"Die Haltung Moskaus zu Pekings Initiative bleibt positiv, auch wenn Russland in den vergangenen sechs Jahren seit Beginn der BRI nicht jenen Strom an chinesischen Investitionen erhalten hat, mit dem es gerechnet hatte. Bedenkt man jedoch, dass die Qualitätsanforderungen an die Investitionen ursprünglich recht streng waren und die Ziele einer "Beteiligung" an der chinesischen Initiative auf dem Gebiet der Geopolitik und des Aufbaus einer multipolaren Welt lagen, ist die Politik Moskaus hinsichtlich der BRI als effektiv zu bezeichnen. [...]
So war für jene Experten, die den "Wirtschaftsgürtel Seidenstraße" als Verkehrs- und Infrastrukturprojekt betrachten, von Anfang an die Befürchtung kennzeichnend, dass "die Seidenstraße an Russland vorbeiführen" könnte, dass nämlich die transkontinentalen Verkehrskorridore durch die Nachbarstaaten verlaufen könnten, u. a. auf überaus exotischen Routen. Darüber hinaus gibt es Befürchtungen, dass zukünftige chinesische Investitionen zu Lasten einer möglichen Entwicklung Sibiriens und des Fernen Ostens vor allem auf dem Gebiet des europäischen Russland getätigt werden könnten, was zu einem Niedergang der Transsibirischen Eisenbahn und der Baikal-Amur-Magistrale (BAM) führen würde.
Versteht man die BRI in einem weiteren Sinne und sieht in ihr vor allem Möglichkeiten für eine Investitionszusammenarbeit, so ist auch zu berücksichtigen, dass nicht alle chinesischen Investitionen als ein Segen wahrgenommen werden. So schätzen Experten aus Russland die Aussicht auf eine Gewährung "verknüpfter" Kredite, die von der chinesischen Seite losgelöst von einem etwaigen Nutzen für die russische Volkswirtschaft betrieben werden dürfte, kritisch ein.In der Praxis fordert die chinesische Seite bei den Verhandlungen fast immer bestimmte "staatliche Garantien". Der Erhalt chinesischer Investitionen gegen derlei Garantien bedeutet, dass der Kreditgeber in dem Fall, dass ein Projekt sich kommerziell nicht lohnt und keinen Gewinn abwirft, die Zeche dennoch nicht wird bezahlen müssen. Hieraus ergibt sich angesichts des Umstands, dass die meisten Infrastrukturprojekte in Russland (aufgrund der niedrigen Bevölkerungszahlen und des geringen Marktvolumens) nicht rentabel sind, dass Russland praktisch mit seinem Geld die außenwirtschaftliche Expansion Chinas und eine Modernisierung der chinesischen Wirtschaft bezahlen würde.[...]
Der Kurs einer "imitierten Integration", den Moskau gegenüber der chinesischen "Belt and Road Initiative" eingeschlagen hat, ist recht erfolgreich gewesen. So gelang es Russland, höchst wichtige Aufgaben zu bewältigen, um der drohenden internationalen Isolation zu entgehen, ohne sich bei der Verwirklichung der Investitions- und Infrastrukturprojekte zu sehr von China einspannen zu lassen, wie das mit einer Reihe von Ländern geschieht, unter anderem im postsowjetischen Raum (etwa in Tadschikistan). Daher gibt es keinen Grund davon zu sprechen, dass Russland, wenn Peking die BRI verwirklicht, zu dessen Juniorpartner wird. Moskau verfolgt weiterhin eine souveräne Politik, indem es sowohl seine geopolitischen wie auch seine wirtschaftlichen Interessen wahrt."
http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/analysen/297996/analyse-die-neue-seidenstrasse-und-russland-zwischen-geopolitik-und-wirtschaft
Zur Seidenstraße jetzt auch:
https://www.zeit.de/2019/51/neue-seidenstrasse-china-globalhandel-machtpolitik-wirtschaftswachstum/komplettansicht ZEIT 5.12.19
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen