Dienstag, 28. Februar 2017

Mord?

Ein mutiges Urteil. Eine notwendige Diskussion. Eine Gesetzesverschärfung notwendig. Aber es war kein Mord.
Da das Urteil nicht rechtskräftig ist, da Revision möglich ist, ist die Entscheidung des Berliner Richters im Fall der beiden Raser meiner Meinung nach gesellschaftspolitisch richtig. Ich selbst hätte aber - angesichts meiner beschränkten Kenntnis der Rechtslage und des Falls - nicht so entschieden.

Wer von einem anderen dazu angestiftet wird, sich auf ein Wettrennen einzulassen, und dabei - freilich nur zunächst - an roten Ampeln hält, hat nicht den Vorsatz gefasst, zu töten.
Es handelte sich nicht um ein gemeinschaftliches Verbrechen, wo beide mit Vorsatz gehandelt haben.
So meine Sicht.

Ich hoffe darauf, dass das Urteil von der höheren Instanz aufgehoben wird und dass der Gesetzgeber endlich das Rasen im öffentlichen Straßenverkehr als das Verbrechen einstuft, das es ist.
Freilich mit der Möglichkeit des Abwägens. Auch bei Extremfällen des Rasens gibt es noch Unterschiede. - Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ohnehin.

Wenn das Urteil Bestand hätte, könnte jede ähnliche Geschwindigkeitsüberschreitung als Mordversuch gewertet werden. Wenn die Gesetzeslage fortbesteht, wird, wer durch eine Verkettung glücklicher Umstände nicht am Tod eines Menschen schuldig geworden ist, mit 400 € Geldstrafe bestraft. Der, bei dem die Zufälle sich anders ausgewirkt haben, wegen fahrlässiger Tötung.

Rasen muss schärfer strafbewehrt sein. Die Tatsache, dass nur ein kleiner Teil der Raser überführt werden kann, darf daran nicht hindern.
Wie viel Prozent der Fälle, die eine Ehefrau als Vergewaltigung erlebt, werden bestraft? Dennoch hat die Dunkelziffer den Gesetzgeber nicht davon abgehalten, das Delikt "Vergewaltigung in der Ehe" einzuführen, um das gesellschaftliche Bewusstsein zu ändern. Ähnliches ist beim Rasen notwendig.

Dabei ist klar, dass selbst sorgfältigste Formulierung nicht verhindern kann, dass der Ermessensspielraum dabei sehr groß bleiben wird. Aber den gibt es auch auf anderen Bereichen.

Diesmal hat er etwas ermöglicht, was ich für ein eindeutiges Fehlurteil halte; aber für ein Urteil, das offenbar notwendig war, um das gesellschaftliche Problembewusstsein zu schärfen.

Sieh auch: Raser sind Verbrecher, aber keine Mörder von Tonio Walter, ZEIT online 28. 2. 2017

Freitag, 24. Februar 2017

Drohnen - Spielzeug, Verkehrshindernis und Waffe

[...] Mit einer Drohne kann jeder zum Piloten werden, per Kamera die Welt von oben betrachten, durch Gebäude und Höhlen fliegen, beim Extremsport filmen, an Flugwettbewerben teilnehmen. Die Technik verspricht großen Spaß und vielfältigen Nutzen. Und sie ist eine Gefahr für die private und öffentliche Sicherheit. Zahlreiche Zwischenfälle und Beinahe-Katastrophen geben einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen kann. 
Der österreichische Skirennfahrer Marcel Hirscher wurde im vergangenen Winter nur um Haaresbreite von einer abstürzenden Kameradrohne verfehlt. Multikopter durchschlugen Hochhausfenster und knallten in die Windschutzscheiben fahrender Autos. Im November kollidierte eine Drohne mit dem Münchner Fernsehturm und stürzte aus 180 Metern einer vierköpfigen Familie vor die Füße. Ein Wunder, dass bisher noch kein Todesfall bekannt wurde.
Drohnen können ahnungslose Passanten verletzen, sie können auch Nachbarn, Prominente, Militär- und Industrieanlagen ausspionieren. [...]
Auf dem normalen Flughafenradar sind kleine Drohnen nämlich nicht zu erkennen – "ein Albtraum für jede Flugsicherung", sagt Klaus-Dieter Scheurle, Chef der Deutschen Flugsicherung (DFS). "Wir müssen wissen, wer am Himmel unterwegs ist." Er fordert deshalb, alle Drohnen in einer Datenbank zu registrieren und bei jedem Start zu identifizieren. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Telekom will die DFS herausfinden, ob das Mobilfunknetz dazu geeignet ist. Jede Drohne müsste mit einer SIM-Karte ausgestattet werden. Fliegen könnte sie nur, wenn sie über die Mobilfunkverbindung geortet ist. [...]

Gefahr im Anflug von Dirk Asendorpf 29. Dezember 2016 DIE ZEIT Nr. 52/2016, 15. Dezember 2016

Wie kam Goethe zu seinem Adelsdiplom?

Sein Herzog verlieh ihm den. Da er ihn seinerseits beim Kaiser Joseph II. beantragen musste, zahlte Goethe die dafür erforderlichen Gebühren. (Gero von Wilpert:  Goethe: die 101 wichtigsten Fragen)

Mail von der Obama Foundation

"[...] In his Farewell Address as President, Barack Obama made this request of us: "I'm asking you to believe. Not in my ability to make change, but in yours."

This faith in each of our capacity to make a difference in our world has been the guiding principle of President and Mrs. Obama's two decades in public service. [...]

That's exactly why we have asked you to add your voice, to tell us what good citizenship means to you and what you want this Foundation to be.

We asked, and you answered.

We've received hundreds of thousands of your ideas, photos, stories of citizenship, and suggestions for working together on building this Foundation. And we want you to keep them coming!

Here's one inspiring example of what you've sent along:
"Being a great citizen is about showing up, standing up, and speaking up when change needs to happen!"

