Abgehängt im Warmen von Kolja Rudzio
"Mehr Wohlstand und mehr Armut – Deutschland hat sich in den letzten Jahren auseinanderentwickelt. Die größte Not jedoch nahm eher ab.
Die deutsche Gesellschaft driftet auseinander. Auf der einen Seite leben mehr Menschen in Armut als vor zwanzig oder dreißig Jahren. Auf der anderen Seite wächst die Schicht der Wohlhabenden. Und: Der Aufstieg aus der Armut gelingt seltener als früher. Fast 60 Prozent der Armen sind nach fünf Jahren immer noch arm. In den Achtzigerjahren waren es nur 40 Prozent. [...]
Die jetzt veröffentlichten Zahlen reichen bis ins Jahr 2018, sie geben also noch nicht die Folgen der Corona-Krise wieder. [...] Allerdings gibt es für Armut und Reichtum verschiedene Definitionen und Messmethoden. Deshalb ist das Bild widersprüchlich. So werden in der EU regelmäßig Bürgerinnen und Bürger befragt, ob ihnen das Geld fehle, um ihre Wohnung ausreichend zu heizen, sich jeden Tag eine vollwertige warme Mahlzeit zu leisten, unerwartete Ausgaben zu bewältigen oder eine Woche im Jahr in den Urlaub zu fahren. Wer viele dieser und weiterer Fragen mit "Ja" beantworten muss, leidet offiziell unter "erheblicher materieller Entbehrung", gilt also als arm. Nach dieser Erhebung, die in Deutschland das Statistische Bundesamt durchführt, ist die Armut auf einen Tiefststand gefallen – von 5,5 Prozent Betroffenen in der Bevölkerung im Jahr 2008 auf 3,1 Prozent im Jahr 2018. Das heißt: Etwa zwei Millionen Menschen weniger haben große finanzielle Probleme. [...]"
Worin besteht das Problem?
Eine immer größere Zahl von Menschen erlebt soziale Abwertung, weil sie mit dem Durchschnitt der Bevölkerung nicht mehr mithalten kann und weil zusätzlich ein steigender Anteil sich im Verhältnis zu den sehr Wohlhabenden zurückgesetzt fühlen. [Das könnte einer der Gründe für die zeitweise starke Zunahme von AfD-Wählern sein.] Durch die Coronakrise verschärft sich das Problem, weil jetzt ein Teil der Bevölkerung von Existenzängsten betroffen ist, der sich davor gesichert glaubte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen