauert hat.
Aber das kommt bei Passig nun wirklich nicht vor, doch sie hat manches Nachdenken und Erinnern angeregt.
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