Freitag, 25. November 2022

Tierhaltung in Zeiten der Klimakrise

 "Die EuroTier in Hannover ist die weltgrößte Messe für Tierhaltung und -management." (Wikipedia)

"Die Eurotier versucht gar nicht erst, Antworten darauf zu geben, wie eine wirklich zukunftsfähige Tierhaltung, die Umwelt, Klima und Tierwohl gerecht wird, aussehen kann. Die Messe verpasst es, bäuerlichen Tierhalter:innen eine Perspektive zu geben. Stattdessen werden Deals abgeschlossen, um neue Tierfabriken im bisher nicht dagewesenem Ausmaß zu bauen oder technische Lösungen präsentiert, die wenig ändern an den Konzernmachtverhältnissen im Tier- und Fleischbereich."

(Aktion Agrar)

"Die wirkungsvollste Ernährungsumstellung wäre ohne Zweifel nahezu konkurrenzlos der Verzicht auf Rindfleisch." 

(Das Klima-Buch, Abschnitt 5.5, , S.377)


Mittwoch, 23. November 2022

Verfassungsbeschwerde gegen Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland

 "Eine aktuelle Verfassungsbeschwerde hat der Jurist und Physiker Alexander Unzicker zu verschiedenen Aspekten der Ukrainepolitik der Bundesregierung formuliert. Die Beschwerde wendet sich dagegen, dass ukrainische Militärangehörige auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgebildet werden, außerdem solle der Bundesregierung untersagt werden, sich an der EU-Unterstützungsmission zur militärischen Unterstützung der Ukraine (EUMAM Ukraine) zu beteiligen. Die Ausbildung ukrainischer Militärangehöriger durch andere Staaten, insbesondere den USA, auf deutschem Territorium müsse „durch Ausüben der deutschen Hoheitsgewalt“ verboten werden. Begründet wird die Beschwerde mit Berufung auf Art. 2 II GG: Die Ausbildung ukrainischer Militärangehöriger könne als Kriegseintritt Deutschlands aufgefasst werden. [...]"

https://www.nachdenkseiten.de/?p=90757

Nichtfossile Energiequellen

 Solarenergie: Die Solar Energie hat ein gewaltiges Potenzial. Sie lässt sich billig produzieren und schnell installieren, und Anlagen können durch aus ebenso viel Strom erzeugen wie herkömmliche Kraftwerke. [...] Um ihre volle Effizienz zu entfalten,muss die Solarenergie [...] durch elektrische Speichervorrichtungen[...] ergänzt werden. [...] 

Eine weitere Herausforderung ist die Tatsache, dass Großanlagen sehr viel Fläche benötigen [...]

Eine Lösung ist hier die Installation von Solaranlagen auf den Dächern vorhandener Gebäude [...] Wo immer sich ein Dach oder ein Parkplatz befindet, da gibt es auch Möglichkeiten für die Installation einer Solaranlage.


Windkraft: Die häufigster Kritik an der Windkraft lautet, dass der Wind nicht immer bläst. Das ist richtig, allerdings nur für kleine Stromnetze. Für nationale oder regionale Stromnetze bläst der Wind mehr oder weniger immer. Das eigentliche Problem einer verstärkten Nutzung der Windkraftl liegt in der Gefahr einer Störung der örtlichen Fauna und in den Auswirkungen auf in den auf die in der Nähe lebenden Menschen. Wie bei der Solarenergie kommt hier alles auf den Standort an. So kann man Windparks in der Nähe von Autobahnen errichten oder an Orten, an denen nur wenige Menschen davon betroffen sind und die Folgen für die Tierwelt sich in Grenzen halten, zum Beispiel in küstennahen Meeresgebieten. Die Technik eröffnet auch zunehmend die Möglichkeit, mobile Offshore-Kraftwerke einzusetzen, bei denen Klagen seitens der Anwohner seltener zu erwarten sind.

Kernkraft
Die Kernkraft hat [...] wegen der komplizierten Technik zahlreiche Nachteile. Die Kraftwerke sind teuer, und ihre Bauzeit ist sehr lang. [bis zu 16 Jahre]
Im Blick auf die Sicherheit besitzen Kernkraftwerke alarmierende Nachteile, die Katastrophen in Fukushima 2011 und in Tschernobyl 1986 sind Beispiele dafür. Auch im Blick auf die Sicherheitspolitik sind sie problematisch, da sie bei kriegerischen Auseinandersetzungen oder als Ziele von Terroranschlägen ausgesprochen verwundbar sind. [...] 
Dann ist da noch die Frage einer sicheren Endlagerung der radioaktiven Abfälle, die selbst nach mehr als 70 Jahren weltweit immer noch auf eine Lösung wartet. [...]
Energie aus Biomasse

Bei der Stromerzeugung aus Biomasse verbrennt man Holz und anderes pflanzliches oder tierisches Material wie Ernteabfälle, Torf, Seetang oder tierische Abfallprodukte. Sie gilt als erneuerbare Energie, doch dieser Status hängt von der Existenz einer nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft ab, und die gibt es heute noch nicht in ausreichendem Maße.
Außerdem ist sie nur über sehr große Zeiträume hinweg nachteilig. Ein Baum braucht mehr als 100 Jahre, bis er ausgewachsen ist, und ein Wald benötigt nach einem Kahlschlag mehrere Jahrhunderte [...] Die Einstufung von Energie als aus Biomasse als erneuerbare Energiequelle hat zu großflächigen Verwertungsaktivitäten geführt, die Entwaldung und Biodiversitätsverluste beschleunigen.  [...]  
Bei der Verbrennung von Holz wird mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre entlassen als bei der Verbrennung von Kohle.
Die Tatsache, dass diese Emissionen in unseren nationalen Statistiken unberücksichtigt bleiben – und diese Form der Energieerzeugung als nachhaltig eingestuft wird – hat ein potentiell verheerendes Schlupfloch eröffnet." (Das Klima-Buch, 249-251)

Der Aufstieg der erneuerbaren Energien

Glen Peters: "Ein rasches Wachstum bei der Solar- und Windenergie reicht nicht aus, um die steigende Nachfrage zu befriedigen, weshalb der Verbrauch fossiler Energie und die CO2-Emissionen weiterhin zunehmen. Die Länder mit mittlerem oder niedrigem Einkommen tun durchaus viel, um ihre Emissionen zu stabilisieren und schließlich zu reduzieren. Vielfach sind sie sogar weltweit führend in der Nutzung sauberer Technologien. [...]

