Freitag, 30. Juli 2021

Roger von Wendover über Kaiser Friedrich II.

 Roger von Wendover: Flores Historiarum Eine Weltgeschichte kompiliert aus vielen Autoren.

Wertvoll ist sein eigener zeitgenössischer Bericht von 1215-1235.

Textauszug
"In diesem Jahre kamen im Monat Februar zwei Tempelritter, von Kaiser Friedrich geschickt, mit anderen Rittern und Gesandten zum König [Heinrich III.] von England nach Westminster und brachten einen mit einer goldenen Bulle versehenes Schreiben, in dem der Kaiser Isabella, die Schwester des Königs, zur Ehe verlangte. [...] als nun die Gesandten um die Erlaubnis baten, die Prinzessin zu sehen, schickte der König vertrauenswürdige Boten in den Turm von London zu seiner Schwester, die dort unter wachsamer Obhut gehalten wurde. Diese führten sie ehrfurchtsvoll nach Westminster und stellten in Gegenwart des Königs die schöne Prinzessin, die einundzwanzig Jahre zählte, in blühender Jugend erstrahlte und mit königlichen Gewändern sowie durch entsprechende Sitten geschmückt war, den kaiserlichen Gesandten vor. Nachdem sich diese einige Zeit an ihrem Anblick erquickt und sie des kaiserlichen Bettes in allem für würdig erachtet hatten, bekräftigten sie im Namen des Kaisers den Ehebund durch einen Eid und boten ihr seitens des Kaisers den Verlobungsring. Nachdem sie ihr diesen an den Finger gesteckt hatten, begrüßten sie sie als Kaiserin des römischen Reiches mit dem gemeinsamen Rufe: "Es lebe die Kaiserin! sie lebe!"

Als nun die Gesandten darauf in aller Eile das, was geschehen war, dem Kaiser durch treue Vermittler mitgeteilt hatten, schickte dieser nach dem Osterfest [8. 4.] den Erzbischof [Heinrich] von Köln und den Herzog [Heinrich II von Brabant] von Löwen in Begleitung vieler Edlen nach England, die ihm die Kaiserin in ehrenvolle Weise zuführen sollten, damit das bereits geschlossene Ehebündnis durch die fleischliche Erkennung vollzogen werde." (Lebendiges Mittelalter, hg. von Brigitte Hellmann, dtv 1995, S. 74)
Zu der Zeit, als die Kaiserin nach Köln kam, war der Kaiser in kriegerische Unternehmungen gegen seinen Sohn [Heinrich (VII.), den König von Deutschland] verwickelt. Der Vater hatte aber einen so zahlreiches Heer gegen den Sohn zusammengebracht, dass er zu gleicher Zeit zehn Burgen belagern konnte.[...] Sobald der Kaiser also jenen in strenge Haft gebracht hatte, schickte er nach der Kaiserin, auf dass sie zu ihm komme, nachdem sie sechs Wochen in Köln zugebracht hatte. Der Erzbischof [Heinrich] von Köln, der Bischof [Wilhelm] von Exeter und die übrigen zur Begleitung der Kaiserin Abgeordneten machten sich mit ihr auf dem Weg und brachten sie nach einer Reise von sieben Tagen mit allen hochzeitlichem Prunk und Jubel zum Kaiser. [...] Gefiel sie ihm schon bei dem leiblichen Anblick, so noch viel mehr in den Freuden des Ehebettes, wo er sie als reine Jungfrau erkannte, und als er ihren Charakter kennen lernte und sie hervorragend und mit der Gabe anmutiger Beredsamkeit ausgestattet fand. [...] 

In der ersten Nacht aber, in der der Kaiser mit ihr schlief, wollte er sie nicht fleischlich erkennen, bevor ihm nicht die geeignete Stunde von den Astrologen angezeigt wäre. Nachdem aber der Beischlaf in der frühen Morgen Stunde vollzogen worden war, gab er sie als Schwangere unter sorgfältige Obhut mit den Worten: "Gib weislich acht auf dich, denn du hast einen Knaben empfangen!" Und dasselbe meldete er als eine Tatsache dem König von England, ihrem Bruder, durch den Bischof von Exeter und den Magister Johann von St. Aegidius, einen Predigerbruder. Und so geschah es, denn sie gebar einen Sohn namens Heinrich." (S. 77/78) [freilich erst drei Jahre später]

"Nachdem dann also fast alle Leute beiderlei Geschlechts, die am Hofe der Kaiserin in ihrer Heimat erzogen und ausgebildet worden waren, nach England zurückgeschickt worden waren, übergab der Kaiser die Kaiserin mehreren maurischen Eunuchen und ähnlichen alten Ungetümen zur Obhut." (Lebendiges Mittelalter, S.79)

Zu diesen Vorgängen schreibt die Wikipedia aus moderner Sicht:

