Da über die Demonstrationen nur sehr unvollständig berichtet wurde, hier ein paar Hinweise:
25.2. Friedensdemonstration in Bonn mit Margot Käßmann
25.2. Friedensdemonstration in Köln mit Margot Käßmann, Aufruf des Friedensforums (pdf)
Käßmanns Rede in Köln: Bezug auf Prantl und Habermas, 300 000 Kriegsflüchtlinge aus Russland, ihren Vater, der von 18 J. bis 25. J. als Hitlers Soldat gekämpft und bis zu seinem Tod den Krieg gehasst. Pazifisten zu beschimpfen, ist unwürdig einer demokratischen Diskussion. Wir distanzieren uns nicht von anderen Demonstrationen anderer Demonstrationen, die für einen Waffenstillstand und Verhandlungen eintreten, sei es in Berlin oder anderswo, Wir brauchen für die Zukunft dieser Welt keine Aufrüstung, sondern Abrüstung. Wir wollen eine entwaffnete Welt.
Käßmann im Interview in Phoenix
Referat von Käßmanns Position:
"Die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann, die auch zu den Unterzeichnern des ‚Manifest für den Frieden‘ gehört, hat ihre Kritik an der derzeitigen westlichen und deutschen Politik hinsichtlich des Krieges in der Ukraine erneuert. „Mir ist wichtig, dass es in Deutschland nicht nur ständig eine Diskussion um noch mehr Waffen, erst Helme, dann Verteidigungswaffen, dann Angriffspanzer und vielleicht auch Jagdbomber gibt, sondern dass die Diskussion sich darauf konzentriert, wie schnellstmöglich das Töten in der Ukraine gestoppt werden kann“, äußerte sich Käßmann im Fernsehsender phoenix. Viele Menschen in Deutschland hätten Angst, dass sich der Krieg ausweiten könne. Sie verstehe zwar die Argumente derjenigen, die darauf pochten, dass die Ukraine vor Verhandlungen die besetzten Gebiete zurückerhalte, „aber wie viele hunderttausende Tote soll es noch geben bis dahin“, meinte Käßmann und fügte hinzu: „Um der Menschen willen ist es doch wichtig, dass es sofort einen Waffenstillstand gibt und dann über die Maßnahmen verhandelt wird, wie es zum Frieden kommt“. Gerade in Deutschland sei es über Jahrzehnte Konsens gewesen, keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete zu liefern. „Dass das einfach über den Haufen geworfen wird, dafür müssen wir uns als Deutsche verantworten“, war die frühere EKD-Ratsvorsitzende überzeugt. Die deutsche Außenministerin habe zwar recht mit ihrer Auffassung, dass auch deutsche Waffen Menschenleben schützten. „Aber es stimmt eben auch, dass unsere Waffen Menschen töten“, so Käßmann. Sie habe im Übrigen nicht damit gerechnet, dass sich auch die AfD und rechte Kreise dem Manifest für den Frieden anschließen würden. „Ich finde das bedrückend und belastend. Wir müssen uns offenbar damit abfinden, dass die rechte Szene rund um die AfD ständig Aktionen kapern will“, erklärte Käßmann. Wer für den Frieden demonstriere, könne jedoch nicht den Nationalismus befördern wollen. Sie werde sich jedoch von diesen Entwicklungen nicht abschrecken lassen. „Ich werde deshalb nicht zu Hause bleiben und sagen, jetzt traue ich mich nicht mehr auf die Straße und dort meine Meinung zu sagen.“ "
Jürgen Habermas in der Süddeutschen Zeitung vom 14.2.2
"[...] Seit Monaten ist der Frontverlauf eingefroren. Unter dem Titel „Der Abnutzungskrieg begünstigt Russland“ berichtet beispielsweise die FAZ über den für beide Seiten verlustreichen Stellungskrieg um Bachmut im Norden des Donbass und zitiert die erschütternde Aussage eines leitenden Nato-Funktionärs: „Es sieht dort aus wie in Verdun.“ Vergleiche mit dieser grauenhaften, der längsten und verlustreichsten Schlacht des Ersten Weltkrieges haben mit dem Ukrainekrieg nur entfernt und nur insofern etwas zu tun, als ein anhaltender Stellungskrieg ohne größere Veränderungen des Frontverlaufs gegenüber dem „sinngebenden“ politischen Ziel des Krieges vor allem das Leiden seiner Opfer zu Bewusstsein bringt. Der erschütternde Frontbericht von Sonja Zekri, der seine Sympathien nicht verhehlt, aber auch nichts beschönigt, erinnert tatsächlich an Darstellungen des Grauens an der Westfront von 1916. Soldaten, „die sich an die Kehle gehen“, Berge von Toten und Verwundeten, die Trümmer von Wohnhäusern, Kliniken und Schulen, also die Auslöschung eines zivilisierten Lebens – darin spiegelt sich der destruktive Kern des Krieges, der die Aussage unserer Außenministerin, dass wir „mit unseren Waffen Leben retten“, doch in ein anderes Licht rückt. [...]
Denn abgesehen von den Menschenleben, die der Krieg mit jedem weiteren Tag fordert, steigen die Kosten an materiellen Ressourcen, die nicht in beliebigem Umfang ersetzt werden können. Und für die Regierung Biden tickt die Uhr. Schon dieser Gedanke müsste uns nahelegen, auf energische Versuche zu drängen, Verhandlungen zu beginnen und nach einer Kompromisslösung zu suchen, die der russischen Seite keinen über die Zeit vor dem Kriegsbeginn hinausreichenden territorialen Gewinn beschert und doch ihr Gesicht zu wahren erlaubt.