Die einfache Mathematik des Klimasystems aus der Sicht des 'Kohlenstoffbudgets' sagt, dass wir die fossilen Brennstoffe nur noch wenige Jahrzehnte benutzen können, nämlich etwa bis 2050, sofern keine Technologien entwickelt werden, die eine Emission des bei der Nutzung fossiler Brennstoffe entstehenden Kohlendioxid vermeiden (CO2-Abscheidung und SpeicherungWikipedia-logo.png) oder Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre entfernen können (NegativmissionstechnologienWikipedia-logo.png) [...] Da mit fossilen Brennstoffe betriebene Kraftwerke oder Industrieanlagen Lebensspanne von 50 Jahren und mehr haben können, folgt daraus, dass eine derartige auf fossile Energie basierende Infrastruktur, die heute in Ländern mit mittlerem oder niedrigem Einkommen gebaut wird (oder kürzlich gebaut wurde), abgeschaltet werden müsste, bevor sie das Ende ihrer Lebensspanne erreicht hätte. [...] selbst alternative Energiequellen haben ihre Kosten im Bereich der Umwelt und der Emissionen. [...] In allererster Linie gilt es, die Belastung des Systems zu verringern, und das heißt letztlich, zu einer Lebensweise überzugehen, die weniger auf materiellen Konsum ausgerichtet ist. [...] In der Praxis muss jedes Land die Politik durchführen oder die Anreize setzen, die dort Wirkung zeigen, auch wenn sie längst nicht perfekt sein mögen. [...] das Klimasystem lässt uns [...] keine Zeit um nach der perfekten, für alle akzeptable Lösung zu suchen.

Die Energiewende wird auch für manche Menschen schmerzhaft, für andere dagegen vorteilhaft sein. Das ist unvermeidlich, doch die Welt ist voller Beispiele ähnlicher Übergänge: vom Pferd zum Auto, von der Schreibmaschine zum Computer, von netzgebundenen zu mobilen Telefonen, vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb [...] Die treibenden Kräfte hinter solchen Übergängen sind vielfach nicht politische Vorstellungen, sondern Technik und Gesellschaft. [...] Es ist Aufgabe des Staates, denen zu helfen und Schutz zu bieten, die man als Kollateralschäden der Energiewende bezeichnen könnte, zum Beispiel den Bergleuten in den Kohlegruben, nicht aber jenen, die sie zu verhindern suchen wie manche mächtigen Konzerne.

[Technologie, Verhaltensänderungen und Politik werden das Problem nicht je alleine lösen können ...]. Der Fortschritt liegt im Schnittbereich der Einflussfaktoren. Mit einer sich wechselseitig ergänzenden Mischung aus Technologie, Verhaltensänderungen und politischen Wandel werden wir einen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen, durch den wir die größten Gefahren der Klimakrise abwenden können. Die fortschreitende Klimakrise erlaubt es uns nicht, dem langsamen Übergang weg von fossilen Brennstoffen zuzuschauen. (Das Klimabuch, S.245-248)

Grüner Wasserstoff

Nach Angaben des New Scientist  werden gegenwärtig 96 % des Wasserstoffs aus fossilen Brennstoffe hergestellt, weshalb er heute noch längst nicht als eine erneuerbare oder nichtfossile Energielösung gelten kann. Er lässt sich jedoch auch als Wasser gewinnen und zwar unter Verwendung erneuerbarer Energien wie Windkraft oder Solarenergie. [...]. 

Grüner Wasserstoff ist jedoch auf einen Überfluss an billiger erneuerbarer Energie angewiesen, und das dürfte in der nächsten Zukunft kaum der Fall sein. (Das Klima-Buch, S. 249)

Dienstag, 22. November 2022

Regenwald Report 04/2022

 "[...] Hier erfahren Sie, wie sich unsere Partner in Indonesien, Brasilien, Panama, Mexiko und Ecuador gegen die Ausbeutung ihrer Natur engagieren. Und aus Nigeria kommt eine aktuelle Reportage unseres Afrika-Campaigners. Er hat drei Aktivisten besucht, die sich in verschiedenen Regionen gegen die Zerstörung ihrer Lebensräume einsetzen – mit der Macht der Mutigen. [...]"

https://www.regenwald.org/regenwaldreport/2022/04

Klimakriege

 Harald Welzer:  Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird, S. Fischer, Frankfurt/M. 2008, ISBN 3-10-089433-2.

Gefühlte Probleme, Rezension von Uwe Justus Wenzel, Neue Zürcher Zeitung, 12. April 2008

Sonntag, 20. November 2022

Insekten

 Dave Goulson: "Mein Leben lang haben Insekten mich fasziniert. Schon mit fünf oder sechs Jahren sammelte ich gelb-schwarz geringe lte Raupen in dem Unkrautstreifen [...] und fütterte sie, bis sie sich schließlich in [...] Nachtfalter verwandelten (die Sie möglicherweise als JakobskrautbärenWikipedia-logo.png erkannt hätten). [...] In den letzten 30 Jahren spezialisierte ich mich auf die Erforschung der Ökologie von Hummeln, den großen, pelzigen, geringelten Bienen, die während des ganzen Frühjahrs und Sommer schwerfällig zwischen den Blumen auf unseren Wiesen umhersummen. Ihre tollpatschige Erscheinung täuscht indessen, denn in der Insektenwelt sind sie intellektuelle Riesen mit einer erstaunlichen Navigations- und Lernfähigkeit und einem komplexen, zuweilen auch blutrünstigen sozialen Leben." (S.118)

"Insekten bilden den Löwenanteil des Lebens auf der Erde. Mehr als zwei Drittel der 1,5 Millionen bekannten Arten sind Insekten.[...]

Ohne Insekten würde unsere Welt zum Stillstand kommen. Sie kann ohne Insekten nicht funktionieren.

[...] In Großbritannien sind die Schmetterlingspopulationen seit 1976 um 50 Prozent geschrumpft. Die Biomasse der Fluginsekten verringerte sich in deutschen Naturschutzgebieten von 1989-2016 um alarmierende 76 Prozent. In den Niederlanden gegen die Population der Köcher fliegen zwischen 2006 und 2017 um 60 Prozent und die Biomasse der Nachtfalter zwischen 1997 und 2017 um 61 Prozent zurück [...] Versuche zur Berechnung eines durchschnittlichen Rückgangs lassen den Schluss zu, dass dieser Wert bei 1 bis 2 Prozent jährlich liegen dürfte. Das mag nicht viel erscheinen, könnte aber einer Apokalypse der Insekten innerhalb einer einzigen menschlichen Lebenszeit nahekommen. Leider werden wissen wir nicht, wann dieser Rückgang begann, da wir für die Zeit vor den 1970er Jahren keine Daten besitzen. Wahrscheinlich beobachten wir gegenwärtig die Schlussphase eines weitaus längeren Schrumpfungsprozesses. Wir wissen auch nicht, was mit den Insekten in den Tropen geschieht, dem großen Hotspot der Insektenbiodiversität. Es ist besorgniserregend, dass die Datenlage zum Zusammenbruch der Insektenpopulationen bisher nur Stückwerk ist, fast alle Langzeitstudien zu den Insektenpopulationen stammen aus Europa und Nordamerika.

[...] Drei Jahre vor meiner Geburt, nämlich 1962, warnte Rachel CarsonWikipedia-logo.png in ihrem Buch Der stumme FrühlingWikipedia-logo.png, wir fügten unserem Planeten fürchterlichen Schaden zu. [...] Die von Carson aufgezeigten Probleme mit Pestiziden und Düngemitteln haben sich noch deutlich verschärft. Jedes Jahr gelangen heute weltweit schätzungsweise 3 Millionen Tonnen Pestizide in die Umwelt [...] die weitaus giftiger für Insekten sind als alles, was es zu Carsons Zeit auf diesem Gebiet gab. So ist das zu den Neonikotinoiden gehörende Insektizid Imidacloprid heute das weltweit meist eingesetzte Insektizid, obwohl die EU es 2018 wegen seiner Bienenschädlichkeit verbot. ImidaclopridWikipedia-logo.png ist für Bienen 7000 Mal giftiger als das in den 1960er und 1970er Jahren weithin verwendete Insektizid DDTWikipedia-logo.png." (S.118/119)

"Der US-amerikanische Biologe Paul EhrlichWikipedia-logo.png verglich den Artenverlust in einer ökologischen Gemeinschaft einmal mit NietenWikipedia-logo.png, die sich zufällig aus den Flügeln eines Flugzeugs lösen. Verliert das Flugzeug eine oder zwei Nieten wird das wahrscheinlich keine Folgen haben. Verliert es da gegen zehn, zwanzig oder gar fünfzig Nieten, versagen irgendwann die Flügel in katastrophaler Weise und das Flugzeug stürzt ab.

Die Insekten sind gleichsam die Nieten, die das Funktionieren von Ökosystemen gewährleisten.

Wenn wir den Rückgang der Insekten umkehren wollen, müssen wir handeln, und zwar jetzt. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft den Wert der Insekten erkennt – den Wert dessen, was sie für uns tun, und den Wert, den sie an sich darstellen. Am besten beginnen wir damit natürlich bei unseren Kindern, indem wir ihr Umweltbewusstsein möglichst früh fördern. Wir müssen unsere Städte begründen. Stellen Sie sich vor, die Städte wären voller Bäume, Gemüsegärten, Teiche und wilder Blumen in jeder verfügbaren Ecke: in Hausgärten, Stadtparks, Kleingärten [...] - sie alle frei von Pestiziden und voller Leben. [...] Wir müssen mit der Natur arbeiten, Raubinsekten und Bestäuber aktiv fördern und aufhören, die Insekten zu bekämpfen und zu vernichten. Alternative Anbauformen wie organische und biodynamische Landwirtschaft, PermakulturWikipedia-logo.png und AgroforstwirtschaftWikipedia-logo.png haben hier viel zu bieten. Es gibt einen großen Hunger nach Veränderung. [...] Es ist noch nicht vollkommen zu spät. Die meisten Insektenarten sind noch nicht ausgestorben, aber viele Bestände haben nur einen Bruchteil ihrer früheren Größe und bewegen sich am Rande der Auslöschung. [...] Wenn wir uns an Paul Ehrlichs Vergleich mit den Nieten an einem Flugzeugflügel halten, könnte es durchaus sein, dass wir dem Punkte nahe sind, an dem die Flügel abfallen." (S.121/122)

aus: G. Thunberg: Das Klima-Buch, S.118-121

SOZIALE DIENSTPFLICHT?

SOZIALES PFLICHTJAHR:WOMIT KEINER RECHNET Von Leon Igel ZEIT 20.11.22

"Deutschland streitet über eine soziale Dienstpflicht. Dabei helfen heute mehr junge Menschen freiwillig, als es zuletzt Zivildienstleistende gab. Was steckt dahinter? [...]

Die Statistik nämlich zeigt, dass es heute in Deutschland mehr Freiwilligendienstleistende gibt als zuletzt Zivildienstleistende. Der Zivi-Rekord wurde 2002 aufgestellt, als 135.924 junge Menschen Zivildienst leisteten. Seitdem wurde die Zahl sukzessive kleiner. Seit 2005 waren es 84.000 Männer jährlich. Und 2010, im letzten vollständigen Jahr der Wehrpflicht, wurden nur noch knapp 78.500 Männer zum Zivildienst einberufen.

Dem entgegen stehen nun etwa 94.500 meist junge Menschen, die im Dezember vergangenen Jahres einen Bundesfreiwilligendienst (BFD), ein Freiwilliges Soziales (FSJ) oder Ökologisches Jahr (FÖJ) absolviert haben. Und dabei handelt es sich nur um jene, die in Einrichtungen in Deutschland tätig waren. Hinzu kommen mehrere Tausend, die sich im Ausland engagieren, so meldet es der Verein Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee, der jene Organisationen vernetzt, die Freiwillige in andere Länder senden. 2019, vor der Pandemie, waren das mehr als 7000 Menschen. All das bedeutet: Derzeit setzen sich jedes Jahr rund 100.000 meist junge Menschen freiwillig für die Gemeinschaft ein. [...]

Es ist ja ohnehin so, dass nicht überall dort, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen, Sozialdienstleistende helfen könnten. Zum Beispiel in der Pflege. Menschen ohne Pflege-Erfahrung müssen angeleitet werden, um in Kliniken und Heimen arbeiten zu können. Nur, von wem? Der Fachkräftemangel führt dazu, dass auch die Kräfte fehlen würden, um all die neuen Sozialdienstleistenden anzulernen. [...]

Es brauche in der Pflege vor allem mehr Fachpersonal – und kein Heer an womöglich überforderten Hilfskräften. Zumal dann genau das verloren zu gehen drohe, was die derzeitigen Helfer besonders auszeichne und sie von Verpflichteten unterscheide: die Freiwilligkeit – und damit verbunden die Motivation, aus eigenen Stücken helfen zu wollen."

