De Maizières Ausbilder im Fahnenjunkerlehrgang war der Hauptmann Ferdinand Schörner mit dem Orden, der fachlich sehr gut, aber zu arrogant und scharf war. (Er stellte sich 1933 als eifriger Nazi heraus und stieg dann zum Generalfeldmarschall auf.) Was de Maizière von ihm gelernt hat war die Befehlssprache. Die konnte er während seiner gesamten Berufszeit gut gebrauchen. Schörner blieb sein Ausbilder in Taktik auch im Fähnrichlehrgang. Hinzu kam als Infanterielehrer der Major Erwin Rommel ebenso so mit dem Orden Pour le mérite (Seite 28 und 30)
Am 30.6.1934 wurde de Maizière mit einem Zug von Soldaten zur Verteidigung der Kaserne in Ruppin gegen SA losgeschickt. Mit 22 Jahren war er dafür eigentlich zu jung.
"Die Vorgänge um den 30. Juni 1934 blieben noch längere Zeit Gesprächsgegenstand. Mit Erleichterung wurde es begrüßt, daß dem ungesetzlichen, oft revolutionären Treiben der SA ein Ende gesetzt war. Die SA war entmachtet und führerlos, der Nachfolger Röhms unbedeutend. Aber das Mord ein Mittel der Politik geworden war, ließ doch viele erschrecken." (Seite 38/39)
1935 wurde de Maizière nach Landsberg an der Warthe versetzt. "Landsberg, eine Stadt mit etwa 45.000 Einwohnern, hatte seit 1918 keine Garnison mehr beherbergt. Die Bevölkerung begrüßte daher das Bataillon mit großer Freude und Zustimmung." (Seite 40)
"Die Entlassungen Blombergs und Fritschs gaben Hitler willkommenen Anlaß zu einer grundlegenden Änderung der militärischen Spitzengliederung. Er übernahm selbst den Oberbefehl über die Wehrmacht unmittelbar; aus dem Reichskriegsministerium wurde das Oberkommando der Wehrmacht, dessen Chef Generaloberst Keitel. [...] Welche Konsequenzen es haben mußte, daß aus einem formell selbstständigen Reichsminister nun ein abhängiger 'Chef OKW' [Oberkommando der Wehrmacht] geworden war, ist mir damals nicht bewußt geworden." (S.46)
Seite 48
Generalmajor von Hase wurde versetzt.
"Wenn auch nicht ganz frei von Eitelkeit, besaß Hase eine natürliche Autorität. Sein Auftreten erheischte Respekt. Aus seiner Abneigung gegen Adolf Hitler und dessen Regime machte er kein Hehl. Daß dem Regiment in den militärischen Vorbereitungen für einen durch das Münchener Abkommen zunichte gewordenen Umsturz eine besondere Rolle zugedacht war, hatte er sich für sich behalten, sicherlich nicht aus fehlendem Vertrauen, mehr wohl aus dem Bestreben, seine Untergebenen nicht mit einem Wissen zu belasten, das sie gefährden konnte." (S.48)
[...] Die Bevölkerung hatte den deutschen Einmarsch im Sudetenland als Erfolg begrüßt. Dann "wurde die Öffentlichkeit am 9./10. November durch die Ereignisse der sogenannten 'Reichs-Kristallnacht' aufgeschreckt" [...] der Vorgang und sein zeitlicher Zusammenhang machten anschaulich, welchem Wechselbad von Erfolgen und Rechtsverletzungen, von Zustimmung und Ablehnung die Menschen jener Jahre ausgesetzt waren." (Seite 48)
Im Vorgang des Angriffs auf Polen:
"In der Nacht vom 25. zum 26. August rückte die Truppe in die Bereitstellungsräume ein.
Der Angriff auf Polen sollte um 04:00 Uhr morgens beginnen. Nur wenige Stunden vorher überraschte uns der Befehl, alle Angriffsvorbereitungen einzustellen und die Truppe sofort hinter eine von der Grenze deutlich abgesetzte Linie zurückzuziehen.[...]
Am 31. August aber schien es nun doch ernst zu werden. Ein um 18:00 Uhr eingehender Befehl wies das Regiment an, nach Einbruch der Dunkelheit erneut die Ausgangsstellungen zu beziehen und am 1. September, 04.45 Uhr, die Grenze zu überschreiten. [...] (S.51)
"Unvergeßlich ist das Erlebnis der 'Feuertaufe'. Man muß es erst lernen, im Feuer feindlicher Infanteriewaffen oder der Artillerie zu liegen. Ich kenne niemanden, der dabei nicht Angst empfunden hätte. Aber man kann die Angst überwinden. Der Vorgesetzte hat es dabei leichter; auf ihn richten sich die Augen der Untergebenen, von ihm erwarten sie beispielhaftes Verhalten. Der Zwang zum Handeln überdeckt die Angst, die Erwartungen der Untergebenen wirken als Ansporn." (S.52)
"Aber zum ersten Male zu erleben, wie Kameraden in unmittelbarer Nähe sterben, greift tief in das Bewusstsein ein. Nur die Pflicht, der eigenen Verantwortung gerecht werden zu müssen, hilft über solche Belastungen hinweg. [...] der Stolz über die eigenen Erfolge konnte das Mitgefühl für den geschlagenen Gegner nicht ganz verdrängen. "(S. 53)
Nach dem Ende des Polenfeldzug wurde die Truppe in 32-stündiger Eisenbahnfahrt an die französische Grenze verlegt
"Vor allem die Kameraden, die schon am Polenfeldzug nicht hatten teilnehmen können, fürchteten, es würde Ihnen zum zweiten Male die Möglichkeit verwehrt werden, sich im Gefecht zu bewähren und eigene Kriegserfahrungen zu sammeln." (S. 58)
"Obwohl der Feldzug in Frankreich praktisch schon entschieden war, erklärte Oberst von Witzleben: 'Sie brauchen keine Sorge zu haben. Sie haben noch nichts versäumt.' Damals hatten wir keinerlei Verständnis für seine Aussage, aber dieses Mal bewies er den größeren Weitblick." (Seite 59)
Zum 20. Juli 1944:
"Das Attentat bedeutete einen tiefen Einschnitt in das innere Gefüge der Truppe. Bisher hatte man im Heer offen sprechen, Kritik üben oder sogar Zweifel an dem vielbeschworenen Endsieg äußern können, ohne fürchten zu müssen, denunziert zu werden. Wenige Ausnahmen bestätigten nur die Regel. [...] Dies änderte sich nach dem 20. Juli. (Seite 90)
Mein angestauter Ärger über das 'Herumgereichtwerden' veranlasste mich, den Personalbearbeiter des OB West vorzuschlagen, mich, wenn er jetzt keine angemessene Verwendung für mich habe, nach Göttingen zu meiner Frau zur beurlauben, wo ich mich ja jederzeit abrufbereit halten könnte. Er stimmte zu und so verlebten wir zweite Flitterwochen in einer kleinen Wohnung, die uns eine Freundin meiner Frau in Göttingen zur Verfügung stellte. Wir genossen diese Zeit; aber je länger sie dauerte, umso mehr belastete sie mein Gewissen. (Seite 98)
"[...] Die Alliierten drangen über die deutschen Reichsgrenzen auf den Rhein vor. Ich aber saß als Zuschauer in der Heimat. Unter Umgehung des OB West meldete ich mich Ende Januar von Hannover aus telefonisch beim Heeres-Personalamt mit der Frage, ob man mich eigentlich vergessen habe. Und anscheinend hatte man mich wirklich aus den Augen verloren; jedenfalls freute sich der zuständige Referent zu hören, daß ich wieder einsatzbereit und verfügbar sei. Er stellte eine Benachrichtigung innerhalb weniger Tage in Aussicht." (S.98/99)
Das Kriegsende
"Der Dienst in der Operationsabteilung führte mich mehrfach in die Reichskanzlei zum unmittelbaren Vortrag bei Adolf Hitler." (S. 103)
