Mittwoch, 31. Dezember 2014

Piketty: Das Kapital im 21. Jahrhundert

vgl Wikipedia zu: Thomas Piketty und Das Kapital im 21. Jahrhundert (Rezension im manager magazin online 11.4.14; weitere Rezensionen;  Leseprobe Link unten links)

Interessant scheint mir über das hinaus, was wiederholt an Lob und Kritik geäußert worden ist, der Vergleich  der heutigen Situation mit der vor der Französischen Revolution (Ancien Régime) und vor dem 1. Weltkrieg (Belle Epoque), z. B. S.344/45.

Insgesamt interessant die Differenzierung von kurzfristigen (bis 15 Jahre!) und langfristigen (über 70 Jahre) Entwicklungen und zwischen Erwerbs- und Kapitaleinkommen.

Am Beginn des 19. Jh. waren nach Ausweis von Balzac und Jane Austen Grundbesitz und staatliche Schuldtitel die Voraussetzungen für eine sichere Rente (S.153).

Neue Reichtumsdebatte: Etwas ist faul im Kapitalismus, Spiegel online 23.4.14

Piketty lehnt Mitgliedschaft in der Ehrenlegion ab, Spiegel online  1.1.15


Es ist eine merkwürdige Welt, wo ...

Es ist eine merkwürdige Welt, wo #Putinkritiker* Kriegshetzer genannt werden u. Kritiker bramarbasierender Außenpolitik #Putinversteher. 
So war die Welt schon immer. Ich habe mich nur noch nicht daran gewöhnt.

Differenzierung wird weniger wahrgenommen. Aber es hilft nicht gegen Fremdenhass (besser:) in Überfremdungsfurcht sich äußernde Abstiegsängste, wenn man Pegida nur abqualifiziert. 

Im Internet kann man genauso in einen Tunnelblick geraten wie im Fernsehen. 
Es sind nur unterschiedliche Mechanismen, die einem dazu verhelfen.

*oder auch so: ", , : Seltsam, daß die deutschen Lügenmedien jeden russischen Verbrecher als bezeichen." (Fettdruck von mir)
(Klickt man auf #Navalny erhält man ein widersprüchliches Bild: #Navalny)

Montag, 29. Dezember 2014

Ein notwendiger Weckruf?

POLITIK MASSENVERBLÖDUNG: Das gebildete Deutschland schafft sich ab, Die Welt, 17.8.14

Der Artikel beginnt mit der Einleitung:

"Das Wissen der Deutschen erodiert. In Neukölln etwa haben 40 Prozent der Jugendlichen keinen Schulabschluss. Dabei haben wir aus unserer Geschichte gelernt, dass Dummheit tödlich sein kann."
Er schließt:
 "Schroeders Fazit: "Die Demokratie verkauft sich schlecht, von der Schule über die Medien bis zur Politik." Und da schließt sich der Kreis: Je weniger Menschen wissen, desto größer ist ihre Anfälligkeit für autoritäre und diktatorische Systeme.
Die Deutschen haben es erlebt: Auch Dummheit kann tödlich sein."

Ein Kommentar dazu aus dem Geschichtszentrum: Das gebildete Deutschland schafft sich ab.

Ich stelle das hier so hin. Bei Gelegenheit werde ich wohl noch etwas hinzufügen.

Sonntag, 28. Dezember 2014

Welche Gefahren gehen von TISA aus?

Am 17. Dezember 2014 veröffentlichte Netzpolitik.org in journalistischer Partnerschaft mit der NGO Associated Whistleblowing Press und ihrer lokalen, spanischen Plattform filtrala.org den Verhandlungsstand. Diese Dokumente zeigten, dass die von TiSA betroffenen Dienstleistungen noch weit über das hinausgehen, was bisher angenommen wurde und aus den Wikileaks-Veröffentlichungen hervorging. Für TiSA gehört zu freiem Wettbewerb auch freier Datenfluss, den enthüllten Vorschlägen nach soll generell kein Land eine Firma daran hindern können, Informationen aller Art außer Landes zu schaffen. Die Daten von Kommunikationsanbietern sollen ungehindert zwischen Ländern ausgetauscht werden können, so heißt es: Kein Unterzeichner darf einen Diensteanbieter eines anderen Unterzeichners daran hindern, Informationen zu übertragen, auf sie zuzugreifen, sie zu verarbeiten oder zu speichern. Das schließt persönliche Daten mit ein, wenn der Vorgang in Zusammenhang mit der Ausführung der Geschäfte des Diensteanbieters steht. (Seite „Trade in Services Agreement“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. Dezember 2014, 14:12 UTC. URL:http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Trade_in_Services_Agreement&oldid=137178804 (Abgerufen: 28. Dezember 2014, 18:45 UTC))
Campact: Der nächste Anschlag der Konzerne in: hier-Lübeck.de Online-Magazin, 28.12.2014

Ethnische Säuberung Palästinas?

Ilan Pappe: Die ethnische Säuberung Palästinas, engl. 2006, dt. 2007, Neuausgabe 2014 (Leseprobe)

Pappes provokante Thesen 3sat 16.11.2007
"Anders als die israelische Regierung, die vom "freiwilligen Transfer" spricht, behauptet Pappe, dass die Palästinenser aus ihren Gebieten vertrieben worden seien - und zwar systematisch, nach einem Masterplan, dem so genannten Plan Dalet. Dieser Plan diente laut Pappe nicht ausschließlich der Verteidigung Israels gegen Feinde, sondern wurde für die Legitimation der systematischen Vertreibung der Palästinenser genutzt."

Ilan Pappe: Die israelische Haltung im Friedensprozess, Aus Politik und Zeitgeschichte 49/2000 bpb

The European Centre for Palestine Studies, University of Exeter


Quellen:
www.palestineremembered.com


Samstag, 27. Dezember 2014

Wie viele Wörter kannte Shakespeare? oder: die Poisson-Verteilung

Kurz gefasst schreibt Christian Hesse in Zeit online vom 26.12.14, in seinem Werk habe Shakespeare 31.534 verschiedene Wörter seines Wortschatzes verwendet. Wie viele Wörter kannte er?
Nach der Poissonverteilung, erläutert Hesse: 

"Sein Wortschatz dürfte also gut 66.500 Wörter umfasst haben. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass Konrad Adenauer einen Wortschatz von 800 Wörtern gehabt haben soll."

In den bisher 20 Kommentaren zu Hesses Artikel wird mit zum Teil recht lesenswerten Begründungen diese Berechnung angezweifelt. 

Mich interessiert viel mehr: Wie kommt die Zahl 800 für Adenauer zustande? Aus einen Memoiren nicht, aus seinen Reden nicht, denn da waren mit Sicherheit andere beteiligt.
Aber wie viele Reden und Memoirenbände hätte Adenauer wohl schreiben müssen, um nur die Hälfte der Rosensorten, Küchenkräuter, Gartenwerkzeuge und Schimpfwörter zu erwähnen, die er beherrschte?
In Shakeapeares Vokabular kommen manche Wörter vor, die auf eine erstaunliche Fachsprachenkenntnis hindeuten, von der Schimpfwortkenntnis nicht zu reden. 
Aber hätte Adenauer jemals schriftlich seine Kenntnis Kölscher Schimpfwörter verraten?

Pessimismus in Deutschland nimmt mehr zu als der Optimismus

Neuer deutscher Optimismus titelt faz.net
"Fast jeder zweite Deutsche geht laut einer repräsentativen Umfrage mit großer Zuversicht ins neue Jahr. Mit 45 Prozent habe der Anteil der Optimisten im Dezember 2014 einen neuen Höchstwert erreicht, sagte der Hamburger Zukunftsforscher Horst Opaschowski unter Berufung eine Studie des Instituts Ipsos. Ein Jahr zuvor hatten sich 44 Prozent optimistisch geäußert. Die Pessimisten sind mit 27 Prozent deutlich in der Minderheit, obwohl ihr Anteil um drei Prozentpunkte im Vergleich zu 2013 stieg." 
Natürlich hätte man auch wie ich schreiben können "Pessimismus in Deutschland nimmt mehr zu als der Optimismus" Das wäre aber keine Schlagzeile geworden, die aufgefallen wäre.

"Die Deutschen glauben: Es wird gut. Für die Gesellschaft sehen sie Schwierigkeiten - aber für sich selbst sind sie zuversichtlich." schreibt faz.net weiter. Da kommt das Erwartete nach: "Für die Gesellschaft sehen sie Schwierigkeiten".
Und schließlich wird auch das Ergebnis der Studie angedeutet: "Vor allem die Jugend."

Die Meldung ist also: Jugendliche sehen trotz der gegenwärtigen gesellschaftlichen Krisen für sich selbst optimistischer in die Zukunft. (Nicht die Deutschen, nicht die Jugendlichen, aber eine größere Zahl der Jugendlichen als zuvor.) Natürlich müsste man Jugend und Jugendliche mit Hilfe der Zahlen der Studie noch genauer bestimmen.

Die Welt schreibt weit weniger optimistisch: "Knapp die Hälfte der Deutschen sieht optimistisch auf 2015"

Matthias Horx erklärte im Juni 2014 in der Huffington Post, weshalb er die Zukunft lieber positiv sieht als negativ:
"Horx: Ich stehe für einen „unbequemen Optimismus" - so hat es die Politologin Sandra Richter genannt. Pessimismus ist in unserer Kultur eine billige Ausrede geworden. Natürlich geschieht viel Schreckliches in der Welt, aber darauf mit dem üblichen „Wir-haben-es-ja-immer-gesagt" zu reagieren, halte ich für feige und verantwortungslos. Verantwortlicher Optimismus hat nichts mit „think positive" zu tun, sondern mit hartem, diszipliniertem Denken, das sich an Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten orientiert. Letztlich geht es um eine Grundempathie, die man für die Welt empfindet. Ich nenne das auch „Großmutter-Optimismus", nach meiner Großmutter Hildegard - in meinem letzten Buch „Zukunft wagen" wird das näher erklärt."
Denn;
"Allerdings ist die Vorstellung des Untergangs eine kulturelle Konstante, mit der man sehr gut Herrschaft ausüben kann. Alle Unterdrückungsideologien haben einen apokalyptischen Kern. Und wenn wir uns nur noch von Ängsten leiten lassen, dann werden wir tatsächlich untergehen. Die größte Gefahr für die Zukunft ist die kollektive Hysterie."

