"die Gesamtlänge der verlegten Ölpipelines übertrifft die des Weltschienennetzes" A. Irye (hg): "Geschichte der Welt 1945 bis heute - Die globalisierte Welt" (2013), S.377
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Donnerstag, 30. Juni 2022
EU-Kommission und Hersteller verhinderten gerechte Verteilung der Impfstoffe
"Die EU hatte zu Beginn der Corona-Pandemie eine weltweit gerechte Verteilung der Impfstoffe versprochen. Recherchen von Monitor zeigen, wie EU-Kommission und Hersteller dies verhinderten und Hunderte Millionen Menschen leer ausgingen."
Donnerstag, 23. Juni 2022
Creative Memory Sana Yazigi (Syrien)
Mittwoch, 22. Juni 2022
Mit "I feel it more than others do" (Ich leide mehr darunter als andere) hat Dickens in David Copperfield die Ichbezogenheit eine Person charakterisiert und kritisiert.
Mit "I want some more" in Oliver Twist die Fühllosigkeit der Bessergestellten, mit der sie Hunger als für Arme selbstverständlich unvermeidlich hinnehmen.
Gegenwärtig sind wir in einer Situation, wo wir jedem das Recht zugestehen wollen, in seinem höchst speziellen gefühlten sexuellen Spezialität anerkannt zu werden und andererseits das Leiden künftiger Generationen an der fortlaufend durch menschliches Handeln verstärkten Klimaerwärmung als leider unvermeidlich an sehen.
Wenn Putin die Ukraine angreift, müssen wir die Klimaerwärmung zunehmen lassen, weil das Rüsten vorgeht.
Wie wird das aus dem Abstand von 50 Jahren gesehen werden?
Dienstag, 21. Juni 2022
Montag, 20. Juni 2022
Weshalb wird das Deutsche immer englischer?
"[...] Schaut man auf die Entwicklung in reinen Zahlen, ist die Tendenz eindeutig. So eindeutig, dass ich von einem Boom sprechen möchte. Wurden in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts knapp 2.000 englischsprachige Begriffe im deutschen Wortschatz gezählt, ging man während meiner Kindheit im Westen Deutschlands in den Siebziger- und Achtzigerjahren schon von etwas mehr als 10.000 Wörtern aus. Das entsprach damals rund 3 Prozent von ungefähr 450 000 deutschen Wörtern. Inzwischen sprechen Linguisten von knapp 10 Prozent – was einen Anteil von rund 45.000 englischen Wörtern bedeuten würde.
Um allerdings zu bemessen, welchen Anteil Englisch an der deutschen Gegenwartssprache hat und welchen Einfluss es noch gewinnen könnte, reicht es nicht, aus Wörter zu zählen – und sich womöglich über das Ergebnis zu empören Eine Untersuchung deutscher Autowerbungen ergab vor ungefähr zehn Jahren, dass bis zu 30 Prozent, also beinahe jedes dritte Wort, Englisch oder englischen Ursprungs seien. Überrascht hat es mich nicht kaum. Schließlich spielt die englische Sprache im Automobilsektor seit langem eine ähnlich große Rolle wie in der Luft- und Schifffahrt – von der Raumfahrt ganz zu schweigen. Die gute alte km/h-Anzeige ist dafür sinnbildlich: Das h stand noch nie für unsere Stunde, sondern stets für hour. Was mich bei der Betrachtung der Zahlen umso mehr verblüfft hat, war der Boom der englischen Sprache in Ostdeutschland. Die Entwicklung war bis 1989 ähnlich wie im Westen, um nicht zu sagen: It was the same story: 1956 zählte der DDR-Duden 347 englische Wörter, 1986 waren es rund 5.000. Einige davon sind bis heute legendär und noch immer gebräuchlich: der Broiler, die Klub Kola, der Dispatcher. Andere wurden in beiden Teilen Deutschlands gängig, aber nirgendwo sonst in der Welt: der Ami. [...]"
