Montag, 24. Juni 2019

Nobelpreis für Greta?

Natürlich beschäftigen Ernst Ulrich von Weizsäcker kurz vor seinem 80. Geburtstag wichtigere Fragen. Aber die Frankfurter Rundschau und auch ich rechnen damit, dass Nobelpreis und Greta leichter Aufmerksamkeit erwecken als das Stichwort Klimawandel.
Hier einige Zitate aus seinem Interview mit der FR 24.6.19: „Greta sollte den Nobelpreis bekommen“
"Sie ist eine Symbolfigur geworden. Was sie an Orten wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos sagte, ist goldrichtig: „Unsere Zivilisation wird dafür geopfert, dass wenige Menschen weiterhin sehr viel Geld verdienen.“ Ich weiß zwar nicht, ob es ihr gut tun würden, auf einen Schlag über eine Million Dollar verfügen zu können. Aber dieses Risiko kann man eingehen."
"Es können Kippelemente im Klimasystem angestoßen werden, die nur als katastrophal zu bezeichnen wären. Das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien, das Austrocknen des Amazonas-Regenwaldes, das Abschmelzen des Grönland-Eispanzers. Es geht hin bis zu der Möglichkeit, dass in den Polargebieten auf einen Schlag gigantische Eismassen abbrechen. So etwas ist erdhistorisch schon einmal passiert, vor 7700 Jahren. Damals lag über Labrador und der Hudson-Bay eine Eisfläche so groß wie das Grönland-Eisschild, binnen kurzer Zeit brach sie ab. Das war das Ereignis, das wir aus der Bibel als die Sintflut kennen. Der Meeresspiegel stieg damals plötzlich um sieben Meter an. Man stelle sich vor, was dann heute mit den vielen Mega-Küstenstädten auf der ganzen Welt passieren würde – dann haben wir nicht eine Millionen Flüchtlinge, sondern eine Milliarde."
[über das 21. Jahrhundert:]  "Es ist ein Jahrhundert der Umwelt geworden, aber nur in den reichen Industriestaaten – in Europa, den USA, Kanada, Japan, und nur in Bezug auf die klassischen Umweltprobleme. Der Himmel über der Ruhr ist wieder blau, die Flüsse sind sauber, das durch Schwefel- und Stickstoff-Frachten ausgelöste Waldsterben ist im Wesentlichen überwunden. Auch die Luft in den Städten ist viel besser geworden. Wenn es heute um die Feinstaub-Werte in der Luft geht, sagt kaum jemand dazu, dass die Belastung vor 50 Jahren überall viel größer war als heute selbst in der Innenstadt von Stuttgart. Was die großen Megatrends angeht – Klima, Ressourcenverbrauch, Artenschwund – sind wir aber schändlicher Weise noch im Jahrhundert der Ökonomie."
[Weshalb geht es bei den großen Fragen nicht voran?] "Das ist auch eine Folge des Zusammenbruchs des Kommunismus 1990. Davor waren die Wirtschaft und die Aktienmärkte im Westen ja fast handzahm gegenüber den Regierungen. Der Grund: Man brauchte die Regierungen als Bollwerk gegen den Kommunismus im Osten. Aber der war plötzlich weg, und die Finanzmärkte wurden arrogant gegenüber der Politik. Was vor 1990 undenkbar war, wurde plötzlich salonfähig: Finanzgaunerei vom Schlimmsten."
"[...]  überall heißt die Antwort „Wachstum“, wenn ein Problem gelöst werden soll. Das heißt: Man schlägt systematisch Therapien vor, die die Krankheit schlimmer machen – bei heutigen Bedingungen nämlich durch höhere CO2-Emissionen. [...]"
"Ein SPD-Programm muss folgende Kernthemen haben: sozialverträglicher Umwelt- und Klimaschutz, Friedenspolitik, Kontrolle der Finanzmärkte, Gestaltung der Digitalisierung und Technikfolgenabschätzung."
Weizsäcker nützt die Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen, dass durchaus sehr viel in Sachen Umweltschutz geschehen ist, nur nicht in den ganz großen Fragen, den "Megatrends". Sie sind zu spät in ihrer vollen Relevanz entdeckt worden. Und dann waren die Finanzmärkte schon "arrogant gegenüber der Politik".
Weizsäcker hofft darauf, dass jetzt ein ähnlicher Umbruch stattfindet wie 1989/90.
Es ist höchste Zeit. Und nach einem Leben für den Umweltschutz ist ihm zu gönnen, dass er es nicht als nutzlos ansieht. 
Und noch ist es ja Zeit!

"Heute liegt der CO2-Ausstoß über 60 Prozent höher als 1992 bei der Unterzeichnung der Weltklimakonvention, die eine gefährliche Störung des Klimasystems verhindern sollte." (FR "Die Klima-Amnesie", 28.6.19, S.11)

Zur aktuellen Kritik an Greta

Weitere Meldungen zu Greta:
https://www.fr.de/politik/lausanne-schweiz-fridays-future-greta-thunberg-verlaesst-saal-zr-12901131.html (FR 9.8.19)
https://www.nzz.ch/feuilleton/klimawandel-warum-thunberg-richtig-liegt-und-ferguson-falsch-ld.1507906 NZZ 13.9.19

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