"Meine geheimen Morgenstunden, geheimen Spaziergänge, meine einsame, intime Selbstzerfleischung, das Schreiben als Geheimnis: all das ist vorbei, kann es vorbei sein? Die träumerischen Zusammenhänge meines Lebens, der Augenblick vor – annähernd genau – zwanzig Jahren, da ich, in hoffnungsloser Lage, mitten in ein für Liebe gehaltenes hoffnungsloses Gefühlsknäuel verwickelt, sagte (im Flur des Verlags für Schöne Literatur auf einer plüschbezogenen Bank am Eingang zur Kantine sitzend), da ich also zu M.Á. sagte, dass ich Weltruhm brauchte, dass nur Weltruhm mich retten könnte. Voilà: hier steht er am Tor. Ich bin sogar schon eingetreten durch das Tor – ist es nicht so? Der Wächter in seinem buschigen Pelz ist mit einer hereinbittenden Geste beiseite getreten, nachdem er zuvor so gnadenlos schien, als wolle er mich glauben lassen, dass er nicht mein Tor, mein einziges, für mich allein bestimmtes Tor bewache. Mein Bündel aber, in dem mein ganzer ärmlicher Schatz steckt, nehme ich, über die Schulter geworfen, mit mir, über die Tore hinaus, ich gebe es nicht her, gebe es nicht an der Garderobe für verführerische Verheißungen ab, tausche es nicht für irgendeinen eleganten Reisekoffer ein. Lerne die Freiheit so zu genießen, wie du die Tafel beim festlichen Dinner genießt: Werde nie satt, nimm von den feinen Bissen und habe die Kraft liegenzulassen, was bereits nicht mehr nötig ist. (1994) [...]
Mit zitternder Demut warte ich, ob mir noch ein mir wichtiger Text "in die Feder" kommt, den ich noch ausführen kann, und ich weiß, dass auf mich nichts anderes wartet; dies jedoch und die Seelen- und Körperwärme, die ich von M. erfahre, sind genug, mehr als genug zur Seligkeit und um am Ende sagen zu können: "Ich hatte ein wunderbares Leben ..." (1995)"
(Tagebücher des Literaturnobelpreisträgers Imre Kertész)
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