Kryprobörse FTX in Insolvenz geraten

 "[...] Im September 2021 verlegte FTX seinen Hauptsitz von Hongkong auf die Bahamas.[7]

In einer weiteren Finanzierungsrunde im Oktober 2021 sammelte das Unternehmen weitere 420 Mio. US-Dollar ein. Die Unternehmensbewertung stieg dadurch auf 25 Mrd. US-Dollar.[8]

Im November 2022 unterbreitete Konkurrent Binance ein – nicht bindendes – Angebot zur Übernahme großer Teile von FTX (FTX.US ausgenommen), das sich in Liquiditätsschwierigkeiten befand, seit Binance-Gründer Changpeng Zhao den Verkauf von FTX-Token (dem von FTX herausgegebenem Token) angekündigt hatte.[9] Tags darauf zog Binance das Angebot jedoch zurück.[10] Am 11. November 2022 meldeten FTX sowie etwa 130 weitere mit FTX.com, FTX US und Alameda Research Ltd. verbundene Gesellschaften im Staat Delaware Insolvenz nach Chapter 11 an. Bankman-Fried trat als CEO zurück.[11] Er wurde ersetzt durch John J. Ray III.[12]

Laut Berichten soll FTX durch Transfers an das mit ihm verbundene Kyptohandelsunternehmen Alameda Research Kundeneinlagen in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar veruntreut haben.[13] Kurz nach Bekanntgabe der Insolvenz von FTX wurden in „nicht autorisierten Transaktionen“ knapp eine Milliarde US-Dollar von der Kryptobörse entwendet. Somit sind die Kundengelder in Milliardenhöhe höchstwahrscheinlich verloren.[14]

Etwa eine Woche, nachdem John J. Ray III CEO geworden war, beklagte er ein „vollständiges Fehlen vertrauenswürdiger Finanzinformationen“ und „ein vollständiges Versagen der Unternehmenskontrollen“ bei FTX. Unter anderem waren mit FTX-Geldern offenbar Immobilien für Mitarbeiter und Berater gekauft worden, die bei den Behörden auf die Namen dieser Personen eingetragen wurden, ohne dass FTX entsprechende Darlehensunterlagen vorlägen. Bankman-Fried selbst, so Ray, habe keine laufende Funktion bei FTX, FTX US oder Alameda Research mehr und spreche nicht für diese Unternehmen.[15]

(Wikipedia), abgerufen 20.11.22

Freitag, 18. November 2022

Dürren und Überschwemmungen

Kate Marvel: "Die Erde stellt ihr Wasser in der Regel nicht selbst her. Sie braucht es nicht. Viel davon kam bei der Entstehung des Planeten aus dem All, und seither ist diese Menge weitgehend dieselbe geblieben. [...] Wenn der Planet zuweilen auf seiner Umlaufbahn um die Sonne ein wenig ins Taumeln gerät, bleibt das Eis für ein oder zwei Weltzeitalter in Gletschern gefangen. Ist die Eiszeit zu Ende, entkommt es diesen Gefängnis in einer frischen Sturzflut und strömt in die wachsenden Ozeane. In kürzeren Zeitspannen – Tagen, Monaten oder der menschlichen Lebenszeit – zirkuliert es zwischen Meer oder Land und dem Himmel, wird weder erzeugt noch zerstört, aber ändetr doch ständig seine Gestalt.

Der Gestaltwechsel ist eine anstrengende Arbeit. Für die Verdunstung einer Flüssigkeit ist Energie vonnöten, weshalb denn auch unser Körper an heißen Tagen nass und klebrig wird. Die Verdunstung zieht Energie von der Oberfläche ab und befördert sie in den Himmel. Die Verdunstung heizt die obere Atmosphäre auf, Die wiederum Wärme an den kalten Weltraum abgibt. Wasser ist in Dampfform unsichtbar, doch der Himmel ist erkennbar mit weißen und grauen Wolken bemalt – Ansammlungen winzige Wassertröpfchen und Eiskristalle. [...]

Bei steigenden Temperaturen schwitzt die Erde noch stärker. Die Luft verlangt von der Erdoberfläche Wasser, und überlässt die Feuchtigkeit den durstigen Himmel. Die Ozeane können die gesteigerte Nachfrage problemlos bewältigen. An Land jedoch ist das Wasser im Boden gespeichert, wie in einem Schwamm. Selbst in Jahren mit durchschnittlichen Niederschlägen kann die gierige Luft das Lebensblut aus dem Boden saugen und ihn ausgedörrt und tot zurücklassen. Der Südwesten Nordamerikas erlebt die schlimmste Megadürre der Geschichte, und die Trockenheit dürfte noch zunehmen. [...]

Bei der Verdunstung verwandelt sich die Flüssigkeit in Dampf: farblos, geruchlos, aber durchaus nicht ohne Gewicht. In der Atmosphäre befinden sich 10 Millionen Milliarden Kilogramm Wasserdampf, bewegen sich auf und ab und seitwärts und üben allenthalben Druck aus. Am Ende wird der Druck unerträglich, und ein Teil des Wasserdampf verschwindet aus der Luft, indem er sich wieder in flüssiges Wasser verwandelt. Der Schwellenwert, bei dem das geschieht, steigt rasch mit der Temperatur: Heisere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen. [...] Wenn es auf einem heißeren Planeten regnet, gießt es in Strömen. Eine wärmere Welt wird unter der Dürre leiden, doch aufgrund der grausamen Logik des Wasserkreislaufs wird es auch Überschwemmungen geben.

Die verschärften Dürren und katastrophalen Überschwemmungen sind charakteristische Fingerabdrücke menschlicher Eingriffe, [...] Satellitenbeobachtungen zeigen langfristige Veränderungen der Niederschlagsmuster [...] Das Wasser im Süd- und Nordpolarmeer hat wegen der verstärkten Niederschläge dort an Salzgehalt verloren, während der Salzgehalt des Mittelmeers und der subtropischen Meeresregionen wegen der trockenen Luft gestiegen ist. Auf dem Land bieten alte Bäume die Möglichkeit, weit zurückreichende Zusammenhänge für die Gegenwart zu erschließen. Ihre inneren Wachstumsringe erzählen eine Geschichte von feuchten und trockenen Jahren, von wechselnden Feuchtigkeitsbedingungen in den Böden, aus denen sie ihre Nahrung bezogen. [...] Zu Dürren käme es auch in einer Welt ohne Menschen. Ungewöhnlich ist jedoch, dass all diese Gebiete zur selben Zeit austrocknen. Das kann die Natur nicht. Aber wir können es.