Montag, 20. Februar 2017

China: Bei Schulden Reiseverbot

Buchungen sind nur mit Ausweisnummern möglich, alle Personalausweise haben Funkchips, die Kontrolle erfolgt automatisch. - 6,7 Millionen Langfristschuldner (die Liste wird seit 2013 geführt) dürfen jetzt also weder in der Luft noch auf der Schiene verreisen.
Mirjam Meissner von Merics sagt dazu: "China entwickelt IT-gestützten Autoritarismus". (Finn Mayer-Kuckuk in FR 20.2.17)

"Autoritarismus" klingt für diesen technologisch abgesicherten Totalitarismus für mein Verständnis zu harmlos. Orwells Vision "1984" bewahrheitet sich nicht nur bei Neusprech, sondern auch bei der perfektionierten Massenüberwachung. Chinesische Internetkonzerne wie Alibaba und Tencent arbeiten dem Staat lückenlos zu.
Wie lange dauert es, bis wir auch so weit sind?

Sonntag, 19. Februar 2017

Kurzbesuch auf der Didacta

Eigentlich hatte ich auf der Didacta nur Freunde treffen wollen. Weil ich aber einen Zuganschluss verpasst hatte, musste ich mich stattdessen notgedrungen mit einem kurzen Reinschnuppern in die Didacta zufrieden geben.

Mein Versuch, mich vorzuinformieren, war aufgrund der für mich didaktisch völlig unzureichend aufbereiteten Webseite grandios gescheitert; doch zum Glück stieß ich bei einem Stand auf die Zeitschrift bildungspezial, die es mir im Nachhinein ermöglichte, mir einen Überblick über das zu ermöglichen, was theoretisch zu finden gewesen wäre.

Aber auch so sind zwei Blogartikel (1 und 2) und eine Stubvorform auf meiner Benutzerseite zustande gekommen.




Lehrerumfrage des Didacta Verbandes 2016 (pdf)

Bildungsveranstaltungen Anfang 2017

Blog des 21ccc

Montessori-Deutschland

Demokratie im Klassenzimmer und auf dem Schulhof (Blogparade Demokratiefähigkeit)

In unserer Gesellschaft ist aus gutem Grund das Bewusstsein dafür gewachsen, dass Demokratie einen fortwährenden Einsatz braucht, um sie lebendig zu erhalten.
Wenn - wie Daniel Bernsen herausgestellt hat - das Klassenzimmer eine wichtige Schule der Demokratie ist, dann gehört auch dazu, dass dort ein respektvoller Umgang gepflegt wird. Denn ohne den können sich Empathie und die Bereitschaft zu Kompromissen nicht entfalten.
Deshalb trifft das Manifest des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) "HALTUNG ZÄHLT" einen zentralen Punkt: 
"Wir wollen, dass unsere Kinder in einer weltoffenen Gesellschaft leben. Unsere Kinder sollen Respekt, Wertschätzung und Interesse für die anderen Menschen erleben und leben - unabhängig davon, welcher Religion sie angehören, welche Hautfarbe sie haben, welche Muttersprache sie sprechen und welche Meinung sie vertreten.

Als besorgte Lehrerinnen und Lehrer appellieren wir deshalb an alle, unsere Gesellschaft vor Spaltung, Brutalität, Rücksichtslosigkeit und Radikalisierung zu schützen und so unsere Demokratie zu bewahren. Lassen wir uns nicht einschüchtern und setzen wir uns selbstbewusst und kompromisslos ein."

Die Initiatoren des Netzwerks für Demokratie und Courage und der BLLV haben gewiss einen unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergrund und damit auch unterschiedliche Interessen, aber das Ziel ist durchaus ein gemeinsames. 

vgl. auch: Die neue digitale Zivilcourage und den Hashtag #ichbinhier

Samstag, 18. Februar 2017

Münkler: "Den" Westen gibt es nicht mehr

Die enge Kooperation zwischen USA und Europa, die es in der 2. Hälfte des 20. Jhs gab, wird es nicht wieder geben.
"Die politische Linke ist zum Schutzherrn aller denkbaren Minderheiten zerfasert, aber sie hat dabei die kleinen Leute aus den Augen verloren."
Herfried Münkler im Interview der FR, 18.2.17

Debatte zwischen Ian Kershaw und Herfried Münkler über den "großen Krieg" FR 20.10.16

Mittwoch, 15. Februar 2017

USA räumen Einsatz von Uranmunition in Syrien ein

Kampf gegen den IS: USA räumen Einsatz von Uranmunition in Syrien ein

"Die Flugzeuge der USA und ihre Verbündeten haben keine Uranmunition eingesetzt und werden während der Operation Inherent Resolve keine Uranmunition im Irak und in Syrien einsetzen." Das sicherte das Zentralkommando der Vereinigten Staaten (Centcom) im März 2015 zu. Diese Munition sei entwickelt worden, um Panzer auf dem konventionellen Schlachtfeld zu zerstören. "Der IS besitzt aber nicht viele Panzer", begründete das US-Militär seine Entscheidung.
Nun, knapp zwei Jahre später, hat das Pentagon eingeräumt, doch zweimal Uranmunition in Syrien eingesetzt zu haben. Bei zwei Luftangriffen gegen Öl-Lastwagen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien beschossen US-Kampfjets ihre Ziele mit panzerbrechender Munition, deren Projektile abgereichertes Uran enthielten. Bei den Luftschlägen am 16. und 22. November 2015 seien etwa 350 Fahrzeuge zerstört worden. Die Angriffe ereigneten sich im Osten Syriens, in der Nähe der syrisch-irakischen Grenzstadt Abu Kamal beziehungsweise in der Nähe der Großstadt Deir al-Sor.
Nach Angaben von Centcom-Sprecher Josh Jacques feuerten die Jets vom Typ A-10, Spitzname "Warzenschwein", aus ihren Maschinenkanonen insgesamt 5265 30-Millimeter-Patronen auf die IS-Fahrzeuge ab. Das entspricht einer Menge von rund 1,5 Tonnen Munition.
Uranmunition hat enorme Durchschlagskraft
Es ist der erste bestätigte Einsatz von Uranmunition durch das US-Militär seit der Irak-Invasion 2003. Damals verschossen Amerikaner und Briten Hunderte Tonnen dieser radioaktiven Munition. Die gesundheitlichen Spätfolgen sind bis heute nicht abschließend erforscht. Mediziner befürchten aber, dass die Uranpartikel eingeatmet werden können, sich in der Lunge auflösen und so in die Blutbahn und ins Gewebe gelangen. Auch über Wunden könne die Substanz in den Körper eindringen und Vergiftungen oder Krebs auslösen.