Peter Littger: Warum wird das Deutsche immer englischer? SWR2 Wissen: Aula
Mich interessiert besonders, dass durch die Verbindung von englischen Einzelelementen und deutschem Gebrauch eine Vielzahl von unterschiedlichen Wörtern zur Bedeutungsdifferenzierung zur Verfügung stehen.
Im Deutschen gab es schon: Hausarbeit (mit zwei Bedeutungen), Hausaufgabe, Heimarbeit. Hinzu tritt Homeoffice.
Im Englischen steht mir zunächst nur homework zur Verfügung. Jetzt schlage ich nach und finde: Hausarbeit: house work, written assessment. Hausaufgabe: homework Heimarbeit: homework u. brit, Englisch: outwork. Homeoffice ist noch nicht in Wörterbüchern zu finden, die gängige Übersetzungssoftware "übersetzt" es fälschlich mit home office, manche bieten freilich auch Homeoffice an, was wie Handy ein deutsch-englisches Fremdwort im Englischen wäre.
Den Satz "Mein Freund kann nicht kommen, er hat Homeoffice." übersetzt die Software, die Homeoffice als Deutsch anerkennt, mit "My friend can't come, he has a home office."
Donnerstag, 16. Juni 2022
Weshalb geschieht so wenig gegen Klimawandel und Artensterben? Analyse und neue Wege
Warum ist so wenig passiert, wo doch die Gefahr so deutlich und exakt messbar schon lange zu sehen ist.
Allzumal Sünder
Was geschieht, wenn (in) der Kirche nicht vergeben werden darf?
Der Suizid des Priesters ZEIT 15.6.22
In Limburg wird ein Domkapitular des Missbrauchs beschuldigt. Bevor sein Fall öffentlich wird, bringt er sich um. Von Karin Ceballos Betancur und Evelyn Finger
15. documenta
documenta fifteen (Wikipedia)
ruangrupa (Kollektiv von Künstlerinnen und Künstlern, Leitung der documenta 15)
"[...] Als Künstlerkollektiv ist ruangrupa an vielen Gemeinschafts- und Austauschprojekten beteiligt, was die Teilnahme an großen Ausstellungen einschließt wie der Gwangju Biennale (2002 & 2018), der Istanbul Biennale (2005), der Asia Pacific Triennial of Contemporary Art (Brisbane, 2012), der Singapur Biennale (2011), der Biennale São Paulo (2014), der Aichi Triennale (Nagoya, 2016) sowie der Cosmopolis im Centre Pompidou (Paris, 2017). Im Jahr 2016 kuratierte ruangrupa die TRANSaction: Sonsbeek 2016 in Arnheim, NL.[...]"
z.B. „What can we potentially do with the COLLECTIVE RESSOURCES ?“
artist talk 22.6. light matters
Liebe Leute, werdet Freunde! ZEIT 15.6.22
Nie waren sich Kunst und Leben so nah. Erste Eindrücke von der Documenta in Kassel, die am Wochenende beginnt. Von Hanno Rauterberg
Zur Auseinandersetzung über Antisemitismus auf der documenta 15
von A. Dirk Moses 24.7.22
"Der berechtigte Antisemitismus-Vorwurf gegen das indonesische Künstlerkollektiv Taring Padi auf der documenta15 wird international diskutiert. Doch wie kann man aus der Dialektik von Anklage und Verteidigung herausfinden und die „geschlossenen Welten“ zwischen Norden und Süden öffnen? [...]"
Dienstag, 14. Juni 2022
Über die Besetzung Griechenlands durch Nazideutschland im 2. Weltkrieg - Parallelen?
