Sonntag, 8. Juli 2018

Hätte der Weihnachtsfrieden von 1914 zu einem dauerhaften Frieden führen können?

Natürlich kann niemand das wissen. Es gibt aber Ansatzpunkte für Vermutungen:
  1. Nicht nur unter Sozialisten aller Art gab es schon vor 1914 den Willen, einen kommenden Krieg zu verhindern. Auch die pazifistische Bewegung war - spätestens seit Bertha von Suttners "Die Waffen nieder" - schon stark und international vernetzt. Dennoch kam es zum Krieg. Ob Jean Jaurès (https://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Jaurès) etwas daran hätte ändern können, wenn er nicht am 31.7.14 ermordet worden wäre, ist nicht gesagt. Der Nahostkonflikt, der nach den Abmachungen von Oslo schon erfolgreich auf den Weg des Friedens gebracht zu sein schien, hat sich nach der Ermordung Rabins noch weiter verschärft.
  2. Die Erfahrung der Gräuel des Stellungskrieges hat 1914 einige Soldaten auf beiden Seiten der Front schon so kriegsmüde gemacht, dass sie die Angst vor Gegnern und Vorgesetzten überwunden haben, um gemeinsam zu feiern. Aber in den Heimatländern wuchs der patriotische Hass noch.
  3. 1917 konnten die Bolschewisten eine erfolgreiche Revolution organisieren, indem sie versprachen, Frieden zu schließen. 1918 waren nach dem Hungerwinter von 1917 und im Angesicht der sicheren Niederlage des Kaiserreichs Matrosen und Soldaten in großer Zahl bereit, zu revoltieren, und es gab politische Führer, die eine - gebremste - Revolution daraus machten. (Das ist vielfach differenzierter beschrieben nachzulesen.)
Kriegsmüdigkeit beider Seiten kann zum Frieden führen. Reichte die von 1914 dazu aus? Reicht die heutige in Syrien und im Jemen dazu aus? - Was theoretisch denkbar wäre, darüber lässt sich viel diskutieren. Die historische Wirklichkeit zeigt, was sich in der jeweiligen Situation durchsetzt.
Um dennoch ein wenig zu spekulieren: Die Wahrscheinlichkeit, dass im Juli 1914 der Krieg verhindert worden wäre, war wohl größer als die, dass es in der Folge des Weihnachtsfriedens von 1914 zum Frieden gekommen wäre.

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