Macht der Geheimdienste

"Nach Recherchen des "New York Observer" begannen die Geheimdienstmitarbeiter daraufhin eine interne "Revolte der Spione". Das führte zu den Leaks, die die Grundlage der Flynn-Berichte bilden. Der Sturz des Sicherheitsberaters ist die Folge des Zerwürfnisses zwischen den Agenten und dem Weißen Haus."
(Skandale, Niederlagen, Chaos - Trump stößt an seine Grenzen SPON 15.2.17)

Das reihenweise Sterben der NSU-Zeugen

Das reihenweise Sterben der NSU-Zeugen von Jan Hofer, Matthias Goergens WDR Stand 11.3.2016

  • Rätselhafte Todesfälle rund um den NSU-Prozess - nur Zufall?
  • Fünf Zeugen sterben unter merkwürdigen Umständen
  • Ermittler erklären den Tod jeweils schnell als "natürlich" oder selbst gewollt
  • Staatsanwaltschaft will nach WDR-Informationen Fall Corelli neu untersuchen.

Ein neues Schulfach gegen Fake News?

Twitter-Facebook-Schwäche: Ein neues Schulfach gegen Fake News SPON 14.2.17

"Was tun gegen Fake News? Schon bei den Kindern in der Schule ansetzen, mahnte jetzt Apple-Boss Tim Cook. Dazu ist hierzulande ein Umdenken nötig: Computer sind kein Unterrichtsmaterial - sondern Lehrstoff."
"Ob und wie qualifiziert ein Kind in Sachen Netzrecherche unterrichtet wird, ist somit vom Zufall abhängig, moniert Wassilios Fthenakis, Erziehungswissenschaftler und Hausherr der didacta. "Heute ist die digitale Kompetenz neben den anderen Kompetenzen eine absolut notwendige Ergänzung für Kinder", sagt er - und wirbt für einen frühzeitigen Start: "Das kann und sollte von Anfang an erworben werden - bereits im vorschulischen Alter."
Eine Vorstellung, die Apple-Chef Cook gefallen dürfte."

Von einem neuen Schulfach ist im Text nicht mehr die Rede, wohl aber von einer Umgestaltung des Curriculums. Im Vertrauen, dass man den Unterschied nicht merkt, verfasst man für einen Artikel, der über Fake News handelt, schnell eine Falschmeldung. Bravo!
"Computer sind kein Unterrichtsmaterial - sondern Lehrstoff" ist die nächste Aussage, die nichts mit dem Artikelinhalt zu tun hat. Zwar kann die Funktionsweise kurz einmal Lehrstoff sein, aber an den konstatierten Mängeln der Medienkompetenz würde das nichts ändern.
Das einzig Gute an dem Artikel ist, dass er - wenn auch verfälschend - auf ein Problem aufmerksam macht und dass er - wenn auch nur vorsichtig - andeutet, dass es den Protagonisten der Computerlobby natürlich nicht um politische Bildung geht, sondern um größeren Absatz. 

"Wahrheit festzulegen ist gefährlich" - Interview mit Uwe Krüger über die Debatte um sogenannte Fake News (L.I.S.A. Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung)

Dr. Krüger: Früher kamen Falschnachrichten meist von Regierenden und wurden von Journalisten weitergereicht:
"Beispiele wären die Massenvernichtungswaffen, die die Bush-Administration 2003 dem irakischen Staatschef Saddam Hussein angedichtet hatte, oder der angebliche „Hufeisenplan“ des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevics, der im Bundesverteidigungsministerium 1999 zur Legitimierung des Kosovo-Einsatzes erfunden wurde. Heute sind Fake News „demokratisiert“, wie der Mainzer Kommunikationswissenschaftler Philipp Müller sagt. [...]
Ich halte die bestehenden Gesetze für ausreichend: Personen können sich gegen Falschaussagen wehren, die sie betreffen, Verleumdung und üble Nachrede ist justiziabel. Volksverhetzung auch.