"Und als die deutsche Besatzung anfing, war plötzlich nichts mehr zu essen da, die Kinder starben auf der Straße vor Hunger und gesunde Menschen haben nach Arbeit gesucht. Man kennt die Bilder von Angola und verschiedenen afrikanischen Ländern, wo Dürre und Hunger herrschen. So waren die griechischen Kinder auf der Straße, schreiend: Ich hab Hunger, ich hab Hunger. Die Deutschen haben die Griechen angeworben, die bereit wären, in Griechenland für das deutsche Militär zu arbeiten und so sind viele, die sich dem Druck, sich beim deutschen Militär zu melden, entgehen wollten, in die Berge geflohen. So haben wir in Griechenland drei Gruppen von Menschen: 1. diejenigen, die sich zum Widerstand gegen die Deutschen anmeldeten 2. diejenigen, die mit den Deutschen zusammen gearbeitet haben 3. diejenigen, die sich weder den einen noch den andern angeschlossen haben. Am schlimmsten waren die dran, die unabhängig bleiben wollten, sie suchten natürlich in den Städten nach Arbeit."
(Quelle: Interview von 1992)
Trump wusste, dass er die Wahl verloren hatte, bevor es sich zum Sieger ausrief
Untersuchungsausschuss zum Kapitol-Sturm: Und im Mittelpunkt steht wieder Donald Trump
Tag 2 der öffentlichen Anhörungen zum Kapitol-U-Ausschuss: Ein Berater nach dem anderen widerspricht den Wahlbetrugsbehauptungen des Ex-US-Präsidenten, Tagesspiegel 13.6.22
"[...] Das aufgezeichnete Interview mit Trumps ehemaligem Justizminister, von dem am Montag weitere Ausschnitte gezeigt werden, untermauert die These des Untersuchungsausschusses zum 6. Januar 2021: Dass Trump schon am Wahlabend klar war, dass er verloren hatte, sich aber entschied, das zu leugnen und damit die Grundlage für den Sturm auf das Kapitol legte. [...]"
„Juden werden als weiße europäische Kolonialisten wahrgenommen“ - Antisemitismus?
Antisemitismus: „Juden werden als weiße europäische Kolonialisten wahrgenommen“ FR 14.6.22 Harry Nutt interviewt Natan Sznaider
"[...] Dass die Documenta beschlossen hat, die aktuelle Ausstellung im Zeichen des globalen Südens auszurichten, ist an sich nicht sonderlich aufregend. Wenn man sie jedoch ganz ausdrücklich im Rahmen eines postkolonialistischen Diskurses positioniert, wird es hochpolitisch, erst recht in Bezug auf Israel. Seit Edward Saids 1978 und 1979 erschienenen Büchern „Orientalism“ und „The Question of Palestine“ ist der postkolonialistische Diskurs explizit antiisraelisch. Juden werden als weiße europäische Kolonialisten wahrgenommen. So gesehen ist postkolonialistisch orientierte Kunst eine, die sich klar gegen die Ausübung jüdischer Souveränität im Nahen Osten wendet. Das hat in Deutschland gerade vor dem Hintergrund der Documenta-Geschichte eine besondere Brisanz.
Worin besteht sie genau?
Es gibt hierzulande ein großes jüdisches Milieu, das sich mit Israel solidarisiert, nicht zuletzt weil es davon überzeugt ist, dass die eigene Sicherheit in Deutschland und Europa durch Israel garantiert wird. In diesem Milieu werden Angriffe auf Israel mit Angriffen auf ihr jüdisches Leben selbst gleichgesetzt. Auf der anderen Seite hat sich ein sogenanntes weltoffenes Kulturmilieu etabliert, das sich ganz bewusst entprovinzialisieren möchte. Man will nicht mehr deutsch, sondern europäisch sein. Und als Europäer sind sie bereit, mit deutschen Tabus zu brechen, deren Akzeptanz lange als selbstverständlich galt, etwa die historische Einzigartigkeit des Holocaust. Zu diesem neuen Selbstverständnis gehört auch die Kritik an Israel, die nun als weltoffen gilt. Daraus sind neue Widersprüche entstanden, die nun auch auf der Documenta ausgetragen werden und ganz sicher nichts mit künstlerischem Geschmack oder Ästhetik zu tun haben. [...]
Hat sich die Documenta GmbH vor der Auseinandersetzung mit dem Thema BDS weggeduckt?
