Georg Schramm: Das perfide ist, dass es dem einfachen Zuhörer nicht sofort auffällt. Gesagt wird ja nicht „Das sind gute Menschen“, sondern ein „Gutmensch“ ist ja einer, der angeblich weltfremd ist. In dem Sinne: „Die baden darin Gutes zu tun und glauben, damit wird die Welt automatisch gut.“ Das ist ein sehr dreister Vorwurf. Beim längeren Nachdenken bin ich darauf gekommen, dass die Gutmensch-Diffamierung vielleicht damit zu tun hat, dass die Konfrontation mit Leuten, die so etwas tun, wie Flüchtlingen zu helfen, einen innerlich in Zugzwang bringen. (FR 13.1.16)
Als „Gutmenschen“ wurden 2015 insbesondere diejenigen beschimpft, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder die sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellen. Mit dem Vorwurf „Gutmensch“, „Gutbürger“ oder „Gutmenschentum“ werden Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert (Wikipedia zu Unwort des Jahres)
Wikipedia zu Gutmensch:
"[...] Nach Rembert Hüser entstand Gutmensch als eine „Witzelei“ der „89-Generation“-Feuilletonisten und Autoren wie Rainer Jogschies,[7] Matthias Horx und Klaus Bittermann, die „Anti-68er-Lexika“ in der Tradition von Eckhard Henscheids Dummdeutsch-Wörterbuch verfassten. Diese Wörterbücher – eine Mischung aus Bekenntnis– und Unterhaltungsliteratur – unterscheiden nicht zwischen Worterklärung und Wortgebrauch. Im Nachwort seines „Wörterbuchs des Gutmenschen“ schreibt Bittermann:
„Am Ende seiner gegen den ‚Versöhnungsterror der bundesrepublikanischen Provinz‘ gerichteten Glossen […] schrieb Karl Heinz Bohrer Anfang 92: ‚Vielleicht wäre es am besten, der Merkur legte in Zukunft ein kleines Wörterbuch des Gutmenschen an. Dahinein gehörten die Mauer im Kopf einreißen oder Streitkultur oder eigensinnigoder Querdenker.‘ Darauf haben wir mit Spannung, aber leider vergeblich gewartet. Die Situation wurde seither nicht besser, so dass wir uns gezwungen sahen, das Projekt selbst in Angriff zu nehmen.[8]“
Seit Mitte der 1990er-Jahre etablierte sich der Begriff in politischen und ideologischen Debatten und wird oft zusammen mit „Politische Korrektheit“ verwendet,[9] um den politischen Gegner und seine Ansichten als moralisierend zu kritisieren.[10]
Der Herausgeber des Merkur, Kurt Scheel, stellte die Behauptung auf, den Begriff in diesem Sinne als Erster verwendet zu haben.[11][12] Das Wort galt in den Feuilletons als modischer „latest critical chic“. Politische Korrektheit wurde zuweilen, etwa von Klaus Bittermann, „Gutmenschensprache“, „Betroffenheitssprache“, „Gesinnungskitsch“, „Gesinnungssprache“ und „Plapperjargon“ genannt.[...]"
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