Montag, 17. Oktober 2016

Lebenshaltungskosten 1950 und 1964

Für wen gilt der Index der Lebenshaltungskosten?:Von Erich Bodendiek  Die ZEIT 11.12.1964
"[...] Als Modellfamilie gilt der in letzter Zeit häufig diskutierte und angegriffene vierköpfige städtische Arbeitnehmerhaushalt mit zwei Kindern, von denen mindestens eines unter 15 Jahren ist. Der alleinverdienende Haushaltsvorstand bezieht das statistisch ermittelte mittlere Einkommen. [...] Und da hat sich seit 1950, als der erste große Index der Nachkriegszeit ermittelt wurde, manches geändert. Seinerzeit wurden lediglich 249 Artikel registriert, darunter nicht wenige, die man im modernen Warenkorb vergeblich sucht, wie Kaffee-Ersatz, Seegrasmatratze, Kunsthonig oder die Emailleschüssel. Die eigenen Beförderungsmittel beschränkten sich auf das Fahrrad, die Körperpflege, auf Kölnisch Wasser. Bildung und Unterhaltung erstreckten sich auf Briefpapier, Rollfilm und Kinobesuch. Für alles zusammen gab damals die Modellfamilie 292,69 Mark aus, wobei Nahrungs- und Genußmittel mit einem Anteil von 53,2 Prozent das Übergewicht hätten. Aus Hausrat entfielen knapp 5, auf Verkehr 2,8 Prozent.


Die Warenliste des Jahres 1958, die wegen der inzwischen eingetretenen Veränderung der Lebensgewohnheiten ausgewählt wurde, gilt mit wenigen Änderungen und Neugruppierungen auch für das neue Basisjahr 1962 und liest sich dagegen wie ein Wohlstandskatalog; beginnend bei Brathähnchen und Sekt, mit Verzehr in Gaststätten, mit, chemischer Reinigung und Kunststoffartikeln. Sie schließt jetzt Lippenstift und Nagellack, Elektrorasierer und Perlonhemd, die Musiktruhe und die Küchenmaschine ein. Der Besuch des Fußballspiels und die Opernkarte gehören heute ebenso zum täglichen Leben wie der Kugelschreiber, die Telephongebühren, der Fortbildungskurs und die Gesellschaftsreise an die Adria.
Das alles kostet unsere Musterfamilie nun 742,39 Mark – die Differenz bis 750 Mark wurde als „Einkommensübertragung“ abgezogen. Es sind die Kfz-Steuer, der Vereins- und Gewerkschaftsbeitrag. Wie stark das Essen in den Hintergrund getreten ist, zeigt sich an dem auf 43,2 Prozent gesunkenen Anteil der Nahrungs- und Genußmittel, wohingegen die Ausgaben für Hausrat auf 9,5 und die für Verkehr auf 6,8 Prozent angestiegen sind.
Die Lebensgewohnheiten haben sich rasch gewandelt – sehr zum Kummer der Statistiker, die damit vor dem Problem standen, wie sie etwa den Preis eines Tauchsieders von 1950 mit dem einer Waschmaschine von 1962 vergleichen sollten."

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