In ihrer Schönheit wandelt sie... In ihrer Schönheit wandelt sie Wie wolkenlose Sternennacht; Vermählt auf ihrem Antlitz sieh Des Dunkels Reiz, des Lichtes Pracht: Der Dämmrung zarte Harmonie, Die hinstirbt, wenn der Tag erwacht. Kein Licht zuviel, kein Schatten fehlt - Sonst wär's die tiefe Anmut nicht, Die jede Rabenlocke strählt Und sanft verklärt ihr Angesicht, Wo hold und hell die Seel erzählt Von lieben Träumen, rein und licht. O diese Wang, o diese Braun, Wie sanft, wie still, und doch beredt, Was wir in ihrem Lächeln schaun! Ein frommes Wirken früh und spät, Ein Herz voll Frieden und Vertraun, Und Lieb, unschuldig wie Gebet. George G. Byron | ||
Georg Trakl: Menschliche Trauer Die Uhr, die vor der Sonne fünfe schlägt, Einsame Menschen packt ein dunkles Grausen. Im Abendgarten morsche Bäume sausen; Des Toten Antlitz sich am Fenster regt. Vielleicht daß diese Stunde stillesteht; Vor trüben Augen nächtliche Bilder gaukeln. Im Takt der Schiffe, die am Flusse schaukeln, Am Kai ein Schwesternzug vorüberweht. Es scheint, man hört der Fledermäuse Schrei Im Garten einen Sarg zusammenzimmern. Gebeine durch verfallne Mauern schimmern; Und schwärzlich schwankt ein Irrer dort vorbei. Ein blauer Strahl im Herbstgewölk erfriert, Die Liebenden im Schlafe sich umschlingen. Gelehnet an der Engel Sternenschwinge, Des Edlen bleiche Schläfe Lorbeer ziert. | ||
Christian Friedrich Hebbel Das Haus am Meer Hart an des Meeres Strande baut man ein festes Haus; als sollt' es ewig dauern, so heben die trotz'gen Mauern sich in das Land hinaus. Mächtige Hammerschläge erdröhnen schwer und voll; die Sägen knarren und zischen, verworren hört man dazwischen der Wogen dumpf Geroll. Durch das Gebälke klettert ein rüst'ger Zimmermann; der Wind, der sich erhoben, zerreißt mit seinem Toben das Lied, das er begann. Ich bin hineingetreten; daß solch ein Werk gedeiht; das ist an Gott gelegen; zu beten um seinen Segen, nehm' ich mir gern die Zeit. Die Fenster gehen alle hinaus auf die wilde See; noch sind sie nicht verschlossen, eine Möwe kommt geschossen durch das, an dem ich steh'. Hier will der Bewohner schlafen; schon wird in dem luft'gen Raum die Bettstatt aufgeschlagen; da ahn' ich mit stillem Behagen voraus gar manchen Traum. Doch wende ich mein Auge, fällt's auf gar manches Riff, ich sehe des Meeres Tosen, drüben im Grenzenlosen durchbricht den Nebel ein Schiff. Wer ist's denn, der am Strande, am öden, sein Haus sich baut? "Ein Schiffer; seit vielen Jahren hat er das Meer befahren, nun ist's ihm lieb und vertraut. 'Dies ist die letzte Reise, ich fühl' mich alt und müd', daß ich mein Nest dann finde, hobelt und hämmert geschwinde!' So sprach er, als er schied. Jetzt kann er stündlich kehren, er ist schon lange fort, drum müssen wir alle eilen!" Des schwellenden Sturmwinds Heulen verschlingt des Zimm'rers Wort. Die Wolken ballen sich dräuend, riesige Wogen erstehn, aufgerüttelt von Stürmen, schrecklich, wenn sie sich türmen, schrecklicher, wenn sie zergehn. Das Schiff dort, kraftlos ringend, ihr Spiel jetzt, bald ihr Raub, muß gegen die Felsen prallen, schon hör' ich den Notschuß fallen, was hilft es? Gott ist taub. Ich fürchte, das ist der Schiffer, dem man dies Bett bestellt, der Zimm'rer mit dem Hammer befestigt die letzte Klammer, während das Schiff zerschellt. | ||
Der Tod und das Mädchen
Das Mädchen Vorüber! Ach, vorüber! Geh wilder Knochenmann! Ich bin noch jung, geh Lieber! Und rühre mich nicht an. Der Tod Gib deine Hand, du schön und zart Gebild! Bin Freund, und komme nicht, zu strafen. Sei gutes Muts! ich bin nicht wild, Sollst sanft in meinen Armen schlafen! Matthias Claudius | ||
Gang im Schnee