Die kleine Lage fand jede Nacht gegen 1:00 Uhr im Bunker der Reichskanzlei statt. Dort trugen nur rangjüngere Offiziere vor, [...]" (S. 104)
"Aber so hinfällig Hitler auch zunächst erschien, Das Bild änderte sich mit dem Beginn des Vortrages. Er hörte aufmerksam zu, griff oft und lebhaft in die Vorträge ein, stellte ergänzende Fragen. Wenn er zu sprechen begann, belebten sich Augen und Sprache. Sie bekamen Farbe, Energie, oft auch Schärfe." (S. 105)
"Am 15. März hatte sich der eine Woche zuvor zum Oberbefehlshaber West ernannte Feldmarschall Kesselring zum Vortrag angemeldet. Wir glaubten zu wissen, daß Kesselring entschlossen war, Hitler zu erklären, die Westfront sei ohne wesentliche Verstärkungen nicht mehr zu halten. Die politischen Konsequenzen waren offensichtlich. Kesselring traf zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr nachts nach langer Autofahrt ein. Hitler ging ihm mit ausgestreckten Armen entgegen und bedankte sich mit überschwänglichen, warmen Worten für sein Erscheinen. Dann trug Kesselring etwa 1 Stunde lang vor, sachlich, nüchtern und wahrheitsgemäß. Anschließend nahm Hitler das Wort, sprach fast die gleiche Zeit mit großen Worten und Gebärden, ohne eine kurzfristig wirksame, konkrete Hilfe zu zu sagen. Und Kesselring verabschiedete sich mit den Worten: 'Mein Führer! Ich will es noch einmal versuchen.'Dieser Vorgang machte ein Phänomen deutlich, über das schon oft geschrieben ist, das dennoch nur schwer zu verstehen ist. Von Adolf Hitler ging selbst in seinem kranken Zustand eine Wirkung aus, die – rückschauend betrachtet – ein Schlüssel für so vieles sein kann, was sich damals zugetragen hat und heute unverständlich erscheint. Hitler besaß eine unerklärliche, ich scheue mich nicht zu sagen, dämonische persönliche Ausstrahlungskraft, die man kaum beschreiben, erst recht nicht begreifen kann, und der sich nur ganz wenige Menschen haben entziehen können. Selbst ältere, lebenserfahrene und ranghohe Persönlichkeiten unterlagen dieser Wirkung." (S.105/06) [...]Seine Geisteskrankheit bestand in einer hypertrophen Selbstidentifikation mit dem deutschen Volk. Er schien mir subjektiv davon überzeugt zu sein – und er sprach das auch so aus –, daß mit dem Ende seines Lebens und seiner Ideologie eine weitere Existenzmöglichkeit für das deutsche Volk nicht mehr bestünde. [...]Schließlich besaß Hitler ein ebenfalls als abnorm zu bezeichnendes, detailliertes Gedächtnis für Zahlen und technische Daten. Es gelang ihm immer wieder, Vortragende bloßzustellen und zu verunsichern, indem er ihnen Ungenauigkeiten in technischen Details nachwies. Diese scheinbare fachliche Überlegenheit verstärkte die schon beschriebene erdrückende Ausstrahlungskraft.Um nicht mißverstanden zu werden: ich habe hier nur über die von Hitler als Person ausgehende Wirkung auf seine Umgebung berichtet: die Amoralität seines Denkens und Handelns ist ein anderes Thema." (S.106) "Dönitz und Jodl erwiesen sich jetzt als starke Persönlichkeiten mit Initiative und Tatkraft. Ihr politisches und militärisches Ziel war eine rasche Beendigung des Krieges. Die noch verbleibende Zeit sollte genutzt werden, so viele Menschen wie möglich, Soldaten und vor allem Zivilisten, aus dem Osten des Reiches dem Zugriff der Sowjets