Zusätzlich müssten verstärkte Anstrengungen auf dem Gebiet der Medienpädagogik gemacht werden, etwa ein Schulfach „Publizistik“. Darin müsste es dann aber nicht gehen, per ordre du mufti zu erzählen, dass alles, was in den etablierten Medien steht, stimmt, und alles was auf RT Deutsch kommt, Lüge ist. Sondern man müsste den nachwachsenden Generationen quasi journalistisches Rüstzeug geben und sie lehren zu recherchieren und zu unterscheiden etwa zwischen Sachverhalts- und Deutungsaussagen oder zwischen neutralen und interessengeleiteten Quellen – damit sie als aufgeklärte Subjekte kritisch sowohl mit dem Mainstream-Journalismus als auch mit Alternativmedien und Gegenöffentlichkeiten umgehen können."
L.I.S.A.: Wie verhält sich aus Ihrer Sicht ein Maßnahmenkatalog gegen Nachrichten, die als „Fake News“ klassifiziert und deren Urheber und Verbreiter deswegen juristisch belangt werden können, mit den Grundrechten auf Meinungs- und Pressefreiheit? Wie unterscheiden sich solche Maßnahmen von einer neuen Form der Zensur? Überspitzt formuliert: Droht ein Orwell’sches Wahrheitssprech, in der einige dazu Erwählte bestimmen, was wahr ist und was nicht?
Dr. Krüger: Ich finde Bestrebungen, Wahrheit staatlich festzulegen, sehr gefährlich für Demokratie und Meinungsvielfalt. Das würde die offene Gesellschaft, die durch Massenüberwachung schon heute gefährdet ist, noch stärker bedrohen. Wenn es erst einmal eine Instanz gibt, die darüber entscheidet, was Lüge, Einseitigkeit, Desinformation oder Propaganda ist, sind dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Dann wird es bald nicht mehr nur um das Aussortieren falscher Sachverhaltsaussagen gehen, sondern auch um „falsche“ Deutungen, Interpretationen oder Kausalzusammenhänge. Wenn uns aber auch das Framing und die Perspektive vorgeschrieben werden, dann ist die Demokratie tot – und wir werden eine gelenkte Demokratie bzw. ein autoritäres System wie das von Wladimir Putin, vor dem wir uns so sehr fürchten. [...]
Es geht sicherlich um Deutungshoheit. Zusätzlich fürchte ich, dass vielen Medienunternehmen und Journalisten nicht klar ist, auf welch schmalem Grat sie wandeln, wenn sie „Fake News“ ausmerzen wollen. Nicht selten basiert auch die Berichterstattung etablierter Medien auf Spekulation und ungesicherten Fakten – siehe Schlagzeilen wie „Russische Hacker beeinflussen Wahlen“. "

Dienstag, 14. Februar 2017

Das Buch zum Edchat (OER)

Vorstellung durch die Herausgeber und den Cornelsen Verlag (OER)

Ein Plädoyer für Förderschulen

Förderschulen sind oft bessere Alternativen 

"[...] 
Man kann auch nicht davon ausgehen, dass die I-Kinder, wie die Inklusionskinder genannt werden, automatisch zu den Geburtstagen oder zum Spielen am Nachmittag eingeladen werden, jedenfalls jene, die am Vormittag für die gesamte Klasse nicht leicht erträglich sind. In den Förderschulen würde es den Kindern meiner Meinung nach besser gehen, sie wären weniger isoliert und würden in kleineren Klassen besser gefördert.
Als ich vor 15 Jahren als Lehrerin angefangen habe, gab es an manchen Schulen in Frankfurt den sogenannten Gemeinsamen Unterricht. Das waren Klassen mit nicht mehr als 21 Kindern, in denen es drei Inklusionskinder gab und die von einer Lehrerin und einer Förderschullehrerin gemeinsam unterrichtet wurden. Das war ein gutes Modell, das aber offenbar zu teuer war, denn es wurde wieder abgeschafft. [...]"

Gegen Inklusion von Hochbegabten ZEIT online 14.2.17

Soraya Ahmad, 15, gehört zur geistigen Elite. Die Mutter Deutsche, der Vater stammt aus Pakistan, beide arbeiten in der Gastronomie. Die Familie lebt in Stuttgart. Nach der neunten Klasse an einem Mädchengymnasium wechselte sie nach Schwäbisch Gmünd. "In meiner alten Schule war ich stark unterfordert, es wurde mir langweilig und ich verschlechterte mich im Gesamtdurchschnitt aller Noten von 1,0 auf 1,5", sagt sie und es ist keineswegs arrogant gemeint. Dass das Mädchen überdurchschnittlich intelligent ist, fiel früh auf. "Mathematik mache ich sehr gern und immer mehr Aufgaben, als eigentlich gefordert", erzählt die Schülerin, bei der schon nach der Grundschule die Intelligenz gemessen wurde. 
Soraya sitzt für das Interview etwas schüchtern auf ihrem Stuhl im Zimmer des Rektors. Ihre Antworten sind leise aber äußerst präzise. Nachfragen muss man bei ihr nicht. Auf die Frage, welche fünf Punkte ihre Schule von gewöhnlichen Gymnasien unterscheidet, antwortet sie: "Die Lehrer haben einen höheren Anspruch, bieten aber auch mehr. Die Schüler sind motiviert, was die Qualität der Schulstunden hebt. Ich kann meine Interessen fördern, etwa durch Debattieren auf Englisch. Das Internat stärkt meine soziale Kompetenz und fördert meine Selbstständigkeit. Und ich erlebe die Lehrer hier ja auch als Privatpersonen im Internat, da hat man eine andere Beziehung zu ihnen." Dass sie mehr lernen muss als an ihrer alten Schule, ist ihr recht. Nach dem Abitur will Soraya Medizin studieren. 
Der Schuldirektor Christoph Sauer, 45, sitzt mit am runden Tisch. Seine Augen strahlen, als Soraya erzählt. Es freut ihn, wenn Schüler gerne bei ihm an der Schule sind. "Weil die Landesverfassung den Bürgern ein Recht auf individuelle Förderung gibt, wurde unsere Schule gegründet, um auch die Hochbegabtenförderung zu ermöglichen", sagt Sauer.
Einer Überlegung wert: 
Wenn ein hochbegabtes Kind, um individuell gefördert werden zu können, eine Sonderschule braucht, wie viel mehr werden benachteiligt darauf angewiesen sein?
 Es gibt Hochbegabte, die ein Segen für die Regelschule sind und die ihre sozialen Fähigkeiten am besten dort entwickeln, und es gibt Benachteiligte, für die Inklusion die beste Förderung bedeutet. Aber es ist nicht sonderlich wahrscheinlich, dass das für alle gilt.
Vor allem dann nicht, wenn die kostengünstigste Regelung einer individuell angepassten vorgezogen wird. 