Wenn man guten Willens ist, könnte man ihr zumindest Naivität attestieren. Vielleicht war man geneigt, in bester Absicht progressiv, woke und dem globalen Süden gegenüber aufgeschlossen zu sein. Dabei ist allerdings das wichtigste Merkmal des postkolonialistischen Diskurses vergessen worden: Kontextualisierung. Herkunft, soziales Gefälle, Sprecherposition – alles ist bedeutend. Bei der Documenta scheint man aber davon ausgegangen zu sein, dass die Ausstellung auf einem globalen Mond stattfindet und nicht in der deutschen Provinz. Ich vermute, dass dieses Missverständnis sehr viel mit einer neu entstandenen deutschen Kulturelite zu tun hat, die nicht mehr deutsch sein will. Die Kunst dient da gewissermaßen als Katapult für einen ideellen Befreiungsschlag. Mit der Bezugnahme auf postkoloniale Narrative meinte man wohl, sich der eigenen Geschichte entledigen zu können. [...]"
Wolfgang Koeppen: Das Treibhaus
Wolfgang Koeppen: Das Treibhaus
"Die Hauptfigur ist der Mittvierziger Felix Keetenheuve, Journalist in der Weimarer Republik, während der Zeit des Dritten Reichs vorwiegend in England im Exil und dort für Rundfunksendungen Richtung Deutschland eingesetzt. Nach 1945 kehrt er nach Deutschland zurück und wird Bundestagsabgeordneter für die SPD. Zu Beginn des Romans reist Keetenheuve mit dem Zug nach Bonn, wo im Parlament die entscheidenden Abstimmungen zur Westintegration der jungen Republik stattfinden sollen. Er hat gerade seine junge Frau Elke beerdigt. Deren Eltern hatten sich bei Kriegsende umgebracht, weil der Vater Gauleiter der NSDAP war. Keetenheuve hatte Elke zugunsten der Politik vernachlässigt. Deswegen war sie dem Alkohol verfallen, wie er sich nun vorwirft.
Keetenheuve ist – nicht nur aufgrund des erlittenen Verlustes – verstört und unsicher. Er ist ein kompromissloser Intellektueller, ein Schöngeist, der der Lyrik von E. E. Cummings und Charles Baudelaire mehr abgewinnen kann als einem bürgerlichen Lebensstil. Aufgrund seines Exils ist er das Aushängeschild seiner Partei, gleichzeitig dort aber genauso isoliert wie im gesamten Parlament: die pragmatische Arbeit der Abgeordneten ist ihm zuwider, den Fraktionszwang lehnt er ab, besteht darauf, sich in eigener Verantwortung zu entscheiden. Er sieht die alten Eliten aus der Weimarer Republik und der Nazizeit wieder nach der Macht greifen. Exnazis und Mitläufer sitzen bereits wieder an den entscheidenden Positionen." (Wikipedia)
Zitat:
"Erich war umgekommen. In der kleinen Stadt hatte man später eine Straße nach ihm genannt; aber die Leute, stumpfsinnig, engherzig, vergeßlich wie eh und je, nannten die Gasse weiter die Kurze Reihe. Keetenheuve fragte sich immer wieder, ob Erich wirklich für seine Überzeugung gestorben war, denn er musste den Glauben der Jugend damals schon verloren haben. Vielleicht aber hatte Erich sich im Augenblick seines Todes wieder zu dieser Hoffnung bekannt, und das nur, weil die Menschen der kleinen Städte in jenen Tagen/ gar so entsetzlich waren. Die Gesetzlosigkeit schlug Erich auf dem Markt, aber der Ekel war es, der ihn tötete. [...] Keetenheuve [...] er war unschuldig, ganz unschuldig am Lauf der Welt, aber gerade weil er unschuldig war, stand vor ihm die uralte Frage, was ist Unschuld, was Wahrheit, o alter Statthalter des Augustus. Er sah sich im Spiegel.
