"Die von Lichtkeilen und jähen Linien durchblitzte Darstellung eines Waldbrandes, dicht bevölkert von panischen Tieren, wurde 1913 in Berlin gezeigt und danach in einem Depot eingelagert. Als dort ein Feuer ausbrach, wurde das Gemälde schwer beschädigt. Rund ein Drittel des Bildes war geschwärzt.
Als Restaurator gewann Maria später Paul Klee, der dem Bild einst den Titel Tierschicksale gegeben hatte. Die Freundschaft der beiden Männer war in den Kriegsjahren abgekühlt. Klee missfiel Leutnant Marcs Befürwortung des Krieges; der Landsturmmann Klee hasste den elenden Dreck der Schützengräben.
Nun, nach Marcs Tod, kam Klee an den Walchensee, setzte sich ins Atelier seines Freundes und vollzog einen Akt der Versöhnung, indem er die Tierschicksale behutsam restaurierte. Er sorgte dafür, dass alle noch erkennbaren Pinselstriche Marcs erhalten blieben und seine eigene Arbeit klar abgegrenzt war. Kann man sich ein besseres Ende denken? Das dramatische Bild, am dem zwei so gegensätzliche Freunde gearbeitet hatten; das Gemälde, in dem die geliebten Tiere fast zur reinen Form wurden und in dem Marc den Weltenbrand erkannte, der um ihn herum tobte: Durch den Bruch, der es durchläuft in der rechten Hälfte, wird es erst vollkommen.
Heute sind die Tierschicksale im Kunstmuseum Basel zu sehen. Splitterndes Holz, rote Farbe wie Blut. Fast könnte man meinen, Franz Marc habe, in unbewusster Vorahnung, seinen eigenen Tod gemalt."
(Franz Marc: Kunst vor Verdun von Reinhard Osteroth)
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