Wir leben heute in einer Welt, die wir weitgehend selbst geschaffen haben. [...] Wir werden unseren Umgang mit der Welt überdenken. Wir werden unsere Energie von der Sonne und dem Wind beziehen, die den Tanz des Wassers von der Oberfläche in die Atmosphäre und zurück antreiben. Wir werden fortbestehen und uns wandeln wie das Wasser, auf das wir angewiesen sind. Wir müssen es." (S.76-78)

aus: G. Thunberg: Das Klima-Buch, S.76-78

Erinnerungskultur und Zukunftsgedächtnis

 Harald Welzer: "[...] Wie Handlungsspielräume auch unter extremen Bedingungen genutzt werden können, kann an historischen Beispielen gezeigt werden – etwa an Helfer- und Retterverhalten während der NS-Zeit, das Privatpersonen (wie Oskar Schindler) genauso gezeigt haben wie Wehrmachtsangehörige (wie Heinz Drossel). Solche Personen haben Handlungsspielräume anders genutzt als die übergroße Mehrheit ihrer Zeitgenossen, und darin liegt ein erhebliches Lernpotential. Solches Material kann um kleinere Experimente und Planspiele ergänzt werden. Experimente zum Bystander- Verhalten etwa haben gezeigt, dass das Maß der „Verantwortungsdiffusion“ als zentraler Faktor für erfolgende oder ausbleibende Hilfe gelten kann: Je mehr Personen anwesend sind, wenn sich jemand in einer Notsituation beindet, desto weniger neigen Einzelne zum Helfen (bystander effect). Das Wissen über hemmende Faktoren in Hilfesituationen moderiert das Verhalten, prosoziales Verhalten kann also durch Lernen beeinlusst werden. Andere klassische Experimente der Psychologie und Sozialpsychologie, etwa die Konformitätsexperimente von Asch (1951) oder Experimente zum Hilfeverhalten (Aronson 1994), können mit Hilfe von game designs für Alleinbesucher als Lernspiele operationalisiert werden oder für Gruppen zu Rollenspielen aufbereitet werden. Die Möglichkeit, Erfahrungen mit eigenen Handlungs- und Verhaltensbereitschaften zu machen, dürfte für nachhaltigere pädagogische Effekte sorgen als die bloße kognitive Konfrontation mit dem, was anderen Menschen zu anderen historischen Zeiten widerfahren ist. [...]"

(Aus Politik und Zeitgeschichte 25–26/2010, S.21/22)

USA Gewinner des Ukrainekriegs?

Adam Tooze im Interview

"[...] Das richtige Urteil über die Amerikaner war ja nie, dass sie insgesamt oder im Durchschnitt schräg waren, sondern dass es sich hier um ein extrem polarisiertes Land handelt. Mit bedingt durch die sehr merkwürdigen Verfahrensprozesse der amerikanischen Verfassung, die eine Mehrheit der sogenannten Wahlmänner ermöglichte, die zur Wahl von Donald Trump 2016 geführt hat, und die endlos manipulierten Wahlkreise im Sinne der Republikaner, die ebenfalls massiv übergewichtet worden sind. Diese Mechanismen haben für die konservative Seite keine eindeutige Mehrheit geschaffen. Die Lage ist sehr ausgeglichen. [...]

Ich würde keiner Freundin, meiner Frau, meiner Tochter empfehlen, erhebliche Zeit in Texas zu verbringen. Unter den gegebenen Umständen ist es unmöglich, dort zu leben oder zu arbeiten. Denn die Abtreibungsregelungen dort sind unmenschlich. Sie sind in aggressiver Form frauenfeindlich. [...] 

Das Amerika der 1950er und 1960er Jahre hatte eine andere Dimension. Das hatte innenpolitische und innersoziale Fundamente, die aber wiederum extrem verquer waren. Die Spannungen der Verbindungen der Gegensätze der 1950er entluden sich dann in der Civil-Rights-Bewegung der späten 1950er und 1960er Jahre. Dennoch hielt sich die hegemoniale Position der Demokraten bis in die 1980er Jahre hinein, als sie eine massive Dominanz im Kongress hatten, noch als Reagan Präsident war.
Der Grund war, dass die reichsten Wähler der Südstaaten ihr Leben lang die Demokraten gewählt haben, weil sie die Partei war, der nicht Abraham Lincoln angehört hatte. Die Demokraten, die im Norden eine liberale Partei und die Partei der Gewerkschaften waren, die Partei des New Deals, waren zugleich im Süden die Partei der Rassendiskriminierung des Ku-Klux-Klans. Durch die Civil-Rights-Bewegung zerplatzte diese Koalition. Die innergesellschaftlichen Fundamente des New Deals und des globalen Machtapparates, der in den Kalten Krieg hinein entstanden ist, beruht also auf dem Teufelspakt zwischen dem liberalen Norden und Jim Crow, dem ultrarassistischen Apartheits-Süden. Der Deal war, dass sie in beiden Teilen Amerikas, Norden und Süden, demokratisch wählen, aber aus ganz anderen Gründen. Zusammen hatten sie einen Machtapparat, der aber durch diese innere Spannung limitiert war.

Man hatte zwar eine Sozialversicherung im Zuge des New Deal, aber keine Arbeitslosenversicherung und keine Gesundheitsversicherung, das hätte ja impliziert, dass man für Schwarze in den Südstaaten wohlfahrtsstaatliche Dienstleistungen hätte gewähren müssen, die für die südstaatlichen Weißen überhaupt nicht infrage kamen. Niemand in Georgia oder Florida, Mississippi oder Alabama würde jemals für europäische Wohlfahrtseinrichtungen optieren, denn das würde ja heißen, weiße Steuerzahler würden Geld an Schwarze zahlen. Das aber wurde durch die Civil-Rights-Bewegung angestrebt. Und als dies politisch umgesetzt werden sollte, explodierte dieser Kompromiss förmlich. Die Republikaner profitierten davon, indem sie sich zur Partei des weißen rassistischen Ressentiments machten. Die Umrisse der heutigen gesellschaftlichen Polarisierung waren bereits damals sichtbar. [...]
Für mich war es zum Beispiel immer beeindruckend, wie türkische Jugendliche in Berlin sich die Attitüde der schwarzen Rapper angeeignet haben, obwohl sie in keiner Hinsicht schwarz sind und Nachkommen eines riesigen Großreiches sind, sich nun aber mit dem Gangster-Rap identifizierten. Das sind Prozesse der Globalisierung.
Interessant ist, dass die Einflüsse auf Amerika zurückwirken. Einer der Momente der 1950er Jahre ist die Abkopplung Amerikas von der restlichen Welt, so dass der Einfluss eine Einbahnstraße war. Amerika ist ein Einwanderungsland und ein Sklavenhalterstaat, das waren die zwei großen Dimensionen. Erst in den 1920er und 1930er Jahren hat sich erst eine eigenständige amerikanische Kultur in Reinform gebildet. Das ist der Moment, in dem die Deutschamerikaner das Deutsche aufgeben und sich nun nur noch als Amerikaner verstehen, das Gleiche gilt in abgeschwächter Form für Iren oder Italiener. [...]
Die Großunternehmerschaft ist heimatlos geworden, tendenziell zentristisch und den Demokraten zugewandt. Wenn man 150 000 Beschäftigte hat, kann man nicht eine solche Spaltpolitik vertreten, wie sie die Republikaner praktizieren. Das ist bei den Demokraten anders, da weiß sich die US-Elite gut aufgehoben. Auch wenn ein wenig umverteilt wird, hat ihnen Biden versprochen, dass er ihnen nicht zu viel abfordert. [...]
 Die Amerikaner sind die puren Gewinner. [...] Die Befürchtung, dass der Ölpreis in schwindelerregende Höhen steigen könnte, hat sich aber nicht bewahrheitet. Amerika ist letztendlich ein Energieexporteur, große Teile der USA profitieren von hohen Energiepreisen. Geopolitisch und strategisch ist die amerikanische Politik risikoreich, aber auch gewinnbringend. Nicht nur, dass Russland geschwächt wird, die Nato und ihre Allianzen in Ostasien haben neue Energie bekommen."