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Montag, 22. Dezember 2014

Woran ich mich immer wieder erinnern will

http://www.schlau-schule.de/

http://wikis.zum.de/zum/Flüchtlinge#Fluchtgründe

http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/12155

Osterhammel über Netze

„Die Zeit zwischen der Jahrhundertmitte und dem Ersten Weltkrieg, gerade einmal sechs Jahrzehnte, war eine Periode beispielloser Netzwerkbildung.“ Es war ein „Globalisierungsschub“. Doch sie wurden „während des Ersten Weltkrieges wieder zerrissen“. (S. 1011)
"1838 entwarf Friedrich List ein Eisenbahnschienennetz" für Deutschland. (S. 1011) Dabei kann man bis 1850 noch nirgendwo in Europa von einem Netz sprechen. 

Vor den Eisenbahnnetzen standen die Kanäle, die durch die Dampfschiffahrt enormen Auftrieb bekamen. "In den Niederlanden war bereits zwischen 1814 und 1848 [...] ein geschlossenes Kanalnetz angelegt worden." (S. 1013) 
Im Überseeverkehr hielt Europa und in Europa Großbritannien eine Spitzenstellung. "1914 entfielen von der Gesamttonnage der Welthandelsflotte 45 Prozent auf Großbritannien und seine Kolonien". (S. 1016)

"Der größte Globalisierungsschub in der Verkehrsgeschichte [...] nach dem Zweiten Weltkrieg [...] Jetantrieb im Passagierverkehr. (S.1017)

"Die Versorgung wachsender Großstädte mit Nahrungsmitteln konnte erst durch die Eisenbahn garantiert werden. [...] In Afrika [...] Stichbahnen die Regel." (S.1018)
"Transsibirische Eisenbahn [...] solitärer Strich durch die Landschaft." (S.1018/19)
"In Frankreich [...] "Eisenbahnfrage" in den 1840er Jahren zu einem zentralen Thema in der Diskussion der Eliten" (S.1020)
"Die asiatischen Eisenbahnsysteme blieben - mit Ausnahme [...] - unverbunden." (S.1022)
Gesellschaften, die lange "radlos" blieben, übersprangen nicht selten das Eisenbahnzeitalter und gingen [...] unmittelbar in die Ära des Landrovers und des Flugzeugs über." (S.1023)

"Ein ausgeprägtes Netz [...] die Verkabelung der Welt." (S.1023)
"Kommunikationstechnologie konnte" [im 1. Weltkrieg] "perfekte Koordinierung der Truppenteile" noch "nicht gewährleisten." (S.1025)
"Die Reaktionsgeschwindigkeit bei internationalen Krisen erhöhte sich" (S.1026)

Obwohl die Telegraphie "zunächst ein britisches Medium" war ("Um 1890 befanden sich zwei Drittel der Telegraphenlinien auf der Welt in britischem Besitz") benutzte Großbritannien diese starke Stellung nicht, um andere Länder zu behindern oder auszuspionieren. (S.1027)
Weil der Zugang zum Telegraphen meist den Behördenchefs vorbehalten blieb, wirkte der Telegraph im Unterschied zum Telephon nicht egalisierend, sondern "hierarchisierend" (S.1027).

Industrialisierung und Industrielle sollten bei der Betrachtung des 19. Jahrhunderts aber die Kaufleute nicht verdecken. "Sie blieben die wichtigsten Verflechter der globalen Wirtschaft." (S.1031)
Der Handel lag dabei, was den europäischen Export angeht, noch weitgehend in der Hand der importierenden Länder. Bei den europäischen Importen "hatte westliches Kapital, viel früher und stärker als bei der Vermarktung eigener Produkte, die direkte Kontrolle über die Urerzeugung in Plantagen und Bergwerksenklaven erringen können." (S.1034).
Entscheidend für die Ausdehnung des Handels war die Senkung der Transportkosten. "1906 waren die Transportkosten pro Masseneinheit  zwischen Großbritannien und Indien auf 2 Prozent des Standes von 1793 gefallen. Zur gleichen Zeit kostete es nur 2- bis 3-mal so viel, eine Tonne Baumwollgüter von Liverpool nach Bombay zu verschiffen, wie sie per Bahn 45 Kilometer weit von Manchester nach Liverpool zu befördern." (S.1035)
 Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, Frankfurt 2009

Osterhammel im Interview über Weltgeschichte

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Pegida: Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes

Ich habe mich relativ lange nicht zu Pegida geäußert, denn ich habe Verständnis dafür, wenn jemand findet, dass unsere Gesellschaft nicht genügend dafür tut, dass Einheimische und Migranten einen entspannten Umgang miteinander pflegen können.
Ich denke daran zurück, dass eine Frau einmal öffentlich sagte: "Ich habe jetzt sieben Jahre für die Integration von Asylbewerbern gearbeitet. Diese sieben Jahre hat sich der Staat nicht darum gekümmert. Ich fühle mich überfordert. Wenn der Staat nicht mehr für Asylbewerber tut, muss er dafür sorgen, dass weniger zu uns kommen.
Das war vor der Konstruktion des unseligen Artikels 16a des Grundgesetzes, der - interessanterweise - als einziger Artikel zu den Grundrechten beim Umgang um das Reichstagsgebäude nicht zu finden war, als ich dort die anderen Grundgesetzartikel 1 bis 19 alle fand. Darin ist ja auch kein Grundrecht festgehalten, sondern die de-facto-Rücknahme des Asylrechts in Artikel 16.

