Donnerstag, 26. Juli 2012

Angeblich machen Beförderungen nicht glücklicher, sondern kränker

So berichtet es der Karrierespiegel.

Ich kenne die Studie nicht genau. Ich zweifle auch nicht an der Korrektheit der berichteten Beobachtungen.
Dennoch glaube ich, dass  sie falsch interpretiert worden sind. Denn:

1. Die Studie betrachtet offenbar nur die Beförderten, nicht die, die immer und immer wieder nicht befördert werden, und die Auswirkungen dieser Erfahrung.

2. Vielleicht ärgern sich die Beförderten aber auch nur, dass sie noch nicht weiter befördert worden sind.

3. Mit dem Alter nimmt die Energie und damit die Lebensfreude ganz allgemein ab.

4. Man betrachte Genies, denen am Ende ihres Lebens allgemeine Anerkennung zuteil wurde. Immer wieder wird man feststellen, dass der Ärger, dass die Anerkennung so spät kommt, die Freude, dass sie überhaupt kommt, überwiegt. -  Freilich gibt es Ausnahmen.

Schließlich und endlich: Jeder, der - nach dem Peter-Prinzip - bis zur Stufe seiner Unfähigkeit befördert worden ist, ist nahe liegender Weise unglücklich, wenn er das merkt.

Vermutlich muss man alle fünf Gesichtspunkte zusammen berücksichtigen.
 Punkt 3 aber scheint mir der allgemeingültigste.
Wer vermag sich heute noch so über das Weihnachtsfest zu freuen wie in seiner Kindheit?
Glücklich der, der Kindern bei ihrer Freude zusehen kann. Für manche ist das dann freilich die reinste Freude.

Der Meldung des Karrierespiegels widerspricht eine Langzeitstudie, die in der Frankfurter Rundschau vorgestellt wird. Danach fördert Karriere die Gesundheit. Auch diese Studie enthält sicher richtige Beobachtungen. Hier ist freilich die Interpretation der Daten noch fragwürdiger.

Was ist beobachtet worden?

1. Leute, die eine steile Karriere gemacht haben, leben am längsten.

2. Alte Leute, die beschaulich leben, leben weniger lange als Alte, die eifrig arbeiten.

Das scheint die Interpretation zu stützen, aber:

zu 1: Länger leben vor allem die, die ihre Arbeit selbstbestimmt tun können: z.B. Dirigenten und Firmenchefs.

Denn das größte Gesundheitsrisiko ist Beziehungsstress, und den haben karrierebewusste Manager, die sich an fremdbestimmten Zielen ausrichten müssen und sich mit der Konkurrenz von genauso Karrierebewussten auseinandersetzen müssen, natürlich am meisten.

zu 2: Wer besonders diszipliniert lebt, bleibt länger gesund und arbeitsfähig und kann deshalb auch im Alter noch arbeiten. Kein Wunder, dass der Gesündere länger lebt. Vor allem, wenn er diszipliniert ist und so die erhöhten Anforderungen an gesundheitsbewusstes Leben im Alter erfüllen kann.

Beide Studien laufen also auf dasselbe hinaus:
Berufserfolg erhöht Glück und Gesundheit nur dann, wenn er nur mit positivem Stress verbunden ist, denn dann spornt er an. Sobald er zu erhöhten Frustrationen führt, ist er schädlich.

Nun ist dieser Post kein Schnipsel mehr. Vermutlich wird er demnächst in einen anderen Blog wandern.

Mittwoch, 25. Juli 2012

Lenau: Albigenser

Auch wenn wir Lenau nicht kennen, kennen wir "Drei Zigeuner fand ich einmal..." *

Auch wenn wir Lenau kennen, kennen wir die Albigenser meist nur mit Namen. Daher hier zur Anregung der Beschäftigung mit dieser Dichtung ein kurzes Zitat:
»Jüngst hielt der Böse Rath mit seinen Söhnen
Und also ließ er seine Stimme tönen:
Der Teufel mag sich immer mühn und plagen;
Wenn seine Saaten schon zur Ernte reifen,
Und drüber lustig seine Lerchen pfeifen,
Wird ihm die Sense aus der Hand geschlagen;
Die Garbe fällt in frommer Schnitter Hände,**
Des Teufels Thun wird Gottesdienst am Ende. [...]
Aus dem Abschnitt "Das Vorgemach", S.821 (vor dem Audienzzimmer des Papstes)
[zum historischen Kontext]