Abgesehen davon, dass westliche Regierungschefs wie Scholz und Macron telefonische Kontakte mit Putin aufrechterhalten, kann auch die in dieser Frage anscheinend gespaltene US-Regierung die formale Rolle eines Unbeteiligten nicht aufrechterhalten. Ein haltbares Verhandlungsergebnis kann nicht ohne die USA in den Kontext von weitreichenden Vereinbarungen eingebettet werden. Daran sind beide kriegführenden Parteien interessiert. Das gilt für Sicherheitsgarantien, die der Westen für die Ukraine gewährleisten muss. Aber auch für das Prinzip, dass die Umwälzung eines autoritären Regimes nur insoweit glaubwürdig und stabil ist, wie sie aus der jeweils eigenen Bevölkerung selbst hervorgeht, also von innen getragen wird.
Der Krieg hat überhaupt die Aufmerksamkeit auf einen akuten Regelungsbedarf in der ganzen mittel- und osteuropäischen Region gerichtet, der über die Streitobjekte der Kriegsparteien hinausreicht. Der Osteuropa-Experte Hans-Henning Schröder, ehemaliger Direktor des Deutschen Instituts für internationale Politik und Sicherheit in Berlin, hat (in der FAZ vom 24. Januar 2023) auf die Abrüstungsvereinbarungen und ökonomischen Rahmenbedingungen hingewiesen, ohne die keine Vereinbarung zwischen den unmittelbar Beteiligten stabilisiert werden kann. Schon die Bereitschaft der USA, sich auf solche Verhandlungen von geopolitischer Reichweite einzulassen, könnte sich Putin zugutehalten.
Gerade weil der Konflikt ein umfassenderes Interessengeflecht berührt, ist nicht von vornherein auszuschließen, dass auch für die einstweilen einander diametral entgegengesetzten Forderungen ein für beide Seiten gesichtswahrender Kompromiss gefunden werden könnte."
27.2. Demonstration in Berlin (Video)
Sarah Wagenknecht bei Lanzmann
Insgesamt war das Presseecho - so weit ich es feststellen konnte - schwach und Berichte meist ziemlich unvollständig.
Friedensbewegung gestern und heute: diffamiert als ferngesteuert
Zitate:
Heiner Geißler 1983 zitiert von wdr 2008
Er zitiert sinngemäß aus einem "Spiegel"-Interview mit dem grünen Abgeordneten Joschka Fischer: "Es sei angesichts von Auschwitz zu bedenken, ob jetzt wieder eine Massenvernichtung vorbereitet werde; früher entlang dem Koordinatensystem der Rasse und heute entlang dem Ost-West-Konflikt." Fischer ruft dazwischen: "Sie sollten sauber zitieren!" Geißler fährt fort: "Der Pazifismus der 30er Jahre, der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben, dieser Pazifismus der 30er Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht." Tumulte brechen aus. Der SPD-Abgeordnete Ernst Waltemathe, dessen pazifistische Verwandte in Auschwitz getötet worden sind, will von Geißler wissen, ob die Opfer demnach an ihrer Vernichtung selbst schuld gewesen seien. Die FDP-Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher fragt mit Tränen in den Augen, was der Pazifismus mit dem Judenhass der Nazis zu tun gehabt habe.
"„Viele Menschen“, bedauerte der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, „nehmen an Veranstaltungen teil, ohne zu wissen, dass sie von moskautreuen Kommunisten initiiert und gelenkt werden.“ Aus heutiger Sicht erstaunlich: Der SPIEGEL druckte zwar die Zitate dieser Unionspolitiker, ordnete sie jedoch kritisch ein und setzte ihnen Argumente entgegen, die diese Diffamierungen widerlegten. Ein wenig überspitzt könnte man sagen: Der SPIEGEL machte damals den Job, den heute alternative Medien wie die NachDenkSeiten übernehmen müssen.Ein wenig überspitzt könnte man sagen: Der SPIEGEL machte damals den Job, den heute alternative Medien wie die NachDenkSeiten übernehmen müssen."
Richard von Weizsäcker in seiner Rede vom 8.5.1985:
"Lassen
Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Haß
gegen andere
Menschen,
gegen Russen oder Amerikaner,
gegen Juden oder
Türken,
gegen Alternative oder Konservative,
gegen Schwarz
oder Weiß.
Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander."
Aktuelle Meldung:
"[...] Das Kriegsgeschehen erinnere an die Grabenkämpfe im Ersten Weltkrieg, und die ukrainischen Streitkräfte seien den Angreifern aus Russland derzeit in einigen Schlüsselbereichen zahlenmäßig stark unterlegen, sagte ein ranghoher EU-Beamter heute in Brüssel. [...]
Um der Ukraine die dringend benötigte Munition zur Verfügung zu stellen, wird derzeit erwogen, lieferwilligen Mitgliedstaaten einen deutlich höheren Anteil der Kosten aus EU-Mitteln zu erstatten als bislang. In einem bereits am Mittwoch bekannt gewordenen Diskussionspapier für die Mitgliedstaaten wird eine Rückerstattungsquote von bis zu 90 Prozent vorgeschlagen. [...]
Für die Rückerstattung von Munitionskosten wird vorgeschlagen, eine weitere Milliarde Euro aus der sogenannten Europäischen Friedensfazilität zu mobilisieren. Bei ihr handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument, über das die EU bereits heute Waffen und Ausrüstung liefert sowie die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte fördert. [...]" (FR 2.3.23)