Was mich am Wahlkampfauftakt gestört hat, war weniger die Kampagne gegen Annalena Baerbock als die Art, wie sie in den seriösen Medien aufgegriffen worden ist.
In der heutigen Ausgabe vom 8.7.21 hat die ZEIT mit Interviews mit den Kanzlerkandidaten und führenden Parteipolitikern gegengesteuert. Zu hoffen ist, dass auch bei ernster zu nehmenden Angriffen auf Personen die Sachfragen wieder in den Mittelpunkt gestellt werden.
Optimismus hat freilich in letzter Zeit nicht viel Nahrung erhalten.
Die - aus meiner Sicht - decouvrierenden Interviews sind leider noch nicht außerhalb einer Bezahlschranke zu lesen. Wohl aber gibt es Informationen zu Stefan Weber zu lesen, der entscheidend die Plagiatsvorwürfe ins Gespräch gebracht hat.
Das ist immerhin ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte, den ich jetzt schon verstellen kann:
"[...] Am 5. Juli schreibt er [Weber] um 22 Uhr in einem Blogeintrag von 43 "verifizierten Plagiatsfragmenten" und 22 "plagiierten Autorinnen und Autoren". Die Textstellen seien zum Beispiel von Baerbocks Parteikollegen Jürgen Trittin, der Wissenschaftlerin Maja Göpel oder dem Politologen Michael T. Klare. [...]
2007, elf Jahre nach seiner Dissertation, hat sein Doktorvater, Peter A. Bruck, einen Beitrag in der österreichischen Zeitung Der Standard geschrieben, darin bezeichnet er Weber als "Medien-Halali", der sich vom Spürhund zum Jäger und vom Jäger zum Richter gewandelt habe. Was sagt Bruck heute, 14 Jahre später?
"Stefan Weber leistet in Sachen Plagiat Wichtiges, er ist kompetent und insistent", beginnt Bruck, als man ihn anruft. "Aber es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen akademischen Qualifikationsschriften und politischen Sachbüchern. Es sind andere Textsorten, die einer anderen Beurteilung bedürfen. Zusätzlich muss es in einer digitalisierten Welt unbedingt auch einen Diskurs darüber geben, wie Textbearbeitungen künftig zu beurteilen sind." Richten würde Weber aber immer noch. Im Falle Baerbock habe er eine Kanzlerkandidatin für einige Wählerinnen und Wähler möglicherweise unglaubwürdig gemacht. Und wer wisse überhaupt, ob nicht Baerbock bei Jürgen Trittin das herausgenommen habe, was er von ihr irgendwann einmal hörte oder mit ihr besprach?
Und was sagt Weber? Er lenkt ab und sagt: "Sie müssen über den Peter Bruck zuerst wissen, wir verstehen uns super, aber der wäre ein wunderbarer Sektenführer." Und sagt dann erst, als man noch mal nachfragt, dass er natürlich keine wissenschaftlichen Standards an ein Sachbuch anlege. "Ich sage nur: Wenn ein Akademiker ein Sachbuch schreibt, kann er doch nicht so dreist abschreiben wie die Frau Baerbock." [...]"
Meine persönliche Meinung: Wenn ein Politiker in einem Buch für den Wahlkampf Parteifreunde und wissenschaftliche Autoritäten heranzieht, um seine politischen Ziele zu rechtfertigen, halte ich das für normal. Dass die Ghostwriter, Lektoren und insbesondere die Parteizentrale nicht darauf geachtet haben, dass halbwegs sauber zitiert wird, ist unprofessionell. Freilich, mit der Digitalisierung sind offenbar weder Verlage noch Parteizentralen auf einer Höhe. Das hat sich seit der Politikerrede von "Datenautobahnen" nicht entscheidend geändert.
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