zu entziehen." (S. 107)Über Jodl:"Mit starkem Willen und nach einem klaren mit Dönitz abgestimmten Konzept war er die treibende Kraft für die Abwicklung des Krieges bis zur Kapitulation. Ihm ist es zuzuschreiben, daß du mit den Engländern eine vorgezogene Teilkapitulation abgeschlossen werden konnte. Ihm verdanken Hunderttausende von Menschen, daß sie noch in die von den britischen und amerikanischen Truppen eroberten Gebiete Deutschlands ausweichen konnten. Bei aller Schuld, die Jodl in jahrelanger engster Zusammenarbeit mit dem Diktator auf sich geladen hat, [...] gebietet es die Gerechtigkeit, die Leistung dieses Mannes in den letzten Tagen des Krieges nicht unerwähnt zu lassen." (S. 116)
Zur
Abwägung der Rollen bei der Durchsetzung der Inneren Führung
schreibt de Maizière:
"Kielmannsegg
und ich unterstützten diese Prinzipien aus Überzeugung. Allerdings
war unser gesamter Ansatz vorwiegend pragmatisch bestimmt. Wir gingen
vom militärischen Auftrag aus. Unser Ziel war eine einsatzbereite
Armee in einem demokratischen Staat, militärisch effiziente
Streitkräfte, getragen von demokratisch denkenden Soldaten. Für
Baudissin hatte Priorität die liberal-demokratische Reform, in die
er die Streitkräfte einbeziehen wollte und aus der heraus er ihre
Einsatzbereitschaft entwickeln wollte. In den praktischen Ergebnissen
stimmten wir weitgehend überein, und auf dieser Übereinstimmung
beruhte unsere enge Zusammenarbeit. Ich stehe nicht an zu erklären,
daß das entscheidende Verdienst in jener Zeit* Baudissin zufällt.
Er war es, der die Vorstellungen vieler Mitwirkender innerhalb und
außerhalb von Regierung und Parlament inspirierte und sie
schließlich zu einem überzeugenden Gedankengebäude zusammenführte.
Hierbei bewies er konsequente Durchsetzungskraft, auch wenn diese
nicht immer frei von Intoleranz war, und eine bemerkenswerte
Zivilcourage, die ihn auch schon in früheren Zeiten ausgezeichnet
hatte." (S. 175)
*1951
"Mit
der Ernennung General de Maizières zum Generalinspekteur
1966
setzte die politische Führung ein klares Signal für die Innere
Führung." (Wikipedia: Innere
Führung)
Über Ulrich de Maizière im Zusammenhang mit seinem Sohn:
"Kurz
nach seiner Ernennung hält er am 20. Juli, dem Jahrestag des
gescheiterten Attentats auf Hitler, eine viel beachtete Rede in der
Bonner Beethovenhalle: "Der Widerstand formt das Traditionsbild
der Bundeswehr". Bald darauf droht der Kalte Krieg heiß zu
werden, im August 1968 rücken Truppen des Warschauer Pakts in die
Tschechoslowakei ein und beenden den Prager Frühling brutal. Nun
trägt jener Mann, der einst in Hitlers Bunker saß, Kurt Georg
Kiesinger die Lage im Bundeskanzleramt vor.
Insgesamt
fünfeinhalb Jahre bekleidet Ulrich de Maizière das Amt des
ranghöchsten Soldaten - unter drei höchst unterschiedlichen
Regierungskoalitionen. Nach dem Abschied aus dem Amt 1972 bleibt er
noch beratend für das Verteidigungsministerium tätig und wird
Ehrenpräsident der Clausewitz-Gesellschaft. In seiner Zeit in der
Bundeswehr erwirbt er sich den Ruf eines untadeligen Reformers.
Darauf kann sein Sohn als neuer Verteidigungsminister aufbauen, wenn
er jetzt die größte Strukturveränderung in der Geschichte der
Bundeswehr vollenden muss: Der Name de Maizière hat in der Truppe
einen guten Ruf." (Die
Welt, 6.3.2011)