Am Ende der Debatte weiß Keetenheuve, dass er verloren hat. Wie schon am Abend zuvor irrt er noch einmal durch die nächtliche Stadt und erreicht schließlich die Brücke über den Rhein. Mit dem Satz »Der Abgeordnete war gänzlich unnütz, er war sich selbst eine Last, und ein Sprung von der Brücke machte ihn frei« endet der Roman." (Wikipedia)
Montag, 13. Juni 2022
Desinformation (Infografik)
https://kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de/infografik-desinformation/
Wertschöpfungskette der Desinformation:
- Initiieren: Wer bestellt die Desinformation?
- Produzieren: Wer produziert sie?
- Platzieren: Wer stellt sie wo online?
- Verbreiten: Wer verbreitet sie?
- Beeinflussung: Wie beeinflusst sie die Lesenden?
Mittwoch, 8. Juni 2022
Regelbasierte internationale Ordnung und Völkerrecht
Fragen von Andrej Hunko an die Bundesregierung
Mündliche Frage zur Definition des Begriffs der regelbasierten Ordnung durch die Bundesregierung
Verfasst am 07. November 2019. Veröffentlicht in Fragen an die Bundesregierung
"Wie definiert die Bundesregierung den von ihr häufig anstelle von „Völkerrecht“ verwendeten Begriff der „regelbasierten Ordnung“ (zum Beispiel: „Die UN sind das wichtigste Weltgremium“, www.bundesregierung.de, 20. August 2019), und in welchem Verhältnis sieht sie diese „regelbasierte Ordnung“ zum „Völkerrecht“ (insbesondere der Charta der UNO) und zum Völkergewohnheitsrecht?
Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE):
Die Begriffe „Völkerrecht“ und „regelbasierte Weltordnung“ ergänzen sich. „Regelbasierte Ordnung“ ist dabei ein politischer Begriff, „Völkerrecht“ ein juristischer.
Die „regelbasierte Ordnung“ umfasst neben den rechtlich verbindlichen Normen des Völkerrechts auch rechtlich nicht bindende Normen, Standards und Verhaltensregeln. Dies sind zum Beispiel das pünktliche Zahlen von Beiträgen, die multilaterale Zusammenarbeit mit dem Ziel einer kooperativen Weltordnung oder informelle Zusammenschlüsse in Freundesgruppen oder Allianzen. Der politische Begriff bezieht sich zudem auf verschiedene internationale Foren und ihre Entscheidungsregeln sowie Verhandlungsprozesse.
„Völkerrecht“ bezieht sich auf rechtlich bindende Regeln des Umgangs der Völkerrechtssubjekte, insbesondere der Staaten, miteinander. Es umfasst internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur, wie etwa die Charta der Vereinten Nationen oder die Menschenrechtskonventionen, daneben aber auch internationales Gewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze."
Quelle: Plenarprotokoll 19/123 vom 06.11.2019
Kommentar:
Still und leise, fast klammheimlich, ist der Kampf für eine „regelbasierte Weltordnung“ zum höchsten und letzten Zweck der deutschen Außenpolitik avanciert. Kein Grundsatztext kommt mehr ohne diese Phrase aus. Im Koalitionsvertrag findet man sie gleich viermal, in leichter Variation etwa als „regelbasierte internationale Ordnung“. Und als Deutschland sich zuletzt als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat bewarb, stand in einer Bewerbungsbroschüre: „Als global vernetztes Land setzen wir uns für eine regelbasierte Weltordnung ein, die von der Stärke des Rechts und nicht durch das Recht des Stärkeren geprägt ist.“
Schon klar, gegen wen sich das richtet – man darf an Trump, Putin, Xi und andere starke Männer denken, die Verträge zerreißen, Allianzen unterminieren, Staatsgrenzen missachten und auch mal schnell ein paar neue Inseln aufschütten lassen, um ihre Interessen durchzusetzen.
Ist es denn nicht etwa richtig, sich gegen diese Tendenz zu stellen? Zweifellos. Nur ist die Gegenüberstellung der „Stärke des Rechts“ und des „Rechts des Stärkeren“ ein bisschen wohlfeil. Was wird aus dem Recht – ohne einen Starken, der es durchzusetzen bereit ist? Das ist die große Frage, die über dem postamerikanischen Zeitalter schwebt.