Nun rieseln weiße Flocken unsre Schritte ein. Der Weidenstrich läßt fröstelnd letzte Farbe sinken, Das Dunkel steigt vom Fluß, um den versprengte Lichter blinken, Mit Schnee und bleicher Stille weht die Nacht herein. Nun ist im samtnen Teppichen das Land verhüllt Und unsre Worte tasten auf und schwanken nieder Wie junge Vögel mit verängstetem Gefieder- Die Ebene ist grenzenlos mit Dämmerung erfüllt. Um graue Wolkenbündel blüht ein schwacher Schein. Er leuchtet unserm Pfad in nachtverhängte Weite, Dein Schritt ist wie ein fremder Traum an meiner Seite- Nun rieseln weiße Flocken unsre Sehnsucht ein. Ernst Stadler | ||
Altern lernen
wie Kisuaheli oder Suoskrat Eigenschaftswörter zuerst weiß für die Haare welk für die Haut kalt für Blicke und Lippen bitter hart allein Dann die Wörter fürs Tun vergeben vergessen dulden sich beugen zurück blicken gehen denken sehnen zurück lehnen auch Hauptwörter zuletzt allen voran: die Geduld Der Verlust. Der Abschied. Die Trauer. Demut. Altern lernen wie Muttersprache das ABC des Verlernens. (Ulla Hahn...aus 'so offen die Welt') | A | |
An meine Rose
Frohlocke, schöne junge Rose, Dein Bild wird nicht verschwinden, Wenn auch die Glut, die dauerlose, Verweht in Abendwinden. So süßer Duft, so helle Flamme Kann nicht für irdisch gelten; Du prangst am stolzen Rosenstamme, Verpflanzt aus andern Welten; Aus Büschen, wo die Götter gerne Sich in die Schatten senken, Wenn sie in heilig stiller Ferne Der Menschen Glück bedenken. Darum mich ein Hinübersehnen Stets inniger umschmieget, Je länger sich in meinen Tränen Dein holdes Antlitz wieget. O weilten wir in jenen Lüften, Wo keine Schranke wehrte, Daß ich mit deinen Zauberdüften Die Ewigkeiten nährte! – Hier nahn die Augenblicke, – schwinden An dir vorüber immer, Ein jeder eilt, dich noch zu finden In deinem Jugendschimmer; Und ich, wie sie, muß immer eilen Mit allem meinem Lieben An dir vorbei, darf nie verweilen, Von Stürmen fortgetrieben. Doch hat, du holde Wunderblume, Mein Herz voll süßen Bebens Dich mir gemalt zum Eigentume Ins Tiefste meines Lebens, Wohin der Tod, der Ruhebringer, Sich scheuen wird zu greifen, Wenn endlich seine sanften Finger Mein Welkes niederstreifen Nikolaus Lenau |
Nachts
Ich bin erwacht in weißer Nacht, Der weiße Mond, der weiße Schnee, Und habe sacht an dich gedacht, Du Höllenkind, du Himmelsfee. In welchem Traum, in welchem Raum, Schwebst du wohl jetzt, du Herzliche, Und führst im Zaum am Erdensaum Die Seele, ach, die schmerzliche -? Die Seele, ach, die schmerzliche -? Klabund Wie ist die deutsche Welt in Neuigkeit ersoffen Wie ist die deutsche Welt in Neuigkeit ersoffen! Man deckt und kleidet sich, man schreibet, singt und spricht, Man reiset, schläft und ißt, man reitet, tanzt und ficht Nach neu erwählter Art. Wer Glück und Gunst will hoffen, Muß sich in allem Tun der Neuigkeit bequemen. Sonst wird ihn Überwitz mit Hohn und Spott beschämen. Es bleibet nicht dabei: Man ändert auch die Sitten, Der Kittel alter Treu und deutscher Redlichkeit Ist unsrer Moderwelt ein viel zu schlechtes Kleid, Die junge Neuigkeit will überall gebieten. Was Wunder, wenn nun auch in manchem deutschen Lande Der neue vor will gehen dem alten Adelstande! Das Alter wird veracht, das doch so viel’ begehren: Doch will ich lieber alt- als junggeboren sein. Mit Aufgeld tauschet man die alten Münzen ein; Die Firnewein gilt mehr, als der noch soll verjähren. Man sieht die Aloe nach hundert Jahren blühen, Der jungen Tulpe Pracht in kurzer Zeit entfliehen. (Hans Assmann von Abschatz 1646-1699) Dämmerung Von schwankenden Halmen gleiten Die Lichter der Monde aufs Land; Die Masten tönen, die Saiten, Gespielt von nicht sichtbarer Hand; Bernsteinerne Zifferblätter Hoch droben die Flamme erhellt, Auf dürsternde Fliesen, auf Steige, Die Stille begütigend fällt. Im Netz, im schwanken, im schweren, So still ward das neblige Grün, Und lächelnd küßt die Hetären Der Abend und läßt sie ziehn. Die weichen Töne, die warmen Des Klavierchords - der Abend verblich... O Dämmer, du Welt voll Erbarmen, Erfülle und tröste mich. Waleri Brjussow (1873 - 1924)
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