Montag, 13. Februar 2017

Zitate

Zur Bedrohung der Demokratie (anlässlich der Bundespräsidentenwahl):

"Wir haben vielleicht die Möglichkeit, im Kampf um die Demokratie ein Vorbild zu sein. Demokratie ist eben ein Prozess und eine Utopie.
Die Gründungsväter und -mütter haben nicht gewusst, was aus dieser Republik wird. Aber sie haben gewusst, woher sie kamen. Ihr Auftrag bleibt."

"Im Moment funktioniert die Demokratie so, dass in ihr und mit ihr Diktatoren an die Macht kommen können. Deswegen ist sie natürlich auf dem Prüfstand; und das kann man so nicht stehen lassen. Ich kenne nämlich kein Instrument, das radikale Diversität besser organisieren könnte." (Shermin Langhoff)

Sonntag, 12. Februar 2017

Schnipsel von 2006

Grass' "Kritik an politischen Vorgängen beruhte doch wohl auf Gründen, die es zu würdigen galt und gilt. Nur daraus konnte sie ihre Rechtfertigung beziehen, nicht aufgrund seiner "moralischen Autorität"
Die verhalf ihm nur dazu, dass er gehört wurde, doch wohl nicht dazu, dass man sein eigenes Denken ausschaltete, wenn man ihn hörte. Oder wer nimmt das für sich in Anspruch, dass er das getan hat und will Grass daran die Schuld geben?" (aus einem Blogeintrag von mir)

Die Hervorhebungen stammen von mir. 
Vielleicht wird in einigen Jahren die Rolle von Grass' "moralischer Autorität" nicht mehr so hochgespielt und anerkannt, dass er nicht nur ein Dichter, sondern auch ein sehr engagierter Intellektueller war. 

Aus einer Kanzelrede

Ich spreche aus Sorge. Aus Furcht. Denn ich kann, zumal mit Blick auf die Geschichte, nicht glauben, dass die weithin empfundene Unsicherheit und die verbreitete Fassungslosigkeit angesichts von Vergeudung und unverhältnismäßig wachsenden Einkommensunterschieden auf Dauer von Geduld begleitet oder durch Kontrolle ruhiggestellt werden kann – jedenfalls durch keine Kontrolle, die sich noch mit den Prinzipien des Rechtsstaates vertrüge.
Anders gesagt: ich fürchte mich vor einer Akkumulation von Unzufriedenheit, durchwirkt und verstärkt von Existenzangst; vor dem Überschlag des gegenwärtig deutlich zu vernehmenden Zorns in besinnungslose Wut. Gegen wen die sich richten würde, ist geschichtlich bis in unsere Zeit hinein hinreichend belegt: gegen alle. Niemand hat je für irgendwen Sicherheit garantieren können, wenn erst Zerstörung als gerecht, Gewalt als hilfreich galten. [...]
Sind wir als zivilisierte Wesen nicht mehr gefordert, garantiere keiner für sich! In jedem, sieht er sich in die Enge getrieben, lauert ein Barbar.

Die Anfänge sind nicht spektakulär. Eine Emulsion aus Enttäuschung, Verbitterung und Resigniertheit gießt sich über das Land aus. Zurückgehende Wahlbeteiligung, Ansehensverlust der Demokratie und ihrer Institutionen, fehlende Vorbildlichkeit nicht nur in der Politik, gesellschaftliche Abstinenz der jungen Generationen, Ellenbogenmentalität und Verachtung von Solidarität, propagierter Egoismus, wachsende Korruption und Schlamperei, stetige Verschlechterung öffentlicher Dienstleistungen bei steigenden Gebühren – und nicht zuletzt die Marginalisierung der Bildung. 


Gert Heidenreich: Kanzelrede (Fassung von 2005)

Wahl des Bundespräsidenten

Wahl
Lammerts Rede (in Kurzausschnitten)

Samstag, 11. Februar 2017

Hans-Jürgen Jakobs: Wem gehört die Welt?

Hans-Jürgen Jakobs: Wem gehört die Welt? Handelsblatt 17.11.2016

Interview mit Jakobs kressnews 17.11.16
"Allein die Vermögensverwaltungsfirmen verfügen über 80 Billionen Dollar - das ist mehr als alle Güterproduzenten und Dienstleister der gesamten Welt erwirtschaften. Das zeigt, wo die wahre Macht liegt. Selbst als US-Präsident haben Sie keine Chance, hier in kürzerer Zeit eine Veränderung zu bewirken. [...] Ein solcher Kampf ist ziemlich aussichtslos. Schließlich braucht der Staat ja auch die Finanzmärkte, um die Pensionen der eigenen Mitarbeiter zu bezahlen. Änderungen können nur in internationalen Vereinbarungen erzielt werden." (Hervorhebungen von Fontanefan)

"Wer über seine Beteiligungen so viel Einfluss hat, kann sich bei Entscheidungen viel besser einbringen. Da geht es um steuerrechtliche Aspekte und auch um Fragen der Klima- und Energiepolitik - für ein ölproduzierendes Land wie Katar ist das enorm wichtig. [...] Sie sitzen nicht in Aufsichtsräten. Aber in den Investorengesprächen üben sie erheblichen Einfluss aus. Die wahre Macht liegt nicht bei den Gremien, sondern den großen Geldgebern."

"Nachdem sie mit ihrem Einfluss die Steuerlast gedrückt haben, haben die Superreichen nun ein neues Hobby entdeckt: Im Alter entfalten sie - wie auch Bill Gates - Philanthropie. Sie üben Macht über Spenden aus, wollen damit in ihrem Sinne Gutes tun und so die Welt verändern."


Millioneneinkommen durch Videos auf YouTube

"Net earnings: top YouTubers' income rises 23% in past year"  (The Guardian 6.12.2016)

The Highest-Paid YouTube Stars 2016: PewDiePie Remains No. 1 With $15 Million

(Forbes 5.12.2016)

Mittwoch, 8. Februar 2017

Bilderbücher für den Englischunterricht in der Primarschule

Das interessiert Sie nicht?
Dafür habe ich volles Verständnis.

