Mittwoch, 21. Juni 2023

Europäischer Asylkompromiss und Fluchtrealität

 Stichwort Asylkompromiss in der Wikipedia (1992 in Deutschland)

 Stichwort: Asylpolitik der Europäischen Union 

"[...] Am 8. Juni 2023 beschlossen die Innenminister der EU eine deutliche Verschärfung der Asylgesetze.[90] Diese sieht unter anderem vor:

  • Registrierung, Identitäts- und Asylprüfungen in großen gefängnisähnlichen[90] Asylzentren an den EU-Außengrenzen.
  • Asylantragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten und aus Staaten mit einer durchschnittlich geringeren Anerkennungsquote von 20 Prozent sollen bei Ablehnung ihres Antrages direkt aus diesen Lagern abgeschoben werden.
  • Neben dem härteren Asylverfahren sollen jetzt auch alle EU-Länder in die Pflicht genommen werden. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist künftig nicht mehr freiwillig; wer nicht genügend aufnimmt, soll zahlen.

Ungarn stimmte wegen der neuen Ausgleichszahlungen gegen den Plan, ebenso Polen, die Slowakei sowie teilweise Tschechien – die so genannte Visegrád-Gruppe tritt schon seit vielen Jahren gemeinsam dafür ein, deutlich weniger Flüchtlinge aufzunehmen. Abgesehen davon wurde die Reform nur von Bulgarien und Malta nicht unterstützt.[90]

Die deutsche Bundesregierung hatte in den Verhandlungen die Position vertreten, dass Familien mit Kindern unter 18 Jahren sowie alle unbegleiteten Minderjährigen generell aus den vorgesehenen Asylverfahren an den EU-Grenzen auszunehmen wären. Mit dieser Ausnahmeregel konnte sich die deutsche Regierung aber nicht durchsetzen.[91] Es wurde wie ursprünglich von der EU-Kommission geplant[92] beschlossen, dass nur Familien mit Kindern unter 12 Jahren von einem Grenzverfahren zur Prüfung eines möglichen Asylanspruchs ausgenommen werden sollen und nur, sofern keine Sicherheitsbedenken bestehen.

In einem offenen Brief an die deutsche Bundesregierung kritisierten dutzende bekannte Persönlichkeiten die Reformpläne bereits im Vorhinein als die „massivsten EU-Asylrechtsverschärfungen jemals“.[93] Auch Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Beschlüsse scharf, bspw. Amnesty International.[94] [...]"(https://de.wikipedia.org/wiki/Asylpolitik_der_Europ%C3%A4ischen_Union#Seit_2022)

Fluchtrealität 2023

Stefanos Paikos: Wege der Flucht: Auf den gefährlichen Routen nach Europa (FR 16..6.2023)

"[...] Die erste Station im Jahr 2021 war die Insel Lesbos. Nach dem Brand im Jahr 2020 und der Umsiedlung der geflüchteten Menschen ins neue Lager Kara Tepe konzentrierte sich meine Arbeit primär auf die Lebensumstände im neuen Lager. Meine griechische Staatsbürgerschaft und meine Sprachkenntnisse haben mir schlussendlich dazu verholfen, ins Lager zu gelangen und dort zu fotografieren. Ein wichtiger Aspekt meines Projekts war es, nicht nur die geflüchteten Menschen zu dokumentieren, sondern auch den Umgang der griechischen Bevölkerung mit den aktuellen Krisen des Landes wie der Flüchtlingskrise, der Corona-Pandemie und der Wirtschaftskrise einzufangen. [...]

Am 8. September 2020 ereignete sich eine humanitäre Katastrophe auf der ägäischen Insel Lesbos, als das Flüchtlingslager Moria in Flammen aufging. Mehr als 12.600 Menschen, die in dem Lager lebten, verloren schlagartig ihre Unterkunft und ihre Existenzgrundlagen. Das Lager befand sich im Landesinneren der Insel, nahe der Stadt Mytilini, und hatte zu seiner Höchstzeit fast 20 000 Bewohner:innen. Es war Europas größtes Flüchtlingslager, und die Bedingungen dort waren jahrelang katastrophal. [...]

Im Januar 2023 traf ich mich mit Milad Ebrahimi, einem jungen Mann aus dem Iran mit afghanischen Wurzeln, der durch seine Beteiligung an dem Film „A Short Story of Moria“ bekannt wurde. Mittlerweile lebt Milad, der in der iranischen Großstadt Karadsch geboren wurde, in Hamburg. Wir vereinbarten ein Treffen, um über seine Lebensgeschichte und über seine Reise vom Iran bis nach Deutschland zu sprechen. Als ich Milad das erste Mal traf, sah er nicht aus wie in dem Kurzfilm. Die Jahre und die Erlebnisse hatten ihre Spuren hinterlassen. [...]

Im Interview erzählte er von der Organisation der Schmugglerbanden und deren Zusammenarbeit über die Ländergrenzen hinweg. In jeder neuen Stadt musste er einen neuen Fahrer bezahlen, und um nicht betrogen zu werden, gab es auf der Seite der Reisenden einen Mittelsmann, der das Geld verwaltete. Würden sie ihr Ziel nicht erreichen, würde der Fahrer das Geld auch nie bekommen. 

Die Reise dauerte fast vier Monate, und während dieser Zeit musste er in Bahnhöfen, Polizeistationen, auf Parkbänken oder der Straße übernachten. Bezahlt, schätzt er, hat er für die Reise 2000 bis 3000 Dollar. In Istanbul angekommen, benötigte er vier Versuche, um die griechische Insel Lesbos zu erreichen. Während seiner gesamten Reise wusste er nicht, was ihn auf der Insel erwarten würde. Bis dahin war Europa für ihn ein Ausweg. Doch dieses Bild änderte sich schlagartig, als er auf Lesbos ankam. Heute sitzt er in einem 14 Quadratmeter großen Zimmer, das er mit einem Mitbewohner teilt, und wartet auf das Urteil, ob sein Asylantrag genehmigt wird. [...]"


Zur gegenwärtigen Situation auf den Fluchtwegen

"[...] Ein Jahr nach meinem Besuch auf der Insel Lesbos stand ich nun auf der anderen Seite der Meerenge und blickte, wie viele andere vor mir, auf die Insel. Aus Korubasi führte eine steile, etwa fünf Kilometer lange Straße Richtung Meer hinunter. [...]

Am Strand angekommen, war das Areal mit Kleidungsstücken übersät. Der 500 Meter lange Abschnitt war in zwei Bereiche unterteilt, einen kieseligen Strandabschnitt direkt am Wasser und einen hinteren Bereich mit Gras. Diese Bereiche waren durch Olivenbäume und Büsche voneinander getrennt.

Es war offensichtlich, dass viele Menschen diesen Ort passiert haben mussten, da die Menge an zurückgelassenen Gegenständen wie Hosen, Unterwäsche, Büstenhaltern, Schuhen und sogar zerstörte Schlauchboote darauf hindeutete. Am Ende der Grünfläche, umgeben von Olivenbäumen, erhoben sich zwei unvollendete Häuser. Beide waren offensichtlich von ihren Besitzern verlassen worden. Der Zustand der Gebäude war desolat, die Innenräume waren mit zurückgelassenen Habseligkeiten überfüllt und der Zugang war erschwert. [...]" (Wege der Flucht: Auf den gefährlichen Routen nach EuropaFR 16..6.2023)

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