Freilich: Wenn ich "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" lese, wird mir ganz anders. Jedes Wort, das da außer Europäer steht, widerspricht meiner Vorstellung davon, was Europa und was Deutschland in Europa sein sollte.

Noch demonstriert Pegida nicht in meiner Nähe, noch kann ich Abstand halten und mir sagen: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." Große Hoffnung auf gute Früchte habe ich nicht.

Deutschland ist ein Einwanderungsland und muss als solches einen guten Umgang zwischen Einheimischen und "Reingeschmeckten" pflegen. Bis jetzt geschieht dafür zu wenig. Dass Pegida da Abhilfe schafft, scheint mir unwahrscheinlich. Aber generell alle als rechtsradikal oder dumm abzuqualifizieren, die bei Pegida mit demonstrieren, weil sie keinen besseren Ort für ihren Protest finden, scheint mir unangemessen.
Ich stimme Stephan Hebel zu, wenn er in der FR vom 16.12. über Angela Merkel, die die Unzufriedenen davor warnt, sich „instrumentalisieren zu lassen“, schreibt: "Man könnte Angela Merkel glatt applaudieren, trüge sie nicht selbst Verantwortung für die sozialen Abstiegs-Ängste, die nun – leider – nicht auf der Regierung abgeladen werden, sondern auf den Schwächsten."
Wer daran verzweifelt, dass sich die Regierung an die Starken herantraut, und deshalb versucht, wenigstens die Konkurrenz der Schwächeren gering zu halten, handelt aus einem subjektiven Notstand heraus, den die Regierung verschuldet hat.
Sich attac anzuschließen fordert Idealismus und Optimismus.
Wer glaubt, dass eine Bundesregierung nie wagen wird, die Macht der wirtschaftlich Starken einzuschränken, weil sie sich zu schwach dafür fühlt, wird beinahe tagtäglich in seiner Einschätzung bestätigt. 


Dienstag, 16. Dezember 2014

Wenn man die Uni schon verschult, ...

"Wenn man die Uni schon verschult, könnte man ja vorher auch die Schule verschulen", schreibt Herr Rau
Ein origineller Gedanke.
Freilich, nach dem, was man über die Folgen der Verschulung der Unis hört, sollte man es sich vielleicht doch besser genau überlegen.

Die wandernde Ostgrenze der EU und die Ukraine

Steffi Marungs Publikation Die wandernde Grenze - Die EU, Polen und der Wandel politischer Räume, 1990-2010 aus dem Jahr 2013 wirft Licht auf die Vorgänge in der Ukraine von 2014.
In der Vorstellung des Buchs durch das Global and Europeans Studies Institute der Universität Leipzig heißt es: Marung "zeigt, dass die EU den Entwurf ihrer Grenze mit der Schaffung eines Ergänzungsraums verband. Dabei nimmt sie nicht nur die Politik der EU, sondern auch die polnische Ost- und Europapolitik sowie die transnationale Zusammenarbeit in der polnisch-ukrainischen Grenzregion in den Blick." 

Welche Vorstellungen hat man in der EU darüber, wie die Grenze weiter wandern soll? Geht es dabei um eine Ausweitung von Einflusssphären? Wie weit soll die gegebenenfalls gehen?

Montag, 15. Dezember 2014

Angriffe auf das Streikrecht

Streikrecht in Gefahr, NachDenkseiten 15.12.14

Bildungswahnsinn?

Bestnoten für den Bildungswahnsinn ist eine flott geschriebene Kolummne von Dieter Schnaas in der Wirtschaftswoche vom 14.12.14, in dem zusammengestellt wird, worüber in den letzten fünf bis zehn Jahren in der Schule geklagt wird.
Schnaas schreibt, als hätte er das alles neu entdeckt und es brauchte nur eine weitere Reform, um die Missstände abzustellen. Missstände sind es. Aber das Kind ist seit Jahren im Brunnen und der Deckel längst versiegelt.
Bei der Einführung von Reformen sollte man vorsichtiger vorgehen. Rinn in die Kartoffeln und raus aus den Kartoffeln wie bei G8 und G9 ist gewiss kein vorbildliches Rezept.