Aber dass auf die Anfrage einer Bloggerin (für eine andere Kollegin) innerhalb einer Stunde von 10 Kolleginnen etwa 20 Bücher genannt wurden, das interessiert mich.

Neuer Hilferuf mit Antworten

Dienstag, 7. Februar 2017

Freiheit und Sicherheit

Auch wenn man es von den Institutionen, die für Sicherheit zuständig sind, ungern hört, wenn wieder einmal etwas schief gelaufen ist: Es gibt für Menschen keine hundertprozentige Sicherheit.

Deshalb ist der Versuch, völlige Sicherheit herzustellen, ein ganz gefährlicher Angstmacher, für Individuen gewiss.
In der Gesellschaft wird mit diesem Versuch immer wieder autoritäre Herrschaft gerechtfertigt. Sprichwörtlich wird dazu "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf" herangezogen. Und Thomas Hobbes hat in seiner Lehre vom Staatsvertrag ähnlich argumentiert.
Insofern stehen Freiheit und Sicherheit in einem komplizierten Spannungsverhältnis.
Wer aber behauptet "Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit" - wie es heute häufig geschieht -, will offenbar das Beschneiden von Freiheit rechtfertigen.

Selbstverständlich ist ein Mensch in ständiger Angst, gefoltert oder getötet zu werden, nicht frei.
Aber ein Mensch, der sich stets nur für die größere Sicherheit entscheidet, kann es auch nicht sein.

Trojanow und Zeh formulieren es so:
"Terroristen besitzen nicht die Macht, unseren Rechtsstaat zu zerschlagen [...] Sie können uns nur provozieren, es selbst zu tun. Sie benötigen unsere Mitwirkung. Sie bedrohen uns mit Folgen, die wir nur selbst herbeiführen können." (Trojanow/Zeh: "Angriff auf die Freiheit" München 4. Aufl., S.37 - zitiert nach Katharina Klöcker: Freiheit im Fadenkreuz, S.48/49)

Der Satz "Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit" ist also geeignet, Aufklärung und Freiheit zu bekämpfen. Früher hätte ich von Volksverdummung gesprochen. Es ist aber nur der Versuch.


dazu: Funkkolleg Sicherheit: Bedrohte Demokratie – bedeutet mehr Sicherheit weniger Freiheit?
Zusatzmaterialien

Horst Dieter Schlosser: Die Macht der Worte. Ideologien und Sprache im 19. Jahrhundert. (Rezension)

"Die politischen und sozialen Ideen des 19. Jahrhunderts sind zunächst nur als sprachliche Symbole, Schlagwörter, präsent, die erst nach und nach prägend wurden und sich dann zu solchen Schlüsselwörtern entwickelten, welche die politische Geschichte beeinflussten. Dabei macht er die Begriffe "Freiheit" und "Einheit" als "Urleitbilder" des Jahrhunderts aus, die anfänglich gemeinsam angestrebt wurden, allerdings im Laufe der Zeit eine unterschiedliche Gewichtung erhielten. Im Hinblick auf "Freiheit" macht Schlosser deutlich, dass dieser Begriff bereits in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung aufkam und damit mehr als ein Jahrzehnt vor der französischen Revolution, in der "Freiheit" zu einem politischen "Fahnenwort" wurde. Schlosser unterstreicht, wie abstrakt und unscharf der Begriff in politischer Hinsicht lange Zeit war und wie sich eine Bedeutungsveränderung ergeben hat." [Hervorhebung: Fontanefan]

Freiheit und Verantwortung Julian Nida-Rümelin
"Nida-Rümelin sieht Freiheit als etwas an, das durch Selbstwirksamkeit erzeugt wird. Auch wenn es aus der Perspektive eines Dritten so scheinen könne, als wären wir nicht frei, fühlten wir uns aus Sicht der ersten Person frei und ließen uns von Gründen leiten. Die Gründe seien nicht ohne weiteres auf naturwissenschaftliche Phänomene reduzierbar.
Abschließend wurden die Überlegungen auf einen praktischen Anwendungsfall bezogen, konkret auf Verantwortungsfragen in der deutschen Flüchtlingspolitik. Nida-Rümelin sieht Grenzen als notwendig an, um die politische Handlungsfreiheit zu erhalten. Dabei dürfen die europäischen Grenzen in der momentanen Lage aber weder völlig dicht gemacht noch komplett geöffnet werden. Abschließend betonte Nida Rümelin, wie eng Freiheit und Verantwortung, aber auch Rationalität zusammenstehen."

Freiheit und Sicherheit Axel Honneth
"Honneth betonte, dass es Aufgabe des Staates sei, durch demokratische Willensbildung im Sinne einer „volonté générale“ individuelle Freiheitsrechte zu koordinieren und hierdurch dem Einzelnen (Rechts-)Sicherheit zu gewähren und das Gemeinwesen zu schützen. Der individuellen Freiheit stellte er die soziale Freiheit gegenüber, die ein geteiltes „Wir“ voraussetze. Dabei bilde sich für das Kollektiv ein gemeinsames Ziel heraus, welches mit Mitteln der Demokratie gesichert werden soll.
Anschließend wurde die Theorie der sozialen Freiheit an liberalen Konzepten gemessen und überprüft. Honneth kritisiert den modernen Liberalismus, da er seiner Auffassung nach das gesellschaftliche „Wir“ zu stark außer Acht lasse und dazu neige, Demokratie nur auf den Wahlakt zu reduzieren. Im Hinblick auf das staatliche Gewaltmonopol plädiert Honneth für möglichst wenig Beeinträchtigungen und eine starke Kontrolle durch den demokratischen Willen, dafür seien eine öffentliche Diskussion über staatliche Maßnahmen, ein strenges Erforderlichkeitskriterium und ein eindeutiger rechtlicher Rahmen unerlässlich."

