Sonntag, 8. April 2018

Anmerkungen zur afrikanischen Philosophie

Hier halte ich Lesefrüchte fest, die vielleicht auch andere dazu anregen, sich mit afrikanischer Philosophie zu beschäftigen, die nach Janheinz Jahn den religiösen Vorstellungen mehrerer schwarzafrikanischer und afroamerikanischer Religionen zugrunde liegt. 

Der Feuilletonchef der ZEIT Ijoma Mangold hat in "Das deutsche Krokodil" davon berichtet, dass sein afrikanischer Vater, ein Häuptling, ihn - als er mit dem 22-Jährigen Mangold erstmals in seinem Leben Kontakt aufnahm - zu seinem Erben und Leiter seines Krankenhauses machen wollte und alle seine Halbgeschwister fest davon ausgingen, dass er seiner nigerianischen Familie den Vorzug vor allen europäischen Bindungen geben werde. 
Etwas verständlicher wurde mir das, als ich Muntu von Janheinz Jahn und dessen abstrakte Darstellung afrikanischer Philosophie gelesen habe. (Abschnitt Ntu, in meiner Ausgabe S.106-130)

Offenbar kann danach nur über den Familienzusammenhalt die Kraft der Ahnen (Muzimu) an ihn (Mangold) weitergegeben werden und dass er deren Lebenskraft (Magara) für sein hiesiges Leben braucht, um es erfolgreich zu leben, erscheint ihnen selbstverständlich.
Freilich, dass der Muzima leibliche Nachkommen braucht, um weiterzuexistieren, scheint uns  meist fremd. Adelsstozen Familien aber gar nicht, und Thomas Manns Hanno Buddenbrook sicher auch nicht ("Verfall einer Familie").

Sehr vereinfacht heißt es dazu in der Wikipedia über den Glauben der Bantu:
"Bei den Bantu hatte der Glaube an übernatürliche Wesen, die man positiv zu beeinflussen versuchte und denen man positiven und negativen Einfluss auf das menschliche Schicksal zuschrieb, eine zentrale Bedeutung. Man sah in ihnen oft eine Manifestation der Seelen verstorbener Vorfahren. Mit einer Vielzahl von Zeremonien [Wodu], Riten und Tabus versuchten die Bantu, sich das Wohlwollen der Geister zu erhalten. Viele Bantu glaubten, dass sich Tote in Schlangen verwandeln; deshalb wurden auch diese verehrt.
Daneben gab es auch den Glaube an ein höchstes Wesen, den Schöpfer. Die Bantu glaubten jedoch nicht, dass sich der Schöpfer nennenswert um die Menschen kümmere, weshalb er nur geringe kulturelle Verehrung erhielt und allenfalls angebetet wurde. In trockenen Gebieten galt er als Regenmacher, in feuchteren eher als Sonnengott.

Außerdem glaubten die Bantu an die Dualität von Körper und Geist und nahmen an, dass sich die Seele beim Tod vom Körper trenne."

Von den Quellen, die Jahn anführt, halte ich Alexis Kagame für mich am leichtesten nachvollziehbar (seine Arbeit: La Philosophie Bantu-Rwandaise de l'Être (1956): an analysis of the Kinyarwanda language and culture as it relates to their concept of "Being".) Wichtig ist nach Jahn, dass die Bantu-Sprachen die Nomina in Nominalklassen einteilen, die sich den philosophischen Haupt"prinzipien" oder -kräfte [Muntu (Mensch, Ahne, Gott), Kintu (Ding, Pflanze, Tier], Hantu (Ort u. Zeit), Kuntu (Modalität, z.B. Schönheit)] zuordnen lassen. 
Verständlicher wird das in Jahns Darstellung, aber sie besser zu komprimieren fehlen mir gegenwärtig Zeit und gedankliche Durchdringung.

Jetzt kurz noch zum Kapitel "Nommo. Die Zauberkraft des Wortes" (S.131-165 in meiner Ausgabe):
Das oberste Muntu, Schöpfergott, wird nicht als rein technischer Produzent verstanden, sondern als Zeuger. Nommo, das Wort, ist die Lebenskraft, durch die die Welt entsteht. In der biblischen Schöpfungsgeschichte spricht Gott und es wird Licht und es entstehen alle Dinge (vgl. Kintu) und alle mit Geist belebte Wesen (Muntu).
Eine Ähnlichkeit zum Beginn des Johannesevangeliums ist augenscheinlich:
"Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht,  was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in die Finsternis, und die Finsternis hat's nicht begriffen. [...] Und das Wort ward  Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit."
Mit dieser Ähnlichkeit befasst Jahn sich auf S.142/43. Die Ähnlichkeit geht so weit, dass das Wort Fleisch wird, so wie Jesus, vom heiligen Geist gezeugt, Mensch wird.
Der Unterschied zur Auffassung des Johannesevangeliums kann das Nommo freilich nicht nur von Gott ausgehend Neues schaffen und zeugen. 
Diese Kraft kommt nach afrikanischer Vorstellung - so Jahn - jedem Muntu zu, also nicht nur der Gottheit, sondern auch Menschen (und verstorbenen Menschen, den Ahnen).
Das ist die "Zauber"-kraft des Wortes, die als "Beschwörungsformel" des Medizinmanns Heilung bewirkt und als Dichtung (Schöpfung des Dichters) Neues ins Leben ruft und Veränderung bewirkt. (S.143-148) "Wäre das Wort nicht, würden die Kräfte erstarren, wäre kein Zeugen, kein Wandel, kein Leben." (S.143)

Sieh auch:
Am I an African?

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