* (Melodie + Text) (Text im Volksliederarchiv!) (Kunstloser Gesang - Die Gelegenheit, bei denen die Sängerin das Lied nach ihren Angaben gesungen hat, sind typisch für das Singen von Volksliedern.) (Im Gegensatz: Alexandra: Zigeunerjunge, anspruchsloser Text gekonnt gesungen und mit einer charakteristischen Stimme - ansprechend, aber gewiss keine Kunst, die Jahrhunderte überdauern wird.)

** "Der päpstliche Gesandte Abt Arnaud-Amaury soll den Kreuzfahrern auf die Frage, wie sie denn die Ketzer von den normalen Bewohnern unterscheiden sollten, geantwortet haben: Tötet sie alle! Gott kennt die Seinen schon" (Albigenserkreuzzug)

Im Abschnitt "Das Vogelnest" geht es zunächst nur um Kunst; doch dann wird auch hier ein Bezug auf die Grauen des Kreuzzuges gefunden (S.836-839):


An spitzgebognen Fenstern ist zu schauen
Laubwerk und manche Blum in Stein gehauen;
Vor allen Bildern zierlich, wahr und lebend
Ein steinern Vogelnest am Aste schwebend.
Der Jungen Schnäblein heischend aufgerissen,
Die Mutter sie zu atzen hold beflissen,
Sie wärmend mit den aufgespreizten Schwingen;
Die Kleinen werden fliegen bald und singen.

Ich stand gefesselt von des Meisters Macht
Und sann gerührt, was er sich wohl gedacht.
Hat er im Bild die Kirche still verehrt.
Wie sie getreu die Kinder schützt und nährt?
Wollt er vielleicht die Mönche traulich necken
Mit einem Bild der Liebe, Sehnsucht wecken? –
Da kam ein Hauch vom Bildner mir gesendet:
Sein klagendes Gewissen hats vollendet.

Es hat ein Mönch gelebt in jenen Tagen,
Wo glauben hieß, den Zweifelnden erschlagen;
Er aber war noch einer von den alten,
Von jenen frommen, rührenden Gestalten.
[...]

In Schreck und Mitleid zitterte sein Herz,
Frohlockten die Kreuzpilger mit der Kunde,
Wie überall die Ketzer gehn zu Grunde,
Wie jetzt die Welt so voll von Haß und Schmerz.
[...]

Die Kreuzgeschmückten brachen und zerstörten
So manche Burg; der Freiheit kühne Fechter
Zu Tausenden verbrannten, und sie hörten
Im Tode noch der Feinde Lustgelächter.
Den Mönch erfaßt ein schauderndes Erstaunen
Bei solchen Taten, mörderischen Launen.
Ein banges Grübeln quält ihn zu ergründen:
›Ist, was ich seh, des Frevels ganze Völle?
O Mensch, wo steht die Grenze deiner Sünden?
Kommt, wer sie sucht, bis in das Herz der Hölle?‹

Die Sünde tobt in jauchzenden Gewittern,
Und vor sich selbst muß dieser Fromme zittern;
Der Name Mensch, aus welchem kein Erlösen,
Scheint ihm ein tiefer Abgrund alles Bösen,
Er lauscht in seine Brust, ob nicht verstohlen
Hier gleiche Ungeheuer Atem holen?

Mit alten Tagen geht er zu Gerichte,
Und vorwurfsvoll erschreckt ihn die Geschichte,
Wie er ein Knabe einst den Wald durchzogen
Und sah ein Vöglein heim ins Nest geflogen.

An hohen Zweigen hing die Frühlingsbrut,
Das grüne Laub hielt sie in dunkler Hut;
Doch strich der Wind, den grünen Schleier hebend,
Der Knabe sah das Nest am Wipfel schwebend.

Da hob er einen Stein und warf empor,
Zerstört hinfiel die Brut, und ihn ergriff,
Daß er es heut noch hört, der Klagepfiff,
Womit im Wald die Mutter sich verlor.

