Die Konferenz der G20 in Hamburg hat gezeigt, dass die G20 gegenwärtig nicht in der Lage sind, eine Politik der Reformen voranzutreiben. (
dazu u.a.)
Die Kritiker der G20 sind aber ebenfalls gescheitert: Nicht ihre Argumente wurden diskutiert, sondern nur, was man gegen die Randalierer tun könne.
Dies doppelte Scheitern hat mit dem doppelten Dilemma zu tun, vor dem einerseits die Politiker und andererseits ihre Kritiker stehen. Die Kritiker haben den einen Vorteil: Dass die etablierte Politik in einer Sackgasse steckt, ist offenkundig:
A: Der Kampf gegen den menschenverursachten weltweiten Temperaturanstieg über zwei Grad Celsius ist gescheitert. Dass die Kosten der bevorstehenden Wetterkatastrophen viele Billionen kosten werden, ist unvermeidlich. Nur darf niemand, der eine noch größere weltweite Katastrophe vermeiden will, offen darüber reden, weil sonst der Wille, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern, noch mehr geschwächt würde.
B: Der Kampf für einen menschenwürdigen Umgang mit den Armen der Welt scheitert immer wieder:
1. weil das ökonomische Interesse der wirtschaftlich Starken sie dazu drängt, ihre wirtschaftliche, politische und militärische Überlegenheit gegenüber den Schwächeren auszuspielen,
2. weil in den wirtschaftlich (und auch sonst) schwachen Staaten die Oberschicht ihren Lebensstandard auf Kosten der Unterschicht ausbaut und dabei die inneren Konflikte verschärft,
3. weil diese inneren Konflikte zu Bürgerkriegen und Terrorismus führen, die die Wirtschaftskraft dieser Staaten weiter schwächen und einen Großteil der gut Ausgebildeten und der potentiell Leistungsfähigen außer Landes treiben,
4. weil eine Aufnahme aller Fluchtwilligen der von Bürgerkriegen und Hungerkatastrophen geschüttelten Staaten die gegenwärtig vorhandene Logistik und auch die mittelfristige Aufnahmebereitschaft in den Fluchtzielstaaten überfordern würde,
5. weil Entwicklungshilfe viel zu selten und viel zu langsam zu Erfolgen führt, um den Flüchtlingsdruck zureichend zu vermindern (selbstverständlich müssen die Fluchtursachen und nicht die Flüchtlinge bekämpft werden; aber diese Bekämpfung der Ursachen geht nicht voran) und
6. weil das unter 1. genannte Interesse an der Ausnutzung der Überlegenheit sich erfahrungsgemäß immer wieder als stärker erweist als das Interesse an der Problembeseitigung.
C: Der Versuch, das weltweite Finanzsystem zu reformieren, bleibt in Ansätzen stecken. Nur
ein Beispiel dafür ist die Finanztranskationssteuer, die inzwischen sogar von den etablierten Politikern gefordert, aber nie ernsthaft in Angriff genommen wird. (Hier müsste noch viel ergänzt werden, aber für einen Schnipsel ist der Beitrag schon jetzt zu lang.)
Der geschilderte "Vorteil" nutzt den Kritikern aber nichts; denn eine Politik der Vernunft ist gegen die wirtschaftlichen Interessen der Starken nicht durchzusetzen. Eine radikale Veränderung wäre nur durch eine Revolution durchsetzbar. (Beispiel: Macron mit seiner "Revolution") Die aber würde - wenn sie überhaupt erfolgreich sein sollte - so viel zerschlagen, dass für die notwendigen Veränderungen nicht mehr genügend Kapazität vorhanden wäre. Es bleibt also nur der Weg der Vernunft. Der wird durch Randalierer und Gewalttäter diskreditiert. Aber wenn die nicht aufgetreten wären, hätten viele überhaupt nicht mitbekommen, dass es Grundsatzkritik an der G20-Strategie gibt. Das Dilemma ist also: Die Globalisierungskritik wird nicht beachtet. Die Randalierer sorgen zwar dafür, dass für Aufmerksamkeit; aber sie erschweren jeden Argumentationsversuch.
Das Dilemma der etablierten Politik ist jetzt einfach zu beschreiben: Den Weg der Vernunft kann sie nicht beschreiten, weil zum einen die Weltwirtschaft nach dem Konkurrenzprinzip organisiert ist und somit keiner einheitlichen Strategie (z.B.
Milleniumsziele) folgen kann und zum anderen sowohl die weltpolitischen Spannungen als auch innenpolitischen Gegensätze so groß sind, dass die notwendigen Kompromisse an der größeren Attraktivität so genannter einfacher Lösungen scheitern (Trump, Erdogan, Assad sind nur einige der prominenten Beispiele. Innerhalb Deutschlands könnte man die AfD, innerhalb der AfD könnte man Höcke anführen.)
Trump, AfD und Gewalttäter sind nur Symptome des Scheiterns der etablierten Politik und ihrer Kritiker.
Dazu haben unsere Qualitätsmedien genug gesagt. Zu den
Gründen des Scheiterns hört man weniger. Denn wenn man die ganz ernsthaft in den Blick nimmt, fällt es
sehr schwer, der etablierten Politik und den Globalisierungskritikern ihr Scheitern vorzuwerfen. -
Selbstverständlich muss trotzdem weiter nach Lösungen gesucht werden...
Schon dieser Text ist für einen Schnipsel oder einen Bierdeckel zu lang, dabei ist er völlig verkürzt, weil ich für diesen Entwurf die "einfache Lösung" einer ausführlicheren und differenzierteren Argumentation vorgezogen habe.
Hier nur ein paar Namen von Personen, die ausführlicher argumentiert haben:
Piketty,
Naomi Klein,
Jorgen Randers ... (Links und weitere Namen sollen noch folgen.)