Die deutsche Liebe zur regelbasierten Ordnung ist nicht frei von Heuchelei. Hier wird ein außenpolitisches Ziel moralisch verbrämt, das zunächst einmal schlicht den begrenzten Machtmitteln einer Mittelmacht entspricht: Regeln als Instrument, um andere Akteure im eigenen Interesse zu Wohlverhalten zu zwingen. Dass dieses Interesse versteckt wird und man sich selber nicht an die Regeln hält, löst bei Partnern einen Widerwillen aus, den Berlin offenbar immer noch unterschätzt. Die Stilisierung Deutschlands zum Champion der regelbasierten Ordnung strahlt eine schwer erträgliche Selbstgerechtigkeit aus.
Berlin hatte zuletzt in manchen Jahren deutlich mehr EU-Vertragsverletzungsverfahren am Hals als etwa Rom oder Budapest – peinlicher Weise auch noch oft in Umweltfragen, in denen man Avantgarde zu sein beansprucht. Dass Deutschland in der EU so häufig mit dem Regelwerk in Konflikt kommt wie keine andere Mitgliedsnation, wird hierzulande ausgeblendet, weil es nicht ins Selbstbild passt.
Wohl aber ins Bild, das Deutschlands Partner sich gemacht haben: „Ihr versteckt eure Macht hinter wolkigen Formeln, dabei seid ihr in der EU der Stärkere, dessen Recht sich oft durchsetzt. Es ist ja normal, dass ihr eure Interessen verfolgt. Unerträglich wird es nur, wenn ihr dies versteckt und behauptet, stets nur im Sinne der Allgemeinheit zu handeln.“
So sahen es in der Eurokrise die südlichen Nachbarn, deren Verschuldung moralisch verdammt wurde, während die Rettung des Binnenmarkts mit vielen Milliarden (ein klares deutsches Interesse) zur selbstlosen Tat verklärt wurde. Und so sehen es die östlichen Nachbarn seit der Migrationskrise, als Deutschland ohne Abstimmung die Dublin-Regeln suspendierte und dann die Osteuropäer schalt, als diese nicht wie in Brüssel verabredet Flüchtlinge aufnehmen wollten.
Nichts also gegen den Kampf für die regelbasierte Ordnung! Aber er sollte vielleicht mit einem tiefen Blick in den Spiegel beginnen.
Jörg Lau: Regelbasierte Weltordnung, in: Internationale Politik 1.7.2020
Jörg Lau ist Außenpolitischer Koordinator im Ressort Politik der ZEIT
Washington will den ersten Platz behaupten, Birgün (Türkei) von Ilhan Uzgel 7.6.2022
Die Debatte um die Veränderung der Weltordnung wird insbesondere von den USA nicht ohne Hintergedanken geführt, meint Birgün:
„Wenn die USA von der auf Regeln basierenden Ordnung sprechen, meinen sie damit nicht das internationale Völkerrecht. Die USA wollen, dass sich alle an die von ihnen selbst aufgestellten Normen halten, die zum Funktionieren des globalen kapitalistischen Systems existieren. China und Russland halten sich nicht an diese Normen. … Die USA, die bisher den Löwenanteil aus dem globalen Profit erhielten, wollen ihre Stellung angesichts des aufstrebenden China beibehalten. ... China dagegen sammelt vorerst Kraft.
Dienstag, 7. Juni 2022
Vier-Millionen-Jahres-Rekord bei CO2 in der Erdatmosphäre
Vier-Millionen-Jahres-Rekord bei CO2 in der Erdatmosphäre
US-Seite Informed Comment.Montag, 6. Juni 2022
Bahnansagen
A: Die SBB-Ansage vor jedem Bahnhof "Ladies and gentlemen, we arrive in St. Margrethen with 13 minutes delight" verursacht mir mindestens 13 seconds of delight, wenn nicht bliss.
B: Die SBB hat mit Verspätungsansagen halt nicht so viel Erfahrung wie die Deutsche Bahn.
C: Meine Lieblingsansage letzte Woche: „Please take care while the train is departed.“