Eine abstruse Form, darauf zu reagieren, dass Menschen nicht einseitigen Vorurteilen entsprechen, sondern differenzierte zu sehen sind, ist ihnen "Energien" nachzusagen die solchen Vorurteilen entsprechen:
"Vier Arten, wie mein Verlobter mir erlaubt, in meiner femininen Energie zu bleiben", beginnt eine junge Frau ein TikTok. Darunter der Hashtag divinefeminine. Weil ihr Verlobter ein natürlicher Anführer sei, erklärt die junge Frau, verwalte er die Finanzen, treffe Entscheidungen und sei selbstverständlich der Autofahrer. Sie übernimmt die Hausarbeit.
"Wir haben ein System gewählt, das zu unseren Stärken passt, sodass wir beide die besten Versionen von uns selbst sein können", antwortet sie auf einen Kommentar, der um ihre Unabhängigkeit besorgt ist. Die Creatorin ist eine von vielen Frauen, die auf TikTok und Instagram über "divine feminine energy" oder "goddess energy" sprechen. Es handelt sich dabei um eine Art spirituelle Onlinebewegung. Sie verspricht Frauen mehr Selbstbewusstsein, romantische Aufmerksamkeit und Zufriedenheit. Die Theorie: Jeder Mensch hat feminine und maskuline Energie in sich. Wenn es einem nicht gut geht, liegt das daran, dass die beiden nicht in Balance sind. [...]" ZEIT 16.6.23
Eine andere Form ist es, zu unterstellen, jeder habe genau eine Art, auf die Umwelt zu reagieren, und die ändere sich nie. Man müsse nur seine einzigartige Weise, früh genug entdecken, dann würde man nicht unglücklich, weil man keinen Widerstreit von Selbstgefühl und Rollenerwartung erlebe. LGBTQ ist freilich erst auf dem Weg dorthin, am Ziel wäre die Bewegung erst wenn die Gesellschaft Rollenerwartungen vollständig abbaut. Ein weiter und vermutlich ziemlich dorniger Weg für Individuen und Gesellschaften, die ihn beschreiten wollen.
Da hatte es Goethes Faust noch relativ einfach, der nur zwei Seelen miteinander in Einklang zu bringen hatte.
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