Bio-Gemüse mit erschreckender Ausbeutung produziert

Der wahre Preis von Biogemüse: Die Realität auf einer spanischen Ökofarm widerspricht dem PR-Bild von Mensch und Natur.
BIOSKANDAL. Melonen ernten bei 45 Grad, ZEIT Nr. 31, 24.7.2014

Friedensdemonstration vor Schloss Bellevue am 13.12.14

Etwa 4000 Demonstranten haben im Rahmen des "Friedenswinters 2014/2015" in Berlin vor dem Bundespräsidialamt gegen die Nato und Bundespräsident Gauck protestiert. (Süddeutsche Zeitung, 13.12.14)
Rede des Theologen Eugen Drewermann

Pro und Contra zur Aktion "Friedenswinter 2014/15" 

Ich stimme mit keiner der hier verlinkten Ansichten überein. Sie sind mir zu undifferenziert und weitgehend zu aggressiv. Viel eher - wenn auch nicht in jeder Formulierung - finde ich mich wieder im Aufruf der 60 Prominenten: "Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!"

Aber ich stimme überein mit der Journalistin Daniela Dahn, die in ihrem Grußwort zu der teils recht einseitigen Demonstration formulierte:
"Die Debatte um Krieg und Frieden ist zu wichtig, um sie den Eliten zu überlassen, sie gehört ins Parlament, in die Gesellschaft und in die Friedensbewegung."
Und ich stimme überein mit Hannah Beitzer, die in der SZ Daniela Dahn zitiert, wenn sie hinzufügt:
"Das ist richtig. Ganz egal, wie groß das gegenseitige Unverständnis manchmal auch ist."
Deswegen mache ich hier noch einmal auf diese Demonstration aufmerksam, die m.E. zu Unrecht in den Medien abqualifiziert wurde, ohne dass auf dort gefallene Argumente eingegangen wurde.

Der ehemalige norwegische Ministerpräsident Stoltenberg hat sich als NATO-Generalsekretär zwar beängstigend an die kriegbegünstigende Redeweise seines Vorgängers angepasst, deshalb ist er aber noch nicht Teil einer Verbrecherbande. Verantwortlich kann ich die Politik, die er vertritt, deshalb aber auch nicht nennen.

Es gilt zu deeskalieren, nicht Konflikte anzuheizen.

Sonntag, 14. Dezember 2014

Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, ...

Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. (Lukas 21, 28)

Predigten zum Advent:

 Lukas 21,25‑33 zum 2. Advent 




Samstag, 13. Dezember 2014

Ölpreisschock oder Ölpreismanipulation?

Erdöl ist extrem knapp. Deshalb werden höchst umweltgefährliche Techniken eingesetzt, um die letzten Reserven vorzeitig aus den Tiefen zu holen, die in Zukunft als Rohstoff, aber nicht als Energielieferant wichtig sein werden. In der Situation kommt die Schlagzeile:
Venezuela: bald Pleite. Russland und Nigeria: akut gefährdet. Das reiche Norwegen: unter Druck. Der niedrige Ölpreis ist für viele Länder gefährlich. Der Absturz kann für die Welt zum Albtraum werden. (Die Welt, 13.12.2014)
Es war kein unvorbereiteter Schock, sondern lange vorbereitet. 

Einige Schlagzeilen:

13.10.2014: Kampf um den Ölpreis




Die letzte Änderung der deutschen Wikipedia am Artikel zur OPEC war am 27.11.14
Die englischsprachige Wikipedia zählte allein am 13.12.14 bis 21:14 75 Änderungen ihres Artikels.

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Gesellschaft der Angst

Heinz Bude: Gesellschaft der Angst, 2014 Rezensionen: Deutschlandfunkwdr, Spiegel
Heinz Bude: Generation Null Fehler, ZEIT 20.9.14
Heinz Bude im Gespräch: Das Produktivitätsproblem Deutschlandfunk 12.10.14

"Doch der Wohlfahrtsstaat alter Prägung hat sich der direkten Verantwortung für seine Bürger entzogen und die Fürsorge an den Markt delegiert. Die "Angst" vor dem Abstieg sei heute wieder eine persönliche Angelegenheit, konstatiert Bude. Insbesondere die Generation nach den Babyboomern, die in den 1970ern Geborenen, sei betroffen. Sie bilde den Prototyp des modernen Individuums: ehrgeizig, fleißig und sehr unentspannt. Der Mensch, thirty something, stehe immer kurz davor, alles zu verlieren - zumindest glaubt er das." (Deutschlandfunk)

Johano Strasser: Gesellschaft in Angst, 2013

Dienstag, 9. Dezember 2014

Wie sich Anna Pritzkau die Welt erklärt

"Die Sache ist einfach: Solange Putin an der Macht ist, solange seine Macht immer größer wird, solange er sich mit voller Entschlossenheit gegen die westlichen Werte erhebt, bleibt er der Antrieb der neuen Wahrheitssucher in Deutschland, und ihre Bewegung wird wachsen. Und wenn er dann doch eines Tages zurücktritt, gestürzt oder abgewählt wird, oder einfach so, weil er es kann, für immer auf einem großen, weißen Pferd davonreitet? Dann erst werden die Friedensbewegten aufhören, ihre Wahrheit und ihren Hass montags dem Brandenburger Tor entgegenzubrüllen." (Verschwörungsjournalismus, faznet)
Solange Putin an der Macht ist, werden die 60 zu ihrem Aufruf gegen Eskalation stehen.
Danach werden sie? Ja, was werden sie?
Sicherlich sich Anna Pritzkaus Weltsicht anschließen, oder?

"Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!"

Zur Ukrainekrise äußern sich Roman Herzog, Antje Vollmer, Wim Wenders, Gerhard Schröder, Erhard Eppler, Gabriele Krone-Schmalz und andere in einem Aufruf, aus dem ich einen Gedanken besonders hervorheben möchte:
"Bei Amerikanern, Europäern und Russen ist der Leitgedanke, Krieg aus ihrem Verhältnis dauerhaft zu verbannen, verloren gegangen. Anders ist die für Russland bedrohlich wirkende Ausdehnung des Westens nach Osten ohne gleichzeitige Vertiefung der Zusammenarbeit mit Moskau, wie auch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Putin, nicht zu erklären.
In diesem Moment großer Gefahr für den Kontinent trägt Deutschland besondere Verantwortung für die Bewahrung des Friedens. Ohne die Versöhnungsbereitschaft der Menschen Russlands, ohne die Weitsicht von Michael Gorbatschow, ohne die Unterstützung unserer westlichen Verbündeten und ohne das umsichtige Handeln der damaligen Bundesregierung wäre die Spaltung Europas nicht überwunden worden."
 Ich habe wiederholt in dem Sinne argumentiert und bedaure deshalb, dass von Seiten der meisten Parteien im Bundestag aus einer sehr EU-zentristischen Sicht diese Überlegungen abgetan werden.

Goethe, Kindersoldaten und Afghanistan

Sigrid Damm: Goethes Freunde in Gotha und WeimarFR

Indien: Kindersoldaten in ethnischen Konflikten, FR 9.12.14

vgl. auch Menschenrechtsverletzungen in Manipur
Autonomie und Sezessionsbestrebungen (pdf)

Thmas Ruttig: Afghanistan: Ein Patt auf hohem Gewaltniveau, FR 9.12.14
"Im ersten Halbjahr 2014 starben 1564 Zivilisten, 17 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres." Die Verluste des Militärs ANSF seit Anfang 2013 betragen 9800 Tote

vgl. auch Ruttig zur Präsidentenwahl

Montag, 8. Dezember 2014

Deutschpflicht

Dazu zunächst einmal Twitter #Deutschpflicht und YallaCSU

Sven Seele hat es getroffen:
 "Wenn es keine CSU gäbe, wäre der Job des Satirikers in Deutschland um einiges anstrengender. "

Und so ergießt sich jetzt billiger Spott über den Hinweis, dass man Fremdsprachen lernt, indem man sie spricht.

Ein CSU-Parteitagsantrag wo zum häuslichen Deutschsprechen "angehalten" werden sollte, war falsch formuliert am falschen Ort. Der Gedanke ist völlig richtig.

Sinnvoll ist natürlich nicht eine Deutschpflicht, sondern die Unterstützung des Elternhauses beim Deutschlernprozess. Wenn nach zehn Jahren Aufenthalt in Deutschland Schulkinder noch deutliche Defizite im Deutschen haben, ist es bei Migranten genauso wie bei Deutschen hohe Zeit, etwas dagegen zu tun. Bei genauer Beobachtung hätte man auch schon früher umschalten können.

Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, zu Hause bei der Muttersprache zu bleiben, wenn Kinder wie Eltern auch so im Deutschen gut voran kommen. Die Empfehlung für das eine oder andere sollte allerdings nicht von Politikern kommen, sondern von den Sprachlehrern.
Zweisprachigkeit ist ein hohes Gut. Die problemlose Beherrschung der Verkehrssprache aber auch.

Dazu auch SZ vom 8.12.14
"Jeder wird die Ansicht teilen, dass Migranten in Deutschland nur dann heimisch werden sowie das Land nur dann bereichern können, wenn sie Deutsch lernen. [...] Dabei sind sich alle Sprachwissenschaftler einig: Türkische oder syrische Eltern helfen ihren Kindern am besten, indem sie sie in den deutschen Kindergarten schicken und ihnen ein Vorbild sind, indem sie selbst Deutschkurse belegen - keineswegs aber, indem sie beim Abendessen mit ihnen radebrechen."
Mit der SZ stimme ich völlig überein, auch wenn wegen der unterschiedlichen Zielgruppe meine Akzente anders gesetzt sind.

Samstag, 6. Dezember 2014

Arabisch-israelischer Konflikt

ZERUYA SHALEV: Das gebrochene Herz, ZEIT 24.7.14, S.42
"Solange die Palästinenser nicht bereit sind, die Juden in Israel zu akzeptieren, wird es keinen Frieden geben."