(Interview mit Wirtschaftshistoriker Tooze: „Hegemonie in ihrer sanftesten und gemütlichsten Form“„Hegemonie in ihrer sanftesten und gemütlichsten Form“ FR 18.11.22


Donnerstag, 17. November 2022

Margarine ohne Palmöl

 https://utopia.de/bestenlisten/margarine-ohne-palmoel/

Autoversicherung

 "Wenn der Beitrag für die Kfz-Versicherung steigt, haben Kunden immer ein Sonderkündigungsrecht von vier Wochen - auch über den 30. November hinaus. Woran der Preisanstieg liegt, spielt dabei keine Rolle.

Die Kfz-Versicherer sind aktuell in einem Dilemma. Starke Preiserhöhungen bergen die Gefahr, dass Kunden kündigen und zu einem günstigeren Konkurrenten wechseln. Aktuell kommen die Versicherer aber um höhere Beiträge kaum herum. Im Marktdurchschnitt müsste das Beitragsniveau für 2023 um rund zehn Prozent steigen, wenn die Versicherer keine Verluste machen wollen, schätzt die versicherungsmathematische Beratungsfirma MSK."(Süddeutsche Zeitung 17.11.22)

Darf ein Weißer noch Reggae machen?

 "Gegenfrage: Darf ein jüdischer Musiker Beethoven spielen?

Die Frage stammt nicht von mir, sie wurde gestellt und zugleich negativ beantwortet vom Urvater der Cancel-Culture. Im Briefwechsel mit Wilhelm Furtwängler, der sich gegen völkische Kulturpolitik gewandt hatte, verkündet er das Dogma aller Identitären bis heute: 'Lediglich eine Kunst, die aus dem vollen Volkstum selbst schöpft, kann am Ende gut sein.' Sein Name: Joseph Goebbels."

Ich zitiere den Leserbrief von Paul Humann aus der ZEIT vom 17.11.22 hier - ohne Humann um Genehmigung gebeten zu haben - vollständig und nicht nur die erlaubten 7 - 10 Prozent (genau weiß ich die Zahl nicht), weil ich sicher bin, dass Humann seine Argumentation - zu recht - für so brillant hält, dass er sich freut, wenn sie weiter verbreitet wird.

Die Überschrift, die die Redaktion der ZEIT dem Leserbrief gab: "Blondieren verboten" ZEIT Nr. 47, S.20.

Die Zusammenstellung dieser Fragen und die Beteiligten sind auch deshalb so wichtig, weil Wilhelm Furtwängler immer wieder kritisiert worden ist, weil er in der Nazizeit den Nazis als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker als Aushängeschild für die deutsche Kultur gedient hat und deshalb angegriffen worden ist wie Gustav Gründgens als Aushängeschild der Nazis als "Intendant des Berliner Schauspielhauses, von 1937 bis 1945 Generalintendant der Preußischen Staatstheater" (Wikipedia), am prominentesten durch Klaus Mann in seinem Roman "Mephisto".

Gegenwärtig stellt sich die Frage: "Darf man in Israel Wagner spielen?" So weit ich weiß, darf man es, doch Daniel Barenboims Versuch, der in diesen Tagen 80 wurde, Wagner als bedeutenden Musiker durch eine Reihe von Aufführungen in Israel herauszustellen, ist immer wieder gescheitert. Dabei geht es Barenboim nicht darum, Wagners Antisemitismus herunterzuspielen, sondern darum, die Rolle von Musik als verbindende Kraft zu nutzen, so wie er das mit seinem West-Eastern Divan Orchestra seit Jahren tut.

Diese Zusammenstellung von in mancher Weise befremdlichen Sachverhalten habe ich vorgenommen, um vor einseitigen Urteilen zu warnen -

und dass, obwohl ich es für richtig halte, mit mit allen möglichen Mitteln - auch zivilem Ungehorsam wie durch die "letzte Generation" dafür zu kämpfen, dass der menschengemachte Klimawandel in Grenzen gehalten wird. Denn schon jetzt hat er schier unerträgliche Folgen. Die Überschwemmungen in Pakistan, von denen rund 30 Millionen betroffen waren, gehören zu den Extremwetterereignissen, deren Zunahme Klimawissenschaftler zu den naturgesetzmäßig aus der Zunahme der CO2-Emissionen  sich ergebenden Folgen.

mehr dazu: Greta Thunberg: Das Klima-Buch, 2022.

Artikel in der ZEIT zu Klimaaktivismus. Ssher kontrovers und in der Gesamtheit recht ausgewogen, so wie Greta Thunberg betont: "Demokratie ist das wertvollste Instrument, dass wir haben, und es steht außer Zweifel, dass wir ohne sie keine Chance haben, die vor uns liegenden Probleme zu bewältigen." (Klimabuch, S.196/197)

Montag, 14. November 2022

Biodiversität (aus: G. Thunberg: Das Klimabuch)

 Adriana de Palma / Andy Purvis [...] Die erste menschengemachte Veränderung liegt weit zurück in der Vorgeschichte, als wir erstmals mit zahlreichen Arten in aller Welt in Berührung kamen. Unsere Jagd trug zur Ausrottung vieler große Säugetiere – und Vogelarten (das 'Aussterben der MegafaunaWikipedia-logo.png') bei, während Ratten und Katzen, für deren Ausbreitung wie auf vielen isolierten Inseln sorgten, diverse Vogelarten vernichteten, die inzwischen flugunfähig waren, weil sie sich in einer von räuberfreien Umwelt entwickelt hatten.