Das Recht der Freiheit  Axel Honneth

"Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit.
Denn Friede muss gewagt werden, ist das eine große Wagnis und lässt sich nie und nimmer sichern."
(D. Bonhoeffer)

Dasselbe ließe sich über Freiheit sagen. 

"Obama mag mich" (Trumpiana 2)

Der neue US-Präsident glaubt nicht, dass sein Vorgänger schlecht über ihn denke. Auch seine Antrittsrede sei ein voller Erfolg gewesen, sagte Donald Trump im zweiten Teil eines "Fox"-Interviews.
Trump will nicht ernst genommen werden, damit er mit seinen Plänen Ernst machen kann.

Hitler wollte, dass man seine Lügen glaubte, Trump will, dass seine Gegner ihm nichts glauben und dass seinen Anhängern egal ist, ob er lügt oder nicht.

Steht das Schwein auf einem Bein ...

Neue Bauernregeln vom Bundesumweltministerium

Was für das Schwein der Horror wäre, ist für die Ministerin ein Wunschtraum:
Endlich in der Regierung ein Bein auf den Boden bekommen, damit mit den internationalen Versprechungen der Kanzlerin ernst gemacht wird.
Vermutlich seht auch sie einen Kanzler Martin Schulz herbei.

Montag, 6. Februar 2017

Umfragehoch für die SPD

"In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der "Bild"-Zeitung klettern die Sozialdemokraten auf 31 Prozent - und liegen damit sogar vor der Union.
Der Erhebung zufolge konnte die SPD im Vergleich zur Vorwoche vier Punkte zulegen, während CDU und CSU nun bei 30 Prozent (-1) liegen. "Die Entscheidung für Martin Schulz hat die Stimmung zugunsten der SPD gedreht", zitierte die "Bild"-Zeitung Insa-Chef Hermann Binkert. " (Spiegel online 6.2.17)

Gut gemeint ist noch nicht gekonnt

In ZEIT online heißt es:
"Laut einer Umfrage haben die Deutschen keine Angst, wenn sie auf Plätzen und Straßen, in Bus und Bahn unterwegs sind. Jede dritte Frau indes fühlt sich zusehends bedroht."

Im Text heißt es dann "die große Mehrheit" und "zunehmend". 

Es geht um Sicherheit. Dazu die polizeiliche Kriminalstatistik 2014.

Sonntag, 5. Februar 2017

Fake News und Filterblasen

Ein Beitrag zur Blogparade Förderung von Demokratiefähigkeit

Twitter liefert unter dem Hashtag #Trump Berichte über Ehrenmorde und Vergewaltigungen mit den Bildern der betroffenen Frauen.
Das Schlimme ist nicht nur, dass unterstellt wird, es wäre alles in Ordnung, wenn solche Taten nur anderswo passieren, Hauptsache nicht in den USA. Und dass deshalb Trumps Einreisestopp richtig wäre. 
In diese Richtung gehen die Tweets von Trumps Twitteraccount, z.B.:
"The judge opens up our country to potential terrorists and others that do not have our best interests at heart. Bad people are very happy!"


Dass Trump Ehrenmorde und Vergewaltigungen nicht abschaffen kann, geschweige denn wird, macht sich zwar nicht jeder klar, aber im Grunde sagt es doch die allgemeine Lebenserfahrung. 
Aber wenn man die Bilder sieht, entsteht die Emotion "Das darf nicht sein" und wenn durch die eigene Filterblase nur solche Emotionen geweckt bekommt, wird's bös.

Und jetzt zu unseren Filterblasen:
Wie gut wissen wir Bescheid über das rasante Tempo der Sozialgesetzgebung der nationalistischen Regierung in Polen?

Recherchieren wir ausführlich nach, wenn wir hören, dass in den USA in den letzten Jahren mehr Menschen minderjährigen Feuerwaffenbesitzern zum Opfer gefallen sind als US-Tote auf das Konto von Terroristen kommen?
Tun wir es, wenn an die Stelle von "minderjährigen Feuerwaffenbesitzern" Kinder eingefügt wird?
Worauf verlassen wir uns?

Wahrheit ist ein komplexes philosophisches Problem. Aber wer hilft uns, wahrzunehmen, was für "Wahrheiten" in anderen Filterblasen entstehen und wie?
Wir brauchen einen umfassenden Diskurs mit Vertretern unterschiedlicher Interessen. Und weil wir den nicht alle leisten können, brauchen wir eine Grunderfahrung, dass fremde "Wahrheiten" für andere genauso gültig sind wie unsere "Wahrheit" für uns.

Zu Recht sagt Daniel Bernsen, dass deshalb allzu homogene Schulklassen wichtige Voraussetzungen für Demokratiefähigkeit nicht liefern. (Ausführlicher und differenzierter in seinem Blogbeitrag)

Nebenbei gesagt: Es bedarf keiner Nachrichtenfälschung, um verhängnisvolle Emotionen auszulösen, sondern vor allem den passenden Kontext von Nachrichten.
Nicht nur, aber auch wegen der Emotionen, die Bilder auslösen, finde ich es fatal, dass Twitter jetzt Bilder (also statt 140 Zeichen "mehr als 1000 Worte") zulässt.