HISHAM MELHEM: Die Barbaren sind unter uns. Die arabische Zivilisation ist zusammengebrochen, ZEIT 6.12.14
"Es gibt nicht den geringsten Beleg dafür, dass sich der politische Islam mit moderner Demokratie versöhnen lässt. Von Afghanistan unter den Taliban bis nach Pakistan und Saudi-Arabien, vom Iran bis in den Sudan existiert keine einzige islamistische Ordnung, die man als demokratisch und gerecht oder einfach nur als Beispiel für ein gut regiertes Gemeinwesen anführen könnte."
Den Aufsatz von Melhem halte ich für sehr mutig. Sicher ist er überspitzt formuliert. Doch die Entwicklung der arabischen Revolutionsversuche sind in der Tat wenig hoffnungsreich.
Fehler sind aber gewiss nicht nur von arabischer Seite gemacht worden.

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Nachwuchsprobleme der Wissenschaft

oder auch Probleme des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Heutzutage ist man im Durchschnitt über 40 Jahre alt, bevor man als Wissenschaftler eine Daueranstellung an der Universität bekommt.

Mehr dazu (sam Leserkommentaren) in  ZEIT online vom 4.12.2014

Montag, 1. Dezember 2014

Osterhammel zu "Arbeit" im 19. Jahrhundert

„Im Okzident wurde 'Arbeit' gleichzeitig zu einem hohen Wert und zu einer bevorzugten Kategorie der Selbstbeschreibung. […] Königinnen ließen sich in der Öffentlichkeit mit Strickzeug sehen. (S.959)

„Die klassische Industriegesellschaft war ein flüchtiger Moment in der Weltgeschichte. Nur in wenigen Ländern, in Großbritannien, Deutschland, Belgien und der Schweiz, war die Industrie für mehr als ein halbes Jahrhundert der führende Beschäftigungssektor. […] Selbst in den industriell leistungsfähigsten Ländern, den USA und Japan, überflügelte Industriearbeit niemals die Beschäftigung in Landwirtschaft und Dienstleistungssektor.“ (S.961)

Landarbeit
In China und Indien waren die "Bauern im Prinzip rechtlich freie Leute, sie erzeugten einen Teil ihrer Produktion für den Markt" (S.968) "Dennoch barg vor allem [...] der Geldverleih viele Möglichkeiten, schwächere Mitglieder der Dorfhierarchie in Abhängigkeit zu bringen." (S.967)
"Die chinesische Agrarverfassung [...] war bei weitem freiheitlicher als die ländliche Ordnung im Osten Europas." (S.969) 
"Landarbeit blieb das ganze Jahrhundert fast überall Handarbeit." (S.970)

Plantagen
"Plantagen erwuchsen nicht aus der langsamen Kontinuität lokaler Entwicklungen. Sie wurden durch ausländische Intervention gegründet [...] Kapital und Management der neuen Plantagen des späten 19. Jahrhunderts kamen unweigerlich aus Europa oder Nordamerika." (S.971)
"[...] oft einer solch strengen Disziplin unterworfen, dass sich die Bedingungen von denen auf manchen Sklavenplantagen nicht deutlich unterschieden. Das Verlassen des Arbeitsplatzes wurde als Verbrechen bestraft." (S.971)
Die Plantagen hatten "oft eine industrielle Komponente", da "die Weiterverarbeitung des Urprodukts am selben Ort geschieht." (S.972)

Haciendas
Die Hacienda war nach dem Modell einer patriarchalischen Familie konstruiert." (S.973)
"Die Abhängigkeit der peones lag weniger in offenen Zwangsverhältnissen begründet als in einer Verschuldung beim haciendado, die an die Kreditbeziehungen zwischen einfachen Bauern und dominanter Elite in chinesischen oder indischen Dörfern erinnert." (S.973)
In Mexiko "löste die Politik der republikanischen Epoche [...] das Kommunaleigentum der Indios weitgehend auf und überließ sie ungeschützt den Gewinninteressen der haciendados." (S.974)
[Insofern war die spanische Kolonialmacht für "die Indios eine Schutzmacht" gewesen, "wenngleich keine verlässliche".]

