Worauf bezieht sich das "Neutralitätsgebot" von Artikel 4 des Grundgesetzes?
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Kommentar der Wikipedia zu Artikel 4 GG:
"Dieses Neutralitätsgebot zeigt sich in drei Ausprägungen: Der Staat darf sich nicht mit einzelnen Glaubensgemeinschaften identifizieren, muss Toleranz gegenüber unterschiedlichen Glaubensrichtungen üben und diese in gleicher Weise behandeln."*
Anfrage an den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages
Es wurde gefragt, ob Regierungsmitglieder und Parlamentarische Staatssekretäre in zeitlicher Nähe zur Bundestagswahl öffentlichkeitswirksame Termine (z.B. in Schulen oder Polizeien) wahrnehmen können.
Eine gesetzliche Regelung zu einer Neutralitätspflicht für solche Entscheidungsträger gibt es nicht.
Die Rechtsprechung leitet die Neutralitätspflicht der Staatsorgane aber indirekt aus dem Grundgesetz her. Nach Art. 21 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz ist es Aufgabe der Parteien, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Die Rechtsprechung folgert aus dem Vergleich zu Parteien, dass Staatsorgane im politischen Meinungskampf neutral bleiben müssen. (https://www.bundestag.de/resource/blob/836404/3048bbf257f14a16a2336af67d37dd72/WD-3-029-21-pdf-data.pdf)
Amtseid des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers und aller Bundesminister
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“ (Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung abgelegt werden.)
Wenn die Neutralitätspflicht der Staatsorgane, die im Unterschied zu Parteien zu "Gerechtigkeit gegen jedermann" verpflichtet, die Inhaber dieser Ämter auch als Parteimitglieder dazu verpflichtete, allen Parteien gegenüber neutral zu sein, würde die entscheidende Aufgabe der Parteien, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, unmöglich gemacht.
Deutsches Institut für Menschenrechte
"Grund- und Menschenrechte als Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geben wesentliche Inhalte und Maßstäbe für politische Bildung vor. Lehrende in der schulischen und außerschulischen Bildung haben daher eine zentrale Rolle bei der Vermittlung von Menschenrechten − einschließlich des Schutzes vor Diskriminierung. Wesentlicher Bestandteil ihrer Aufgaben ist es, Positionen, die den Menschenrechten widersprechen, kritisch und diskriminierungssensibel zu thematisieren."
Beutelsbacher Konsens über den politischen Unterricht
Grundsätze
Der Konsens legt drei Prinzipien für den Politikunterricht fest. Auch öffentliche Zuschussgeber für die außerschulische politische Bildung fordern teilweise von bezuschussten Institutionen ein Bekenntnis zu den Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses.[1]
Überwältigungsverbot
Gemäß dem Überwältigungsverbot (auch: Indoktrinationsverbot) dürfen Lehrkräfte Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen, sondern sollen Schüler in die Lage versetzen, sich mit Hilfe des Unterrichts eine eigene Meinung bilden zu können. Dies ist der Zielsetzung der politischen Bildung geschuldet, die Schüler zu mündigen Bürgern heranzubilden.
Kontroversität
Das Gebot der Kontroversität (auch: Gegensätzlichkeit) zielt ebenfalls darauf ab, den Schülern freie Meinungsbildung zu ermöglichen. Der Lehrende muss ein Thema kontrovers darstellen und diskutieren können, wenn es in der Wissenschaft oder Politik kontrovers erscheint.[2] Seine eigene Meinung und seine politischen wie theoretischen Standpunkte sind dabei für den Unterricht unerheblich und dürfen nicht zur Überwältigung der Schüler eingesetzt werden. Beim Kontroversitätsgebot handelt es sich allerdings nicht um ein Neutralitätsgebot für die Lehrkraft.[3]
Schülerorientierung
Das Prinzip Schülerorientierung soll den Schüler in die Lage versetzen, die politische Situation der Gesellschaft und seine eigene Position zu analysieren und sich aktiv am politischen Prozess zu beteiligen sowie „nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen.“[4]
* Dass muslimische Glaubensgemeinschaften aufgrund ihrer Organisationsstruktur nicht als Körperschaften ds öffentlichen Rechtes behandelt werden (weil das nach den gegenwärtigen Rechtsbestimmungen nicht möglich ist), widerspricht diesem Gleichbehandlungsgrundsatz.
Alle Versuche, das zu überwinden, sind bisher gescheitert.