Wars nicht derselbe Drang, nur noch im kleinen,
Der dort ein Nest, hier Burgen wirft mit Steinen?
Der düstre Groll, der gern den Bau vernichtet,
Wo sich ein Glück auf Erden eingerichtet?
So klagt der Mönch und kann sichs nicht vergeben,
Daß er den Vöglein brach ihr junges Leben.
Und das Zerstörte wieder aufzubauen,
Hat er das Nest im Felsen ausgehauen.
Oft sah man ihn zu seinem Bilde kehren,
Um seine stille Wehmut dran zu nähren.

Den Anstoß zu Lenaus Gedicht gab das steinerne Vogelnest in Bad Wimpfen, über das Carl Gibson hier schreibt. Ein Bild dieser Plastik habe ich nicht gefunden, so kann ich nur auf die zwei steinernen Vogelnester in der Dankeskirche in Bad Nauheim hinweisen.

Montag, 23. Juli 2012

22jähriger als Reformqualitätstester

Francisco Cluny hat sich mit anderen Studenten zusammengeschlossen und will die Qualität der portugiesischen Wirtschaftsreformen testen. (Spiegel online)
Er hat erkannt, dass die Reformen Verlierer produzieren werden. Dass es wichtig sein könnte, wer zum Verlierer wird, scheint für ihn keine große Rolle zu spielen.

Montag, 16. Juli 2012

Weshalb etwas nicht passiert ...

"Manche Ideen sind so vernünftig, da weiß man gleich: Das wird nicht umgesetzt." (Jakob Augstein)
In Spiegel online führt er das aus.
Das liefert mir endlich eine überzeugende Begründung, weshalb die EU-Finanztransaktionssteuer, zwar seit vielen Monaten von vielen prominenten Politikern als wünschenswert bezeichnet wird, weshalb sie aber immer noch nicht umgesetzt wird. Zu vernünftig.
Danke, Herr Augstein.
Hätt ich eigentlich auch selber drauf kommen können.

Freitag, 13. Juli 2012

36 Millionen verhungerten in einem Land von 1958 bis 1962

Natürlich geschah es in China während des Großen Sprungs nach vorn, der gewaltsamen Industrialisierung unter Mao. Yang Jishengs gut dokumentierte Darstellung "Grabstein" ist jetzt auch auf deutsch herausgekommen.

Mittwoch, 11. Juli 2012

Noch bin ich nicht mundtot ...

Maria Langstroffs Besuch an ihrer Uni Marburg, bei dem sie aus ihrem Buch Mundtot!? liest.

Zum Download eines Interviews mit Maria Langstroff in hr-info.

Geprüft wird nicht, was man kann

Kein Deutschlehrer würde sich erdreisten, die Leistungsfähigkeit eines FAZ-Journalisten in einer Note zusammenzufassen, es sei denn im Zustand äußerster ideologischer Differenz.

 Etwas anderes ist es, wenn einem Prüfling eine bestimmte Aufgabe gestellt wird, zu der ein Erwartungshorizont vorliegt. Hans Magnus Enzensberger hat schon vor Jahrzehnten geahnt, dass er mit seinem Verständnis der Interpretionsvielfalt seiner Gedichte da schlecht abschneiden würde, und Heinrich Düntzer hat schon weit früher gewusst, dass Goethe nicht wusste, wen er liebte, sondern dass er (Düntzer) das weit besser wusste. ("Hier irrt Goethe")
Die im Titel angesprochene Erfahrung hat auch ein FAZ-Journalist gemacht, als er noch einmal im Abitur mitgeschrieben hat. Und er wusste es recht unterhaltsam darzustellen.

Dienstag, 10. Juli 2012

Arbeitslose zu Erziehern machen

will die Bundesanstalt für Arbeit. Ein Gedanke, der fast so fragwürdig ist wie manche der Kommentare, die dazu abgegeben werden.

Samstag, 7. Juli 2012

"Sind Sie nicht die Frau ...?"

"Sind Sie nicht die Frau von der Kirche?" "Der Mann hat Recht! Die Kirche - das ist der richtige Ort für dich." Das sagt Marot Käßmann über sich.