Freitag, 12. Mai 2017

Alfred Grosser: Le Mensch. Die Ethik der Identitäten

"Jeder von uns habe viele Identitäten, und sei es nur, weil er mehrere gesellschaftliche Zugehörigkeiten besitze, schreibt der 92jährige Alfred Grosser in "Le Mensch". Und er zitiert in seinem Spätwerk immer wieder Begegnungen und Erfahrungen aus seinem eigenen Leben, um seine Erkenntnisse zu belegen. Er sei Franzose durch und durch, schreibt Grosser, so wie andere Migranten, die in Frankreich zu Franzosen wurden und niemand würde da von einem Migrationshintergrund sprechen.
Was macht Identität aus? 'Als Radfahrer fürchte ich mich vor Autos. Als Autofahrer fürchte ich die Radfahrer: Ein gutes Beispiel einer gespaltenen Identität.' "
(Rezension von Günter Rohleder Deutschlandfunk 6.3.2017)

 "Eine Persönlichkeit, viele Identitäten" (Interview mit Alfred Grosser von Georgios Chatzoudis)

Zitate:
"Am nächsten Morgen, nach langer Überlegung, war ich sicher, endgültig sicher, dass es keine Kollektivschuld gibt, so furchtbar die Verbrechen und so zahlreich die Verbrecher auch sein mochten. Den Begriff "die Deutschen" lehnte ich ab. Nach der Befreiung von Marseille, im September, stand ich am Krankenbett eines Freundes, der bei den Kämpfen verletzt worden war und zwei Tage später starb. Ein Bett weiter lag ein gefangener und verletzter junger deutscher Soldat. Ich sprach viel mit diesem Altersgenossen (wir waren beide 19) und musste feststellen, dass er von dem Horror wirklich nichts wusste. Da entstand bei mir ein Gefühl der Mitverantwortung für seine Zukunft." 

"Zunächst ist Politik das Edelste, das Höchste, das es in einer Gesellschaft gibt. Sie ist die Summe der Ziele und Mittel, für die sich eine Gesellschaft als Gemeinschaft entscheidet, um zu versuchen, ihre Gegenwart und ihre Zukunft zu meistern." 

"Die Antwort scheint mir zu sein, dass es gilt, dem Anderen bewusst zu machen, was seine vielfältigen Zugehörigkeiten sind und ihn dann auf kritische Distanz zu bringen zu diesen Zugehörigkeiten, denn so kann er entdecken, dass seine eigentliche Identität das Zusammenwirken dieser Zugehörigkeiten ist."
(nach Günter Rohleder Deutschlandfunk 6.3.2017)

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