Orte der Arbeit: Fabrik, Baustelle, Kontor
Fabrik
"Manchmal blieb die Fabrik ein freistehender Komplex auf dem 'Lande', so zum Beispiel in Russland, wo um 1900 über 60 Prozent aller Fabriken außerhalb von Städten disloziert waren." (S.977)
In der Seiden- und Baumwollindustrie in Japan herrschten "entsetzliche Arbeitsbedingungen".[...] vor allem Krankheit führte dazu, dass drei Viertel der Frauen weniger als drei Jahre in der Fabrik zubrachten." (S.979)
Kanalbau
"Der Kanalbau war um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer der fortschrittlichsten Industrien geworden." (S.980)
Beispiel: Sueskanal. "Über die Gesamtzahl der  eingesetzten Fellachen fehlen Daten. Man schätzt, dass monatlich 20 000 neu zur Baustelle kamen und dass insgesamt 400 000 Ägypter am Kanal arbeiteten." (S.983)
Eisenbahnen
"Die transkontinentale Eisenbahn [...] war das letzte umfassende Ingenieurprojekt in den USA, das überwiegend durch Handarbeit realisiert wurde." (S.985)
In Indien waren in fünf Jahrzehnten "über zehn Millionen Arbeiter beteiligt". "Auf dem Höhepunkt des Bahnbaus im Jahre 1898 waren um die 460 000 Inder gleichzeitig im Einsatz." (S.986)
Arbeitsplatz Schiff
In den ersten Jahrzehnten der Dampfschifffahrt änderte sich an dem hohen Personalbedarf wenig. Da sich gleichzeitig das Volumen des Schiffsverkehrs aller Art bedeutend steigerte, gerade auch im Binnenverkehr auf Flüssen [...]  erlangte der Arbeitsort Schiff im 19. Jahrhundert den Höhepunkt seiner Bedeutung. Das Schiff blieb, was es in der frühen Neuzeit gewesen war: ein kosmopolitischer Raum mit Mannschaften aus aller Welt. Ebenso war es neben dem Militär und der Plantage der am stärksten mit Gewalt aufgeladene Arbeitsplatz." (S.987)
Walfang:"1840 waren vierjährige Fangexpeditionen [...] nicht unüblich. Den Rekord hielt die Nile, die im April 1869 nach elfjähriger Abwesenheit ihren Heimathafen in Connecticut anlief." (S.988)
Kontor und Haushalt
"Die Ausweitung von White-collar-Tätigkeiten schuf neue Funktions- und Geschlechterhierarchien. Der Arbeitsmarkt für Frauen wuchs in diesem 'tertiären' Bereich, zu dem auch der Einzelhandel [...] gehörte." (S.989)
"[...] so gehörte die Beschäftigung als Dienstbote in einem Haushalt zu den ältesten Gewerben dieser Welt." (S.990)
[In Russland gingen junge Frauen, die vom Land kamen, eher in private Dienstverhältnisse als in Fabriken.] "In Moskau verfügten 1882 mehr als 39 Prozent aller Haushalte über Personal, in Berlin waren es immerhin etwa 20 Prozent." (S.991)
"Häuslicher Dienst war eher eine lokale Beschäftigung [...]  Die Globalisierung häuslicher Dienste [...] ist eine Erscheinung erst des späten 20. Jahrhunderts." (S.992)

Pfade der Emanzipation in der Arbeitswelt

Sklaverei
1808 erklärten "gleichzeitig (und unabhängig voneinander) Großbritannien und die Vereinigten Staaten den / internationalen Sklavenhandel für illegal" (S.992/3)
USA: "Es dauerte nach dem Bürgerkrieg noch ein volles Jahrhundert, bis sich die Schwarzen ihre wichtigsten Bürgerrechte in der Praxis erkämpft hatten." (S.993)
"Ex-Sklaven waren schwache und besonders verwundbare Menschen ohne natürliche Verbündete in der Gesellschaft." (S.994)

Leibeigene
[Leibeigene waren etwas weniger unfrei als Sklaven. Dafür gab es in der Gesellschaft einen viel größeren Anteil.] 
"Die Überwindung beider Systeme verlief zeitlich exakt synchron." (S.999)

Bauernbefreiung
"Die 'alte' Freiheit der europäischen Bauern war im Dorf und in der Beziehung zum Herren ausgelebt worden; die 'neue' Freiheit des 19. Jahrhunderts konnte einen Rahmen nicht überschreiten, den der regelnde Staat setzte. Selbst die überzeugtesten Liberalen erkannten mit der Zeit, dass keine Märkte so stark nach politischer Regelung riefen wie die Agarmärkte. So wurde im letzten Viertel des Jahrhunderts die Agrarpolitik geboren, von der bäuerliche Existenz in Europa seither abhängig geblieben ist." (S.1004)

Die Asymmetrie der Lohnarbeit
Am Ende der Bauernbefreiung gab es auf dem Land die agrarischen Unternehmer und die Lohnarbeiter. Aber es gab eine Übergangsphase. Mit einer Art 'Beugehaft' konnten die Arbeitgeber oft noch die Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses erzwingen. "So schlummerte in freien Lohnarbeitsbeziehúngen noch jahrzehntelang ein Rest von Arbeitszwang." (S.1007)
Zusammen mit mit Stanley Engerman hat Robert Fogel in Time on the Cross. The economics of american negro slavery 1974 nachgewiesen, "dass Sklavenarbeit [...] mindestens ebenso effizient und rational war wie freie Arbeit [...]." Es gab also keinen ökonomischen Zwang zur Abschaffung der Sklaverei.

Arbeitsmarkt ohne Gleichgewicht
"Erst die Einschränkung der Freiheit des Marktes durch Bildung von Verhandlungsmonopolen auf der Arbeiterseite gab den Einzelnen Freiheit von den Machtmitteln der Käufer von Arbeitskraft [...] Freie Arbeit […] entstand aus der sozialstaatlich motivierten Einschränkung unbegrenzter Vertragsfreiheit.“ (S.1008)
Der frühe Sozialstaat ersetzte Fürsorge durch das „Prinzip der Pflichtversicherung“. (S.1008)
„Es gibt nur zwei grundsätzliche Überlebensstrategien der Schwachen: Anlehnung an Stärkere oder Solidarisierung mit anderen Schwachen. Die erste Option war generell die sicherere.“ (S.1009)