Vor etwa 10.000 Jahren begann die sesshafte Landwirtschaft das Nomadendasein zu ersetzen und löste damit die zweite Veränderungswelle aus. [...]

Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts führten miteinander verbundene Revolutionen in Landwirtschaft und produzierenden Gewerbe zur dritten Welle. Aus der Bewirtschaftung der Ökosysteme wurde deren Beherrschung. Das daraus resultierende Bevölkerungswachstum erhöhte den Bedarf an Ackerland und Holz als Bau- und Brennstoff, was zu einer weiteren Entwaldung führte. Heute benutzen wir in fast allen Bereichen der Wirtschaft fossile Brennstoffe und produzieren CO2 weitaus schneller, als die Ökosysteme aufnehmen können. [...] In Regionen mit weit verbreiteter Subsistenzlandwirtschaft ähneln die Auswirkungen eher denen in der zweiten Welle. Dort kommt es lokal zu einem verstärkten Verlust an Biodiversität, wenn komplexe natürliche in weniger komplexe agrarische Ökosysteme umgewandelt werden, doch die so entstehenden Landschaften – ein komplizierter häufig wechselnder, aber von Agrochemie freigehaltener Flickenteppich - vermag die Biodiversität auf einem mittleren Niveau zu halten.

In Regionen, in denen die dritte Welle in vollem Gange ist, ist das Gewebe des Lebens inzwischen so dünn, dass es zerreißen kann. Intensiv bewirtschaftetes Ackerland ist derart einfach strukturiert, dass es dort nur wenig Vegetation für wildlebende Arten gibt. Da man dem Ökosystemen so viel Biomasse entnimmt, bleibt nur wenig zurück, das als Grundlage für komplexe Nahrungsnetzwerke dienen könnte. Die globale Vegetationsbiomasse und die Baumbedeckung sind heute nur etwa halb so groß, wie sie es unter natürlichen Bedingungen wären. Und der Viehbestand der Erde ist deutlich größer als der Gesamtbestand der mehr als 5000 Arten wildlebender Säugetiere. [...] Ironischerweise sind die an Schädlingsbekämpfungsmittel am besten angepassten Arten ausgerechnet die Schädlinge selbst, während oft Tausende von Arten, die zur natürlichen Schädlingsbekämpfung, zur Bestäubung und zur Bodenverbesserung hätten beitragen können, vernichtet werden. Dazu gehören zahlreiche Wespenarten, deren Larven Schädlinge [...] auffressen; außerdem Bienen, Fliegen, Käfer, Nachtfalter und Schmetterlinge, die von den meisten Nutzpflanzen für die Bestäubung benötigt werden; Und schließlich Regenwürmer und zahlreiche Insekten wie SpringschwänzeWikipedia-logo.png, die Nährstoffe aus toten Pflanzen recyceln und den Boden düngen. Die intensive Landwirtschaft hat die Agrarproduktion zwar beträchtlich gesteigert, doch fast alle übrigen Vorzüge der Natur für den Menschen sind in den letzten 50 Jahren weltweit zurückgegangen. Die jüngste Bedrohung für die Natur ist der von Menschen gemachte Klimawandel. [...] Der Klimawandel hat zwar bisher längst nicht zu solchen Biodiversitätsverlusten geführt wie die Landnutzung durch die Menschen, doch die Alarmglocken läuten. Eine große regionale Artenvielfalt entstand nur, wenn das Klima stabil war. [...] Wenn Ökosysteme an Biodiversität verlieren, speichern Sie auch [weniger] Kohlenstoff und können schlechter mit Extremwetterereignissen und anderen Aspekten des Klimawandels fertig werden. Eine nachhaltige Zukunft ist dennoch möglich, wenn wir der Natur mehr Raum geben und weniger von ihr verlangen. Wenn wir die Zahl der aussterbenden Arten in den kommenden Jahrzehnten möglichst gering halten und die schlimmsten Auswirkungen der Erwärmung vermeiden wollen, müssen wir uns um die Regionen mit einem reichen Bestand an einzigartigen Arten kümmern, indem wir Ökosysteme wiederherstellen und schützen. Die Wiederherstellung von Ökosystemen mit hoher Kohlenstoffeinlagerung und hoher Biodiversität ist eine wahrhaft auf der Natur basierende – und dringliche Lösung." (S.115/17)

aus: G. Thunberg: Das Klima-Buch, s.114ff.)

Vom 7.12.- 21.12 2022 tagt in Montreal die 15. WeltbiodiversitätskonferenzWikipedia-logo.png: Badische Zeitung: Lässt sich das Artensterben aufhalten? - Panorama - Badische Zeitung.

Dienstag, 8. November 2022

Greta Thunberg: Das Klima-Buch

 Das Klima-Buch[1] von Greta Thunberg stellt eine Gemeinschaftsleistung von vielen Wissenschaftlern und Wissenschaftsjournalisten dar, die durch eine übergreifende Gliederung in fünf Teile und Einleitungen von Thunberg zu jedem größeren Abschnitt zusammengehalten werden.

Wie das Klima funktioniert

1.1 "Um dieses Problem zu lösen, müssen wir es zunächst verstehen", 2

Thunberg: "[...] Ich bin fest überzeugt, dass wir die schlimmsten Folgen dieser aufkommenden Existenzkrise nur abwenden können, wenn wir eine kritische Masse von Menschen zusammenbringen, die die notwendigen Veränderungen fordern. Damit das geschieht, müssen wir schnell Bewusstsein schaffen, denn noch immer fehlt es in der breiten Öffentlichkeit an grundlegendem Wissen, das notwendig ist um die Notlage zu begreifen, in der wir uns befinden. [...Dies] Buch enthüllt das Handeln der Verantwortlichen und das Versagen derer, die den Bürgerinnen und Bürgern der Welt diese Informationen schon längst hätten vermitteln müssen. [...]" (S.2/3)