In ähnlicher Richtung wie Bernsen argumentiert Thomas Krüger: „Wir müssen politische Vielfalt als Demokratiegewinn sehen“  Westfälische Rundschau 6.2.17
Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung über Filterblasen und andere Herausforderungen.
"Ich glaube, dass durch die digitalen Filterblasen eine neue Grammatik für Lügen und ihre Aufwertung entstanden ist. Das heißt, ich kann in den Echoräumen des Netzes, insbesondere der Sozialen Medien, dafür sorgen, dass meine Lügen wie Wahrheiten aussehen. Und dass sie von meiner Klientel geglaubt und weiterverteilt werden. [...]
Wir müssen alles dafür tun, dass Kontroversität und Pluralität einer breiten Öffentlichkeit erhalten bleiben. Alle, die eine bestimmte Sicht auf die gesellschaftlichen Herausforderungen haben, sollten immer die anderen Perspektiven mitdenken und es nicht als eine Gefahr betrachten, eine Gegenstimme zu hören. [...]
Tatsächlich belegen etwa die Shell-Jugendstudien, dass die Demokratieakzeptanz, also die Zustimmung zur Demokratie als Staatsform, unter jungen Erwachsenen noch nie so hoch war wie heute. Sie wächst Jahr für Jahr. Und bei den Befragungen zum jüngst vorgelegten Kinderreport 2017 wünschen sich fast alle noch mehr Mitbestimmung in der Familie – und in der Schule. Die Demokratieakzeptanz bei jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund ist übrigens noch höher. [...]
Wenn die Gesellschaft nicht maßgebliche Akteure hat, die für eine Verteidigung demokratischer Grundwerte einstehen, dann kann das böse enden, dann kann die Demokratie scheitern. Aber trotz mancher berechtigten Ängste: Es steht viel mehr auf der Habenseite."

Zusatz:
Statt nur Halbwahrheiten geschickt zu platzieren, kann man freilich auch gezielt Hasspropaganda verbreiten und damit gutes Geld verdienen. Darauf hat der Hashtag  #KeinGeldFürRechts aufmerksam gemacht, der mit einem Shitstorm bekämpft wurde.
Deswegen wurde jetzt Fearless Democracy gegründet. Das Nähere ist dort nachzulesen. 


Samstag, 4. Februar 2017

Trump und US-Atombomben in Deutschland

ARD 2.2.2017

Unternehmerclique kapert Staat

Trumps Unternehmung ist weder eine Revolution noch ein Putsch.
Hier hat ein Unternehmer zusammen mit seinen Kumpels den mächtigsten Militärstaat der Welt gekapert, weil die demokratische Abwehr nicht funktionierte.
Wenn man die Schuldigen herausfinden will, wird man bei den Republikanern und Demokraten suchen müssen. Freilich nicht nur bei denen der letzten zwei Jahre.
Die Blockade von Reformen und die Übergabe von politischer Macht an die Superreichen hat schon vorher stattgefunden.
Wann es begann, darüber kann man streiten. M.E. ist Reagans Amtszeit kein schlechter Tipp; aber darüber mögen sich andere streiten, die von US-Innen- und Wirtschaftspolitik mehr verstehen als ich.

Tipps zum Erkennen von Meinungsrobotern

http://www.spiegel.de/netzwelt/web/social-bots-entlarven-so-erkennen-sie-meinungsroboter-a-1129539.html

Freitag, 3. Februar 2017

Arnold Gehlen

Was kann Schule zur Unterstützung von Demokratiefähigkeit leisten? (Blogparade)

"Es scheint mir eine Überlegung wert, die langfristig verwendeten, immer wiederkehrenden politisch instrumentalisierten Geschichtstopoi zu identifizieren und bei der Erstellung der Inhalte von Lehr- und Rahmenplänen für den Geschichts-, Politik- und Gesellschaftslehreunterricht besonders zu berücksichtigen."
Diesen Gedanken von Daniel Bernsen möchte ich unterstützen. Deshalb greife ich ihn hier gleich  auf, ohne ihn schon vertiefen zu können.

Bernsen kommt auf diesen Gedanken, weil er bei seiner Behandlung geschichtsverfälschender Mythen (vgl. die korrigierenden Darstellungen bei Geschichtscheck) festgestellt hat:
"Es sind also insbesondere die Leerräume der öffentlichen, staatlichen Geschichtsdarstellung, die mit Fehlinterpretationen und bewussten Lügen gefüllt und politisch instrumentalisiert werden." 
Aufgefallen ist ihm das bei der Behandlung politischer Hassreden, wie sie insbesondere gegen Flüchtlinge vorgebracht werden, aber auch sonst zur Stützung nationalistischer Ideologien verwendet werden. Dazu schreibt er, es handle sich "bei vielen Themen, um historische Ereignisse, Entwicklungen und Strukturen, die nicht in den Geschichtslehrplänen aufgegriffen werden, wie z.B. der gesellschaftliche Umgang mit Homosexualität oder die Situation der deutschen Kriegsgefangenen am Ende des 2. Weltkriegs („Rheinwiesenlager„), oder die in den letzten Jahren aus den Lehrplänen gestrichen wurden, wie z.B. die „Völkerwanderung“."

Dieser Beitrag von Bernsen lässt sich gut dem Themenfeld der Blogparade Förderung von Demokratiefähigkeit zuordnen, zu der Walter Böhme im ZUM-Blog aufgerufen hat.

Auch der Kinderreport des Kinderhilfswerks bezieht sich auf das Thema Förderung von Demokratiefähigkeit:
"Gleichzeitig bietet der Kinderreport 2017 aber auch Hinweise auf Strategien zur Stärkung unserer Demokratie durch eine Förderung demokratischer Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen. Wenn diese Förderung von nachhaltiger Wirkung sein soll, muss sie frühzeitig ansetzen und vor allem milieuübergreifend erfolgen“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Demokratie normiert unser Zusammenleben und gibt den geregelten Rahmen für politische Entscheidungsund Gestaltungsprozesse vor. Sie ist aber nur dann verwirklicht, wenn jeder einzelne sie unabhängig vom Alter als Möglichkeit zur Selbstentfaltung begreift und gleichzeitig die vielfältigen Meinungen und Bedürfnisse anderer nicht aus dem Blick verliert. Wir müssen unsere Demokratie mit Leben füllen, ihre Voraussetzungen bewahren und sie offensiv gegen Bedrohungen verteidigen – und zwar jeden Tag aufs Neue“, so Krüger weiter." (Pressemitteilung des Kinderhilfswerks vom 2.2.17)