"An der Beilegung des Konfliktes war der Hochmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, maßgeblich beteiligt. Er bewog den Sohn dazu, sich dem Vater zu unterwerfen. Heinrich erschien im Juli 1235 in der Königspfalz Wimpfen (nördlich von Heilbronn) und verzichtete als Zeichen seiner Unterordnung auf jede öffentliche Demonstration seines königlichen Ranges. Heinrich erwartete von der Unterwerfung nicht nur die kaiserliche Gnade wiederzuerlangen, sondern auch seinen königlichen honor (Ehre) zu wahren. In Wimpfen bemühte sich Heinrich vergeblich um die Huld Friedrichs. Friedrich ließ seinen Sohn vielmehr nach Worms kommen, also in die Stadt, die Heinrich kurz zuvor den härtesten Widerstand geleistet hatte. Heinrich erschien im Juli in Worms vor seinem Vater und unterwarf sich ihm in Anwesenheit der versammelten Großen, um seine gratia (Gnade) wiederzugewinnen. Friedrich ließ ihn lange ausgestreckt in demütigender Haltung auf dem Boden liegen. Erst auf Fürsprache der Fürsten durfte sich Heinrich erheben. Nach dem Unterwerfungsritual (deditio) erhielt er jedoch keine Gnade, sondern verlor Amt und Würden. In den kommenden sieben Jahren wurde er in verschiedenen süditalienischen Kerkern untergebracht, im Februar 1242 starb er als Gefangener. Nach einer netzwerktheoretischen Analyse von Robert Gramsch (2013) hat Friedrich II. nicht aus Rücksicht auf die Fürsten und zur Wiederherstellung der Ordnung im Reich seinen Sohn abgesetzt und bis zum Lebensende einkerkern lassen, sondern er wollte die gesamte Herrschaftsgewalt auf sich vereinen. Heinrich sei nicht am Dissens der Fürsten gescheitert, vielmehr habe er eine erfolgreiche Balancepolitik zwischen den einzelnen Reichsfürsten und fürstlichen Gruppierungen praktiziert.[76]

Heinrich war als römisch-deutscher König mit den nördlich der Alpen herrschenden Traditionen des Konfliktverhaltens aufgewachsen; Friedrichs harte, unbeugsame Haltung hingegen entsprach der Mentalität im normannischen Königreich. Im Reich nördlich der Alpen wurden seit der Ottonenzeit Streitigkeiten mit rituellen Unterwerfungen gütlich beigelegt.[77] Im Königreich Sizilien ging es weniger um Ausgleich mit den Adligen, sondern der Herrscher musste unnachgiebig seinen uneingeschränkten Machtanspruch durchsetzen. Nach dieser Sichtweise führte nur erbarmungslose Härte zu Frieden und Stabilität.[78] Die kaiserliche Strenge versuchte Matthäus Paris damit zu rechtfertigen, dass der Sohn in dieser Situation die Ermordung des Vaters geplant habe.[79]

Ebenfalls in Worms fand einige Tage nach Unterwerfung des Sohnes am 15. Juli Friedrichs Hochzeit mit Isabella, der Schwester des englischen Königs Heinrich III., statt. Seine zweite Frau Isabella von Brienne war 1228 verstorben. An den prächtigen Hochzeitsfeierlichkeiten in Worms nahmen vier Könige, elf Herzöge und dreißig Grafen und Markgrafen teil.[80] [...] 

Friedrich hatte mit mindestens 13 Frauen wenigstens 20 Kinder. [...] Die dritte eheliche Verbindung ging der mittlerweile vierzigjährige Friedrich 1235 in Worms mit der einundzwanzigjährigen Isabella von Plantagenet ein. Sie war die Schwester König Heinrichs III. von England und Tochter des verstorbenen englischen Königs Johann Ohneland. Isabella brachte zahlreiche Reichtümer in die Ehe ein. Die Mitgift belief sich auf die enorme Summe von etwa sieben Tonnen Silber.[119] Nach der Hochzeit verschwand Isabella aus der Öffentlichkeit. Matthäus Paris behauptet, Friedrich habe „die Kaiserin mehreren maurischen Eunuchen und ähnlichen alten Ungetümen zur Obhut“ gegeben.[120] Mit Isabella hatte Friedrich etwa Ende 1236 eine Tochter namens Margarete und einen Sohn, den im Februar 1238 geborenen Heinrich (auch Carlotto oder Zarlotto genannt). Isabella verstarb möglicherweise an einer Fehlgeburt am 1. Dezember 1241 nach sechsjähriger Ehe in Foggia. Das Mitte der 1240er Jahre geplante Heiratsprojekt mit Gertrud von Österreich, mit dem sich der Kaiser die Unterstützung eines wichtigen Fürsten sichern wollte, scheiterte wohl an Friedrichs Exkommunikation.[121] Ebenso blieb der Plan einer Ehe mit Jutta von Sachsen unausgeführt. Diese eheliche Verbindung hätte Friedrichs Stellung im Norden des Reiches erheblich gestärkt. Im Jahr 1245 oder vielleicht erst 1248 heiratete Friedrich seine langjährige Geliebte Bianca Lancia, um die Anzahl seiner legitimen Nachkommen und möglichen Nachfolger zu erhöhen.[122]"

(Friedrich II.)

 

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