"Hertha Schulz wurde am 14. Januar 1887 in das Oberlinhaus gebracht. Damals war sie zehn Jahre alt und konnte weder sehen noch hören. Mit ihrer Aufnahme begann der diakonische Dienst für taubblinde Menschen in Deutschland.Geboren wurde Hertha am 30. Juli 1876 in Grabow bei Stettin. Ihr Vater, Emil Schulz war Polizist. Ihre Mutter, Olga Schulz, geb. Weber, war Hausfrau. Hertha hatte noch einen Bruder und eine Schwester. Im Alter von vier Jahren stürzte Hertha eine Treppe hinunter. Vier Wochen war das Mädchen ohne Bewusstsein und weitere drei Monate lag es im Krankenbett. Durch eine Gehirnhautentzündung in dieser Zeit wurde Hertha taub und blind. Nach ihrer Krankheit sprach sie noch viel und sehr aufgeregt. Wenn sie etwas erzählte und darauf natürlich keine Antwort vernahm, so sagte sie oft: 'Das war damals, als ihr noch sprechen konntet.' Hertha nahm offensichtlich nicht an, dass sie ihr Gehör verloren hatte, sondern dass die anderen die Sprachen verlernt hatten. So täuschte sie sich über ihre Behinderung hinweg. Noch etwa ein Jahr lang sang sie ihre vertrauten Kinderlieder. Doch langsam erlosch ihr Gedächtnis für diese Erinnerungen.
Über den Verlust des Augenlichtes äußerte sich Hertha damals nicht.1883 zog die Familie nach Berlin. Hier erhoffte sie sich fachkundige medizinische Hilfe. Hertha wurde in verschiedenen Kliniken an Ohren und Augen behandelt, jedoch ohne Erfolg. Ihre Mutter berichtete später, dass Herthas Sprache immer abgerissener wurde. Sie sagte zwar noch kleine Gebete her, doch wiederholte sie oft Wörter und ganze Sätze. Schließlich kam Hertha nicht mehr über den Anfang hinaus und machte dann ein Zeichen, dass sie nicht mehr weiter könne. Das Wortgedächtnis verließ sie mehr und mehr. Übrig blieben nur einige Brocken.Im Jahre 1886 fragte der damalige Berliner Stadtschulrat Dr. Bertram im Oberlinhaus an, ob nicht ein taub-stumm-blindes Kind aufgenommen werden könnte. [...]" (zitiert nach Oberlinhaus.de; dort findet sich auch der Bericht über ihr weiteres Leben)
"1871 wurde in Berlin der damalige Oberlinverein gegründete. Benannt nach dem elsässischen Sozialreformer Pfarrer Johann Friedrich Oberlin (1740-1826).
Wesentliche Ziele des Vereins waren die Betreuung und Bildung von kleinen Kindern zu organisieren und zu fördern. So eröffnete der Oberlinverein 1874 im damaligen Nowawes (heute Babelsberg) eine Kleinkinderschule mit einem Seminar zu Ausbildung von Kleinkinderschullehrerinnen.
1878 wurde das neuerbaute Diakonissen Mutterhaus eröffnet, in dem 1881 eine Poliklinik, 1883 eine Kinderkrippe und 1888 eine erste Krankenstation ihren Betrieb aufnahmen. 1886 begann die Arbeit mit behinderten Menschen im Oberlinhaus.
Mit Hilfe von Spenden konnte der Oberlinverein auf eigenem Grundstück am 20. Oktober 1890 das erste Krankenhaus in Nowawes mit 45 Betten eröffnen. 1894 folgten das erste 'Deutsche Vollkrüppelheim', ergänzt 1899 durch ein Krüppelschulhaus, 1906 das 'Taubstummblindenheim' und Werkstätten zur behindertengerechten beruflichen Ausbildung,1910 das 'Oberlin-Kreiskrankenhaus'." (Oberlinhaus.de)
Der breiteren Öffentlichkeit wurde Oberlins Name durch Georg Büchners Erzählung Lenz bekannt.
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