"Selbstverständlich gibt es Fortschritte, hören wir. Manche Länder und Regionen melden eine recht erstaunliche Reduzierung der CO2-Emissionen – zumindest in den Jahren, seit die Welt erstmals die Rahmenwerke zur Handhabung unserer Statistiken ausgehandelt hat. Aber wie steht es um all diese Reduzierungen, wenn wir statt der sorgfältig manipulierten Landesstatistiken unsere Gesamtemissionen einbeziehen? Also all die Emissionen, die wir so erfolgreich aus diesen Zahlen herausgerechnet haben. Zum Beispiel durch die Verlagerung von Fabriken in ferne Erdteile und das Auslassen der Emissionen von internationalen Flug- und Schiffsverkehr in unseren Statistiken [...]" (S.4)

1.2 Die umfassende Geschichte des Kohlendioxids

Peter Brannen: "Wegen seiner erstaunlichen Bedeutung für alle Teile des Erdsystems ist Kohlendioxid nicht bloß einer von vielen abträglichen industriellen Schadstoffen wie Fluorkohlenwasserstoff oder Blei. Vielmehr ist es [...] 'der wichtigste Stoff in der Biosphäre'. (S. 6/7)

"Angesichts der zentralen Bedeutung des Kohlendioxids für die Biosphäre sollten wir vielleicht nicht überrascht sein, dass es derart zuverlässig zu Verwüstungen planetaren Ausmaßes führen kann, wenn dieses System so sehr aus dem Gleichgewicht gebracht wird." (S. 8)

1.3 Unser Einfluss auf die Evolution

1.5 "Die Wissenschaft ist so zuverlässig wie sie nur sein kann", 18

"Die bemerkenswerte klimatische Stabilität des Holozäns ermöglichte es unserer Spezies – dem Homo sapiens –, von der Lebensweise der Jäger und Sammler zu der von Bauern überzugehen, die Land kultivierten. [...] Würden wir die Weltgeschichte in die Zeitspanne von einem Jahr übersetzen, hätte die [[Industrielle Revolution]] am Silvesterabend etwa eineinhalb Sekunden vor Mitternacht stattgefunden. Seit der Entstehung der menschlichen {{wpde|Zivilisation}} haben wir die Hälfte der Bäume auf der Erde gefällt, mehr als zwei Drittel der Wildtiere und Wildpflanzen ausgerottet, die Meere mit Plastik gefüllt und ein potentielles massenhaftes Artensterben und eine Klimakatastrophe in Gang gesetzt. Wir haben angefangen, die Systeme zu destabilisieren, auf denen das Leben basiert und auf die wir alle angewiesen sind. Mit anderen Worten: wir sägen den Ast ab, auf dem wir leben.


Aber die meisten von uns sind sich immer noch nicht darüber im Klaren, was vorgeht, und viele kümmert es offenbar auch gar nicht. Das liegt an diversen Faktoren, von denen dieses Buch viele behandelt. Einer dieser Faktoren, das so genannte 'Shifting-Baseline-Syndrom oder die Generationenamnesie, bezeichnet den Umstand, dass wir uns an Neues gewöhnen und anfangen, die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Für meine Urgroßeltern wäre ein achtspuriges Autobahnkreuz vermutlich unvorstellbar gewesen, aber für meine Generation ist es etwas völlig Normales. Manchen von uns erscheint es sogar als etwas Natürliches, Sicheres und Beruhigendes, je nach den Umständen." (S.18/19)

"Die schnell eskalierende Klima- und Ökologiekrise ist eine globale Krise: Sie betrifft alle Pflanzen und Lebewesen. Zu behaupten, die gesamte Menschheit sei dafür verantwortlich, ist jedoch sehr weit von der Wahrheit entfernt. Die meisten Menschen leben gegenwärtig durchaus innerhalb der von der Erde gesetzten Grenzen. Lediglich eine Minderheit von uns hat diese Krise verursacht und treibt sie weiter voran. Aus diesem Grunde ist die gängige Behauptung: 'Es gibt zu viele Menschen', äußerst irreführend. Die Weltbevölkerung spielt zwar eine Rolle, aber nicht alle Menschen verursachen Emissionen und verbrauchen die Ressourcen der Erde, sondern nur manche Menschen – es sind die Gewohnheiten und das Verhalten mancher Menschen in Verbindung mit unseren Wirtschaftsstrukturen, die diese Katastrophe verursachen." (S.19)

1.9 "Dies ist die größte Geschichte der Welt", 42

Wie unser Planet verändert wird

2.1 "Das Wetter scheint auf Steroiden zu sein", 50

2.8 "Der Schneeball ist ins Rollen gebracht", 74

2.15 "Es ist viel näher als wir glauben", 96


Die Folgen für uns

3.1 "Die Welt hat Fieber", 142

3.8 "Wir sitzen nicht alle im selben Boot", 166

3.16 "Es warten enorme Herausforderungen", 196


Was wir dagegen unternommen haben

4.1 "Wie können wir unser Versagen ungeschehen machen, wenn wir nicht einmal zugeben können, dass wir versagt haben?", 218

4.4 "Wir gehen nicht in die richtige Richtung", 236

4.10 "Eine ganz neue Art zu denken", 263

4.18 "Ständig sagen sie das eine und tun das andere", 308

4.23 "Hier ziehen wir die Grenze", 331

Was wir jetzt tun müssen

5.1 "Der effektivste Weg aus dieser verfahrenen Lage ist, uns weiterzubilden

5.8 "Wir müssen jetzt das scheinbar Unmögliche tun", 390

5.15 "Ehrlichkeit, Solidarität, Integrität und Klimagerechtigkeit", 426

5.22 "Hoffnung muss man sich verdienen", 462

Anmerkungen

  1. Hochspringen Das Klima-Buch. Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike und Michael Bischoff. S. Fischer, Frankfurt am Main 2022
Mehr zu dem Buch findet sich in ZUM Unterrichten.

Samstag, 5. November 2022

FREITAGS KEINE DEMO

 FREITAGS KEINE DEMO Von Vanessa Nakate Die ZEIT, 45/2022, 3.11.22

"Warum der Klimakampf in Afrika anders aussieht als in Europa, schreibt die ugandische Aktivistin Vanessa Nakate [...]

Obwohl Afrika fast 39 Prozent des globalen Potenzials für saubere Energie hat, erhält es nur 
2 Prozent der weltweiten Investitionen dafür.

Statt das zu ändern, fließt weiterhin viel Kapital nach Afrika, um fossile Brennstoffprojekte von Konzernen aus dem globalen Norden zu finanzieren. Die Brennstoffe und die Gewinne daraus werden unvermeidlich zurück In den reichen Teil der Welt geleitet – und lassen die lokalen Gemeinschaften mit wenig mehr zurück als der Umweltverschmutzung und der Verdrängung vieler Anwohner, wie sie diese Projekte nun mal hervorrufen [...]"