Mittwoch, 15. Februar 2023

Privatunternehmen auf dem Mond in Vorbereitung

Der Flug des weißen Hasen ZEIT, 24.11.22

"[...] Ende dieses Monats soll es losgehen mit dem Premierenflug des japanischen Hakuto-R-Programms. Bei Redaktionsschluss war der Start mit einer Falcon-9-Rakete für den 28. November angekündigt (wobei wie immer in der Raumfahrt gilt: Es kann auch später werden).

Schlicht M1 heißt die erste Mission. Und der Name Hakuto verweist auf einen weißen Hasen, der in der japanischen Mythologie den Mond bewohnt, weshalb hier der Einfachheit halber von der Hasensonde die Rede sein soll. Diese Hasensonde jedenfalls ist silber-schwarz, steht auf vier aufklappbaren Beinchen und hat etwa die Dimensionen einer terrestrischen Telefonzelle. [...]
Diese gemeinsame Vorgeschichte beginnt im Jahr 2007, als der Internetgigant Google den Lunar X-Prize (kurz: GLXP) auslobt – für das erste private Team, dem es gelingt, "einen Roboter auf dem Mond zu landen, 500 Meter auf der Oberfläche zurückzulegen sowie Bilder und Daten zur Erde zu senden". Privat bedeutet: ohne staatliche Förderung. Tatsächlich nehmen auch Universitäten teil und einzelne Forscherteams. Sie alle müssen neben der herausfordernden Technikentwicklung auch Sponsorensuche und PR in eigener Sache betreiben. 
Dieses große, bunte Rennen hat nur einen Schönheitsfehler: Anfang 2018 geht es ohne Sieger zu Ende. Keines der liebevoll ertüftelten Geräte hat die Erde verlassen, geschweige denn den Mond erreichen können. [...]

Im März soll die Sonde Nova-C der texanischen Firma Intuitive Machines starten. Auch Astrobotic, hervorgegangen aus dem X-Prize-Team der Carnegie Mellon University, kündigte jüngst einen Start im ersten Quartal 2023 an, natürlich ebenfalls, um "die erste kommerzielle Landefähre auf den Mond" zu bringen. – Da beide Konkurrenten auf einer viel schnelleren Route als die gemächlich-energiesparende Hasensonde fliegen, ist das Rennen offen. 
 Bereits im Folgejahr soll Astrobotic dann für die Nasa Gerät zum lunaren Südpol liefern, um dort nach Wassereis zu suchen. Eis in der immer kalten Finsternis schattiger Mondkrater stellt die ultimative Verlockung dar. Aus der Ferne wurde es detektiert, aber kann man es auch vor Ort bergen? Gelänge dies, stellte es einen Rohstoff sondergleichen dar: Treibstoff ließe sich daraus gewinnen. Schon träumt man in der Raumfahrtbranche von einem lunaren Markt, einem "dynamischen ökonomischen System", so Ispace-Chef Hakamada, der nach dem Erstflug gleich weitere Mondmissionen plant.
Sein Konkurrent Astrobotic stellte im September gar ein Konzept für ein Netz aus Stromtankstellen auf dem Mond vor: Landesonden mit Solarzellen und Batterien sollen ein "LunaGrid" bilden, das anderen Apparaten per Strom-Infusion durch lange, kalte Mondnächte hilft. Zudem werden künftige Mondroboter auf Datenfunk und Navigation angewiesen sein. Günstig wäre es da, wenn nicht jeder Apparat alle nötigen Systeme selbst besitzen müsste, sondern vorhandene Infrastruktur nutzen könnte. Die Spediteure würden zugleich lunare Stromanbieter und Mobilfunkbetreiber. – Immer vorausgesetzt, Hasensonde und Co. bestehen ihre Premiere.
Wie schwer jede robotische Mondlandung bis heute ist, dafür steht beispielhaft Beresheet (hebräisch für: "Schöpfung"). Die israelische Sonde, ebenfalls privat und aus dem Lunar X-Prize hervorgegangen, hätte im April 2019 jenen vierten Platz auf der prestigeträchtigen Weichlanderliste belegen sollen. Die Aufnahmen ihres Abstiegs zur Oberfläche wurden live übertragen – sie bezeugten, wie hart es ist, auf einem Himmelskörper ohne Atmosphäre weich aufzusetzen. Fallschirme oder Flügel sind dort nutzlos, es bleibt nur der Ritt auf einem bremsenden Feuerstrahl. Doch sechs Minuten vor der geplanten Landung fiel das Haupttriebwerk aus. Die Ingenieure im Kontrollzentrum von Jehud versuchten noch, es neu zu starten – vergeblich. So hinterließ das 100-Millionen-Dollar-Projekt nur den ersten privat finanzierten Mondkrater.
Falls der Hasensonde am Atlas mehr Glück beschieden sein wird, soll sie dort noch einen besonderen Passagier absetzen. Rashid heißt er. Er besitzt vier Räder mit grobem Profil, ist etwa so lang wie ein Unterarm und wiegt zehn Kilogramm. Der kleine Rover verspricht großen Prestigegewinn für sein Herkunftsland, die Vereinigten Arabischen Emirate. Mehrere Instrumente trägt er, um seine Umgebung zu vermessen; seine Räder wurden mit unterschiedlichen Materialien bestückt, um zu testen, welches davon den scharfkantigen Regolith-Partikeln am besten standhält.
Rashids wesentlicher Zweck besteht aber einfach darin, die erste Mondmission des arabischen Landes zu sein. Diesen Erstflug hatten sich die Planer in den Emiraten übrigens bis spätestens 2024 vorgenommen. Gelangt Rover Rashid nun Ende März oder Anfang April als zahlender Passagier an sein Ziel, dann wäre er damit, was in der Raumfahrt wirklich selten ist: früher dran als geplant."


Sieh auch:
Private Raumfahrt (Wikipedia)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen